Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.Allerdringendste. Es galt, den Credit der Regierung wiederherzustellen, Die Frage war, wie das Ministerium Menabrea sich zu einer Kammer Am 20. Januar legte der Minister sein Expose! vor. Die Hauptpunkte Allerdringendste. Es galt, den Credit der Regierung wiederherzustellen, Die Frage war, wie das Ministerium Menabrea sich zu einer Kammer Am 20. Januar legte der Minister sein Expose! vor. Die Hauptpunkte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0013" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121768"/> <p xml:id="ID_14" prev="#ID_13"> Allerdringendste. Es galt, den Credit der Regierung wiederherzustellen,<lb/> nach außen ebenso wie nach innen. Dabei kam ihm die conservative Nuance<lb/> zu Statten, die es durch den Namen des neuen Ministerpräsidenten erhielt,<lb/> welcher einst im subalpinischen Parlament entschieden zur Rechten gehört-<lb/> aber sich dann allerdings ganz der Cavourschen Politik angeschlossen hatte,<lb/> die er nun nach allen Beziehungen fortzusetzen entschlossen war. Denn<lb/> was von reactionären Tendenzen der neuen Minister alsbald in der<lb/> Presse der Opposition zu lesen stand, war eitel Parteierfindung; niemals<lb/> konnte dafür der Schatten eines Beweises beigebracht werden, obwol bis in<lb/> die neueste Zeit und in immer verstärkter Weise eine liebenswürdige Local-<lb/> presse sich in Verbreitung abenteuerlicher Gerüchte gefiel, als ob das Ministe¬<lb/> rium mit freiheitsmörderischen Staatsstreichgedanken umgehe und nach dem<lb/> Blut der Bürger dürste.</p><lb/> <p xml:id="ID_15"> Die Frage war, wie das Ministerium Menabrea sich zu einer Kammer<lb/> stellen werde, die eben noch eine Stütze Ratazzi's gewesen war. Der Anfang<lb/> verhieß wenig Gutes. Als die Kammer, die am 20. August vertagt worden<lb/> war, am 5. December wieder zusammentrat, stürzte sie sich — wie dies nach<lb/> Mendana zu erwarten stand — in eine" jener unfruchtbaren Debatten über<lb/> die römische Frage, deren Mittelpunkt diesmal die Erörterung von Ratazzi's<lb/> Haltung bildete. Vierzehn Tage dauerte dieses Wortgefecht, und am Ende<lb/> wurde die Tagesordnung, die das Ministerium als ein Vertrauensvotum zu<lb/> acceptiren bereit war, mit geringer Mehrheit verworfen. Menabrea reichte<lb/> seine Entlassung ein, wurde jedoch sofort mit der Neubildung des Mini¬<lb/> steriums beauftragt und trat, , nachdem die Versuche, mit den frondirenden<lb/> Parteien anzuknüpfen, gescheitert waren, mit nicht erheblichen Veränderungen<lb/> am 11. Januar 1868 wiederum vor die Kammer. Neben Menabrea blieb<lb/> der Finanzminister Cambray-Digny, der vormalige Gonfaloniere der Stadt<lb/> Florenz, der nunmehr seine Finanzpläne vor dem Lande zu entwickeln hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_16" next="#ID_17"> Am 20. Januar legte der Minister sein Expose! vor. Die Hauptpunkte<lb/> seines Programms, um das Deficit der Jahre 1866—1868 zu decken, das er<lb/> auf 630 Mill. anschlug, und das Gleichgewicht der Einnahmen und Ausgaben<lb/> herzustellen, waren folgende: zunächst die Einführung neuer Steuern, darunter<lb/> besonders der Mahlsteuer, die schon von Sella versucht und von Ferrara<lb/> beabsichtigt war; ferner die Reform einiger bestehenden Steuern, damit,zu¬<lb/> sammenhängend Aenderungen in der Tabaksregie; dann Reformen in der<lb/> Central- und Provinzialverwaltung, durch welche der Dienst vereinfacht und<lb/> decentralisirt, und andererseits die Autorität der Behörden gehoben werden<lb/> sollte; sodann Uebergang des Dienstes der Staatskasse an die Nationalbank<lb/> und endlich die Betrauung der Gemeinden mit der Erhebung der directen<lb/> Steuern. Nicht mit großen Erwartungen hatte man der Amtsführung des</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0013]
Allerdringendste. Es galt, den Credit der Regierung wiederherzustellen,
nach außen ebenso wie nach innen. Dabei kam ihm die conservative Nuance
zu Statten, die es durch den Namen des neuen Ministerpräsidenten erhielt,
welcher einst im subalpinischen Parlament entschieden zur Rechten gehört-
aber sich dann allerdings ganz der Cavourschen Politik angeschlossen hatte,
die er nun nach allen Beziehungen fortzusetzen entschlossen war. Denn
was von reactionären Tendenzen der neuen Minister alsbald in der
Presse der Opposition zu lesen stand, war eitel Parteierfindung; niemals
konnte dafür der Schatten eines Beweises beigebracht werden, obwol bis in
die neueste Zeit und in immer verstärkter Weise eine liebenswürdige Local-
presse sich in Verbreitung abenteuerlicher Gerüchte gefiel, als ob das Ministe¬
rium mit freiheitsmörderischen Staatsstreichgedanken umgehe und nach dem
Blut der Bürger dürste.
Die Frage war, wie das Ministerium Menabrea sich zu einer Kammer
stellen werde, die eben noch eine Stütze Ratazzi's gewesen war. Der Anfang
verhieß wenig Gutes. Als die Kammer, die am 20. August vertagt worden
war, am 5. December wieder zusammentrat, stürzte sie sich — wie dies nach
Mendana zu erwarten stand — in eine" jener unfruchtbaren Debatten über
die römische Frage, deren Mittelpunkt diesmal die Erörterung von Ratazzi's
Haltung bildete. Vierzehn Tage dauerte dieses Wortgefecht, und am Ende
wurde die Tagesordnung, die das Ministerium als ein Vertrauensvotum zu
acceptiren bereit war, mit geringer Mehrheit verworfen. Menabrea reichte
seine Entlassung ein, wurde jedoch sofort mit der Neubildung des Mini¬
steriums beauftragt und trat, , nachdem die Versuche, mit den frondirenden
Parteien anzuknüpfen, gescheitert waren, mit nicht erheblichen Veränderungen
am 11. Januar 1868 wiederum vor die Kammer. Neben Menabrea blieb
der Finanzminister Cambray-Digny, der vormalige Gonfaloniere der Stadt
Florenz, der nunmehr seine Finanzpläne vor dem Lande zu entwickeln hatte.
Am 20. Januar legte der Minister sein Expose! vor. Die Hauptpunkte
seines Programms, um das Deficit der Jahre 1866—1868 zu decken, das er
auf 630 Mill. anschlug, und das Gleichgewicht der Einnahmen und Ausgaben
herzustellen, waren folgende: zunächst die Einführung neuer Steuern, darunter
besonders der Mahlsteuer, die schon von Sella versucht und von Ferrara
beabsichtigt war; ferner die Reform einiger bestehenden Steuern, damit,zu¬
sammenhängend Aenderungen in der Tabaksregie; dann Reformen in der
Central- und Provinzialverwaltung, durch welche der Dienst vereinfacht und
decentralisirt, und andererseits die Autorität der Behörden gehoben werden
sollte; sodann Uebergang des Dienstes der Staatskasse an die Nationalbank
und endlich die Betrauung der Gemeinden mit der Erhebung der directen
Steuern. Nicht mit großen Erwartungen hatte man der Amtsführung des
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