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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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neuen Finanzministers entgegengesehen, der kein eigentlicher Finanzmann war.
Dennoch gelang es ihm, durch rückhaltlose Offenheit und den Ernst seiner
wiederholten Darlegungen bald eine gewisse Autorität zu erlangen. Die
Nothwendigkeit, entscheidende Maßregeln zu ergreifen, wenn der Bankerott ab¬
gewendet werden sollte, machte sich allgemein geltend. Man war der ewigen
Ministerveränderungen müde und war auch davon überzeugt, daß der Weg
der fortgesetzten Anleihen durch Ausgabe von consolidirter Rente verlassen
werden müsse, wenn der Credit des Landes nicht immer tiefer geschädigt
werden sollte. Im Lande regte sich endlich die gemäßigte Partei, in meh¬
reren oberitalienischen Städten wurden Versammlungen veranstaltet, welche
das Parlament an die Pflicht erinnerten, das Land vor der Schmach des
Bankerotts zu bewahren und zugleich die opferwillige Mitwirkung des Volkes
betheuerten. In der Kammer selbst gewann das Ministerium sichtlich an
Boden, und wirklich waren die Verhandlungen des Jahres 1868 -- sie
dauerten vom 11. Januar bis zum 31. August und wieder vom 2S. Novem¬
ber bis 22. December -- verhältnißmäßig reich an Ergebnissen. Es war
die fruchtbarste Session, deren ein Finanzminister des neuen Königreichs sich
rühmen konnte.

Die Debatte über die Mahlsteuer nahm dadurch eine glückliche Wen¬
dung, daß im Laufe derselben die sogenannte dritte Partei unter Führung
von Bargoni, Mordini, Correnti u. A., eine weniger durch ihre Zahl als
durch ihre Talente einflußreiche Partei und bei dem Verhältniß der Parteien
immerhin ein erheblicher Zuwachs, ihren Uebergang zur ministeriellen Partei
vollzog, unter der Bedingung, daß das Ministerium auf ihre Ideen in der
Verwaltungsorganisation einging. Am 21. Mai wurde die Mahlsteuer und
mit ihr zwei andere neue Steuern genehmigt und später ein Zuschlag von
10 Proc. zu den directen Steuern votirt. Wurde auch das Project einer
allgemeinen Einkommensteuer wieder aufgegeben, und der Vorschlag des Mi¬
nisters, die auswärtigen Staatsgläubiger von der Couponsteuer auszunehmen,
verworfen, so wurden doch im Uebrigen seine Steuerpläne gutgeheißen. Im
Ganzen hatte die Kammer 140--ISO Mill. neuer Steuern bewilligt und
damit ihren entschiedenen Willen, für Herstellung des Gleichgewichts mit¬
zuwirken, documentirt. Und kaum hatte der Minister diesen Triumph er¬
rungen und damit seine Stellung befestigt, so wandte er sich den anderen
Theilen seines Programms zu. Die Basis seines Finanzplans bildete das
Tabaksgeschäft. Hatte eine Operation auf die Kirchengüter immer das Mi߬
liche, daß man hier einem schwer zu schätzenden Object gegenüberstand, so bot
dagegen eine Operation auf das Tabaksmonopol den Vortheil, daß der Er¬
trag fast bis auf Heller und Pfennig sich berechnen ließ. Man hatte hier
einen soliden, sicheren Gewinn und der Gewinn mußte sich zugleich fortwäh-


neuen Finanzministers entgegengesehen, der kein eigentlicher Finanzmann war.
Dennoch gelang es ihm, durch rückhaltlose Offenheit und den Ernst seiner
wiederholten Darlegungen bald eine gewisse Autorität zu erlangen. Die
Nothwendigkeit, entscheidende Maßregeln zu ergreifen, wenn der Bankerott ab¬
gewendet werden sollte, machte sich allgemein geltend. Man war der ewigen
Ministerveränderungen müde und war auch davon überzeugt, daß der Weg
der fortgesetzten Anleihen durch Ausgabe von consolidirter Rente verlassen
werden müsse, wenn der Credit des Landes nicht immer tiefer geschädigt
werden sollte. Im Lande regte sich endlich die gemäßigte Partei, in meh¬
reren oberitalienischen Städten wurden Versammlungen veranstaltet, welche
das Parlament an die Pflicht erinnerten, das Land vor der Schmach des
Bankerotts zu bewahren und zugleich die opferwillige Mitwirkung des Volkes
betheuerten. In der Kammer selbst gewann das Ministerium sichtlich an
Boden, und wirklich waren die Verhandlungen des Jahres 1868 — sie
dauerten vom 11. Januar bis zum 31. August und wieder vom 2S. Novem¬
ber bis 22. December — verhältnißmäßig reich an Ergebnissen. Es war
die fruchtbarste Session, deren ein Finanzminister des neuen Königreichs sich
rühmen konnte.

Die Debatte über die Mahlsteuer nahm dadurch eine glückliche Wen¬
dung, daß im Laufe derselben die sogenannte dritte Partei unter Führung
von Bargoni, Mordini, Correnti u. A., eine weniger durch ihre Zahl als
durch ihre Talente einflußreiche Partei und bei dem Verhältniß der Parteien
immerhin ein erheblicher Zuwachs, ihren Uebergang zur ministeriellen Partei
vollzog, unter der Bedingung, daß das Ministerium auf ihre Ideen in der
Verwaltungsorganisation einging. Am 21. Mai wurde die Mahlsteuer und
mit ihr zwei andere neue Steuern genehmigt und später ein Zuschlag von
10 Proc. zu den directen Steuern votirt. Wurde auch das Project einer
allgemeinen Einkommensteuer wieder aufgegeben, und der Vorschlag des Mi¬
nisters, die auswärtigen Staatsgläubiger von der Couponsteuer auszunehmen,
verworfen, so wurden doch im Uebrigen seine Steuerpläne gutgeheißen. Im
Ganzen hatte die Kammer 140—ISO Mill. neuer Steuern bewilligt und
damit ihren entschiedenen Willen, für Herstellung des Gleichgewichts mit¬
zuwirken, documentirt. Und kaum hatte der Minister diesen Triumph er¬
rungen und damit seine Stellung befestigt, so wandte er sich den anderen
Theilen seines Programms zu. Die Basis seines Finanzplans bildete das
Tabaksgeschäft. Hatte eine Operation auf die Kirchengüter immer das Mi߬
liche, daß man hier einem schwer zu schätzenden Object gegenüberstand, so bot
dagegen eine Operation auf das Tabaksmonopol den Vortheil, daß der Er¬
trag fast bis auf Heller und Pfennig sich berechnen ließ. Man hatte hier
einen soliden, sicheren Gewinn und der Gewinn mußte sich zugleich fortwäh-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/14>, abgerufen am 22.07.2024.