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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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die Razionen für die Preßlegion etwas verkürzt werden. Denn was er
in die Wiener Bank gelegt hat, das liegt dort ohne Zweifel mehr fest
als gut.

Uebrigens scheint man sich in Norddeutschland unrichtige Vorstellungen
von dem "Hof in Hietzing" zu machen. Was in den inneren Gemächern
des "Stöckeis" gesonnen und geplant werden mag, kann man freilich nicht
wissen; wahrnehmen läßt sich nur, daß die Herrschaften in größter Zurück¬
gezogenheit leben, aus welcher sie fast nur heraustreten, wenn es gute Musik zu
hören gibt. Den Sommer über wohnen sie dann so still am Traunsee, wo
der König eine Villa gekauft hat. Daß der berufene "Welfenschatz" und
der fabelhaft aus Silber getriebene "Uvstallboom" noch immer im Oester¬
reichischen Museum ausgestellt ist, kann man doch nicht als eine Demon¬
stration gegen den Nordbund betrachten, und wenn einige Gesangvereine
dem blinden Könige musikalische Treue geloben, so wird das den Weltfrieden
um so weniger stören, als die gesinnungslosen Sänger sicherlich bereit ge¬
wesen wären, dem Erben von Hohenzollern dieselbe Huldigung darzubringen.
Der Besuch des Letzteren wird freilich die Hannoveraner tief betroffen haben,
aber je eher ihre letzten Illusionen zerstört werden, desto besser für sie. Sich
zu beklagen, haben sie keinen Grund, da ihnen ja längst von der österreichi¬
schen Regierung der beiderseitige Standpunkt klar gemacht worden war.
Aber posirliche Gesichter machen die Politiker, welche sich mit der Hoffnung
schmeichelten, den Grafen Beust doch noch zur förmlichen Allianz mit Frank¬
reich zu drängen, deren Ziel die Wiederherstellung des alten Bundes und
des alten segensreichen Verhältnisses von Oesterreich zu Deutschland sein sollte
-- alles im Namen der Freiheit. Einer von diesen Prätorianern -- man
nannte hoffentlich irrigerweise den Namen eines durch seine Versatilität be¬
kannten Abgeordneten -- hatte unlängst eine ihm und seiner Partei zur
Schmach gereichende Denunciationsschrift gegen eine Anzahl Mitglieder des
Reichsrathes drucken lassen, welche er das "junge Deutsch-Oesterreich" taufte.
Weil erstere, fast durchweg Männer von erprobter Gesinnung, sich zuerst als
Deutsche und dann erst als Oesterreicher fühlen, weil sie im Reichsrath auf
rückhaltlose Auseinandersetzung mit dem Nordbund drangen, wurden sie kurz-
weg als Vaterlandsverräther hingestellt, und das mit Manieren, welche an
die schlimmsten Zeiten politischen Fanatismus und des Denunciantenwesens
erinnerten. Aber der Effekt war kläglich. Alle unabhängige Journale
schlugen den öffentlichen Ankläger derb auf den Mund und das Publikum
nahm gar keine Notiz von ihm. Wer sich noch über die Stimmung der
Deutschen in Oesterreich täuscht, der will eben getäuscht sein. Sie wünschen
Versöhnung, aber freilich nicht auf Kosten der bürgerlichen Freiheit. --

Das zweite Bein, auf dem der verjüngte Kaiserstaat hinkt, Böhmen,


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die Razionen für die Preßlegion etwas verkürzt werden. Denn was er
in die Wiener Bank gelegt hat, das liegt dort ohne Zweifel mehr fest
als gut.

Uebrigens scheint man sich in Norddeutschland unrichtige Vorstellungen
von dem „Hof in Hietzing" zu machen. Was in den inneren Gemächern
des „Stöckeis" gesonnen und geplant werden mag, kann man freilich nicht
wissen; wahrnehmen läßt sich nur, daß die Herrschaften in größter Zurück¬
gezogenheit leben, aus welcher sie fast nur heraustreten, wenn es gute Musik zu
hören gibt. Den Sommer über wohnen sie dann so still am Traunsee, wo
der König eine Villa gekauft hat. Daß der berufene „Welfenschatz" und
der fabelhaft aus Silber getriebene „Uvstallboom" noch immer im Oester¬
reichischen Museum ausgestellt ist, kann man doch nicht als eine Demon¬
stration gegen den Nordbund betrachten, und wenn einige Gesangvereine
dem blinden Könige musikalische Treue geloben, so wird das den Weltfrieden
um so weniger stören, als die gesinnungslosen Sänger sicherlich bereit ge¬
wesen wären, dem Erben von Hohenzollern dieselbe Huldigung darzubringen.
Der Besuch des Letzteren wird freilich die Hannoveraner tief betroffen haben,
aber je eher ihre letzten Illusionen zerstört werden, desto besser für sie. Sich
zu beklagen, haben sie keinen Grund, da ihnen ja längst von der österreichi¬
schen Regierung der beiderseitige Standpunkt klar gemacht worden war.
Aber posirliche Gesichter machen die Politiker, welche sich mit der Hoffnung
schmeichelten, den Grafen Beust doch noch zur förmlichen Allianz mit Frank¬
reich zu drängen, deren Ziel die Wiederherstellung des alten Bundes und
des alten segensreichen Verhältnisses von Oesterreich zu Deutschland sein sollte
— alles im Namen der Freiheit. Einer von diesen Prätorianern — man
nannte hoffentlich irrigerweise den Namen eines durch seine Versatilität be¬
kannten Abgeordneten — hatte unlängst eine ihm und seiner Partei zur
Schmach gereichende Denunciationsschrift gegen eine Anzahl Mitglieder des
Reichsrathes drucken lassen, welche er das „junge Deutsch-Oesterreich" taufte.
Weil erstere, fast durchweg Männer von erprobter Gesinnung, sich zuerst als
Deutsche und dann erst als Oesterreicher fühlen, weil sie im Reichsrath auf
rückhaltlose Auseinandersetzung mit dem Nordbund drangen, wurden sie kurz-
weg als Vaterlandsverräther hingestellt, und das mit Manieren, welche an
die schlimmsten Zeiten politischen Fanatismus und des Denunciantenwesens
erinnerten. Aber der Effekt war kläglich. Alle unabhängige Journale
schlugen den öffentlichen Ankläger derb auf den Mund und das Publikum
nahm gar keine Notiz von ihm. Wer sich noch über die Stimmung der
Deutschen in Oesterreich täuscht, der will eben getäuscht sein. Sie wünschen
Versöhnung, aber freilich nicht auf Kosten der bürgerlichen Freiheit. —

Das zweite Bein, auf dem der verjüngte Kaiserstaat hinkt, Böhmen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/123>, abgerufen am 22.07.2024.