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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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der beinahe vergessenen Zeit, als noch "die grünen Hefte" mittelst allerlei ver¬
wegener Künste, Vertauschung der Bücherpackete auf der Censur u, dergl. hier ins
Land geschmuggelt wurden, tauchen, man weiß nicht woher und wie, Flugschriften
ohne Verfasser, Ort und Jahr auf, bald blutig roth gefärbt, bald gelbweiß,
rothweiß u. f. w., aber alle einig darin, daß es für Oesterreich kein vitaleres
Interesse gebe, als im Verein mit Frankreich über Preußen herzufallen und
den König von Hannover wieder einzusetzen. Ueber den Erfolg ist den Pa¬
ladinen des Welsen nicht bange. "Die Geister aller der beraubten Fürsten
bilden an und für sich eine Armee und schlagen mit, um den modernen
Richard zu entthronen!" tröstet eine von den anonymen Broschüren. Dieses
Pröbchen zeigt zur Genüge, welche "Geister" den Spuk treiben. Doch wie
Preußen einmal Glück hat, wird es sich auch vor diesen Feinden nicht lange
mehr zu fürchten haben: denn xvint ä'argent...!

Unmittelbar nach der Abreise des preußischen Kronprinzen erfüllte die
Stadt das Gerücht von dem Selbstmorde eines altadlichen Herrn, des
Grafen Wradislaw, Maltheser - Ritters und Oberstküchenmeisters. Man
rühmte ihn allgemein als einen Mann von den besten liebenswürdigsten
Formen, als einen Edelmann im besten Sinne des Worts. Auch er hatte
sich in den Bankschwindel hineinreißen lassen, konnte, als die unvermeidliche
Katastrophe hereinbrach und die klugen Leute, welche ihn vorgeschoben hatten,
sammt ihrem Schäflein längst auf dem Trocknen waren, seine Verbindlich¬
keiten nicht erfüllen und bezahlte mit seinem Leben. Die Bank aber, welche
diesen Mann zu Grunde richtete, ist dieselbe "Wiener Bank", zu deren
Hauptgründern König Georg gehört. In den Grenzboten stand vor vielen
Monaten ein Artikel über das Banksieber in Wien und den wahrscheinlichen
Ausgang der Krankheit; aber die damalige Schilderung ist ja völlig ver¬
blaßt neben dem, was sich später wirklich zutrug. Die Gründung jener,
Wiener Bank machte Hunderte, Tausende von Menschen geradezu wahnsinnig.
Als ob nicht jeder Realschüler heutzutage seinem Bater von John Law und seinen
Wundern erzählen könnte und als ob nicht in Wien selbst erst vor dreizehn Jahren
der Schwindel mit den Creditactien erlebt worden wäre, -- so ließen sie sich
die gewöhnlichsten Mittel der Reclame und die gewöhnlichsten Taschenspieler¬
kunststücke der Börse verblenden und übertölpeln. Die Bank trieb nämlich
ihre Actien auf die allereinfachste Art in die Höhe: sie kaufte sie selbst auf,
zu immer höheren und höheren Cursen, und war daher, als sie Zahlung
leisten sollte, augenblicklich fertig. Daß sie überhaupt noch existirt, dankt sie,
wie es heißt, den Zuschüssen des Königs von Hannover, dem seine Rath¬
geber wahrscheinlich versprochen hatten, sie wollten seine Millionen ver-
millionfachen, damit der Rachezug gegen Preußen unternommen werden
könne. Jetzt dürfen die Werbungen noch etwas vertagt bleiben und auch


der beinahe vergessenen Zeit, als noch „die grünen Hefte" mittelst allerlei ver¬
wegener Künste, Vertauschung der Bücherpackete auf der Censur u, dergl. hier ins
Land geschmuggelt wurden, tauchen, man weiß nicht woher und wie, Flugschriften
ohne Verfasser, Ort und Jahr auf, bald blutig roth gefärbt, bald gelbweiß,
rothweiß u. f. w., aber alle einig darin, daß es für Oesterreich kein vitaleres
Interesse gebe, als im Verein mit Frankreich über Preußen herzufallen und
den König von Hannover wieder einzusetzen. Ueber den Erfolg ist den Pa¬
ladinen des Welsen nicht bange. „Die Geister aller der beraubten Fürsten
bilden an und für sich eine Armee und schlagen mit, um den modernen
Richard zu entthronen!" tröstet eine von den anonymen Broschüren. Dieses
Pröbchen zeigt zur Genüge, welche „Geister" den Spuk treiben. Doch wie
Preußen einmal Glück hat, wird es sich auch vor diesen Feinden nicht lange
mehr zu fürchten haben: denn xvint ä'argent...!

Unmittelbar nach der Abreise des preußischen Kronprinzen erfüllte die
Stadt das Gerücht von dem Selbstmorde eines altadlichen Herrn, des
Grafen Wradislaw, Maltheser - Ritters und Oberstküchenmeisters. Man
rühmte ihn allgemein als einen Mann von den besten liebenswürdigsten
Formen, als einen Edelmann im besten Sinne des Worts. Auch er hatte
sich in den Bankschwindel hineinreißen lassen, konnte, als die unvermeidliche
Katastrophe hereinbrach und die klugen Leute, welche ihn vorgeschoben hatten,
sammt ihrem Schäflein längst auf dem Trocknen waren, seine Verbindlich¬
keiten nicht erfüllen und bezahlte mit seinem Leben. Die Bank aber, welche
diesen Mann zu Grunde richtete, ist dieselbe „Wiener Bank", zu deren
Hauptgründern König Georg gehört. In den Grenzboten stand vor vielen
Monaten ein Artikel über das Banksieber in Wien und den wahrscheinlichen
Ausgang der Krankheit; aber die damalige Schilderung ist ja völlig ver¬
blaßt neben dem, was sich später wirklich zutrug. Die Gründung jener,
Wiener Bank machte Hunderte, Tausende von Menschen geradezu wahnsinnig.
Als ob nicht jeder Realschüler heutzutage seinem Bater von John Law und seinen
Wundern erzählen könnte und als ob nicht in Wien selbst erst vor dreizehn Jahren
der Schwindel mit den Creditactien erlebt worden wäre, — so ließen sie sich
die gewöhnlichsten Mittel der Reclame und die gewöhnlichsten Taschenspieler¬
kunststücke der Börse verblenden und übertölpeln. Die Bank trieb nämlich
ihre Actien auf die allereinfachste Art in die Höhe: sie kaufte sie selbst auf,
zu immer höheren und höheren Cursen, und war daher, als sie Zahlung
leisten sollte, augenblicklich fertig. Daß sie überhaupt noch existirt, dankt sie,
wie es heißt, den Zuschüssen des Königs von Hannover, dem seine Rath¬
geber wahrscheinlich versprochen hatten, sie wollten seine Millionen ver-
millionfachen, damit der Rachezug gegen Preußen unternommen werden
könne. Jetzt dürfen die Werbungen noch etwas vertagt bleiben und auch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/122>, abgerufen am 22.07.2024.