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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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denn dasselbe trage keinen rein privaten Charakter. Es sei nur privat,
sofern dabei bestimmte Personen interessirt seien, öffentlich aber was seinen
Gebrauch und was die Bedingungen betreffe, aus denen es beruhe. Gerade
deshalb provocire es die Angriffe der modernen Gleichmacherei. Alle Revo¬
lutionen hätten mit der Confiscation der Kirchengüter begonnen, damit aber
sei der Damm durchbrochen, welcher auch das Privateigenthum schirme, und
man sei durch die Consequenz fortgedrängt zum Socialismus.

Hiergegen erhob sich zuerst der würdige Bischof von Se. Davids, der
gelehrte Dr. Thirlwall mit einem feierlichen Protest. "Gott", sagte er. "bedarf
nichts von Menschen, die Frage ist nicht, ob das Kircheneigenthum Gort
oder Menschen gehört, sondern ob eine bestimmte Classe vom Eigenthum für
die Gesellschaft wohlthätiger ist, als eine andere und die Entscheidung darüber
ruht auf dem breiten Grunde allgemeiner Zweckmäßigkeit. Ich bin so eifrig
für die Herrschaft des Protestantismus als irgend jemand, aber nur für eine
Herrschaft von religiösem, moralischem und geistigem Charakter, eine Herr¬
schaft von Wahrheit und Vernunft über Irrthum und Sünde." --

Und von anderer Seite wird hervorgehoben, daß wenn dies richtig, der
Staat die verschiedenen Confessionen und ihre Bedeutung berücksichtigen
müsse; in England bilde die anglikanische Kirche die Majorität, in Schott¬
land die presbyterianische, in Irland die katholische. Bei der Union mit
Schottland sei man weise genug gewesen, die presbyterianische Kirche an¬
zuerkennen, bei der Union mit Irland habe Georgs III. Bigotterie dies ver¬
hindert und daraus stamme alles Unheil. Alle jene Räsonnements ließen
das eine große Hauptargument für die Aufhebung der irischen Staatskirche
unberührt, daß sie die Kirche einer winzigen Minorität sei, welche auf Kosten
der Majorität erhalten werde. Niemand könne nach den bisherigen Erfah¬
rungen noch hoffen, daß Irland protestantisch werden würde, wie man dies
1688 gethan. Wenn also eine Staatskirche den Zwecken nicht mehr entspreche
für welche sie gegründet, so habe der Staat das Recht und die Pflicht, sie
aufzuheben, wie jede andere Corporation, die sich überlebt habe, denn Cor"
porationen seien eben nur Schöpfungen des Staates. Lord Carnarvon warnte
noch speciell davor, auf die bloße Thatsache der Union von Staat und
Kirche zu viel Gewicht zu legen, niemals sei dieselbe enger gewesen als in
Frankreich am Vorabend der Revolution. Aber dies habe die vollständige
Entfremdung der Gesellschaft von der Kirche, die Herrschaft des Voltairinanis-
mus und Materialismus nicht gehindert. Die Kirche sei in der Revolution
gefallen, weil sie allein durch den Staat aufrecht gehalten war, die Waffen,
mit denen sie zerstört, seien unter dem ^melen rs^uns geschmiedet worden.

3) Ward von den Widersachern betont, daß die irisch-protestantische
Kirche, als freie Corporation constituirt, nicht mehr im Stande sein werde,


denn dasselbe trage keinen rein privaten Charakter. Es sei nur privat,
sofern dabei bestimmte Personen interessirt seien, öffentlich aber was seinen
Gebrauch und was die Bedingungen betreffe, aus denen es beruhe. Gerade
deshalb provocire es die Angriffe der modernen Gleichmacherei. Alle Revo¬
lutionen hätten mit der Confiscation der Kirchengüter begonnen, damit aber
sei der Damm durchbrochen, welcher auch das Privateigenthum schirme, und
man sei durch die Consequenz fortgedrängt zum Socialismus.

Hiergegen erhob sich zuerst der würdige Bischof von Se. Davids, der
gelehrte Dr. Thirlwall mit einem feierlichen Protest. „Gott", sagte er. „bedarf
nichts von Menschen, die Frage ist nicht, ob das Kircheneigenthum Gort
oder Menschen gehört, sondern ob eine bestimmte Classe vom Eigenthum für
die Gesellschaft wohlthätiger ist, als eine andere und die Entscheidung darüber
ruht auf dem breiten Grunde allgemeiner Zweckmäßigkeit. Ich bin so eifrig
für die Herrschaft des Protestantismus als irgend jemand, aber nur für eine
Herrschaft von religiösem, moralischem und geistigem Charakter, eine Herr¬
schaft von Wahrheit und Vernunft über Irrthum und Sünde." —

Und von anderer Seite wird hervorgehoben, daß wenn dies richtig, der
Staat die verschiedenen Confessionen und ihre Bedeutung berücksichtigen
müsse; in England bilde die anglikanische Kirche die Majorität, in Schott¬
land die presbyterianische, in Irland die katholische. Bei der Union mit
Schottland sei man weise genug gewesen, die presbyterianische Kirche an¬
zuerkennen, bei der Union mit Irland habe Georgs III. Bigotterie dies ver¬
hindert und daraus stamme alles Unheil. Alle jene Räsonnements ließen
das eine große Hauptargument für die Aufhebung der irischen Staatskirche
unberührt, daß sie die Kirche einer winzigen Minorität sei, welche auf Kosten
der Majorität erhalten werde. Niemand könne nach den bisherigen Erfah¬
rungen noch hoffen, daß Irland protestantisch werden würde, wie man dies
1688 gethan. Wenn also eine Staatskirche den Zwecken nicht mehr entspreche
für welche sie gegründet, so habe der Staat das Recht und die Pflicht, sie
aufzuheben, wie jede andere Corporation, die sich überlebt habe, denn Cor»
porationen seien eben nur Schöpfungen des Staates. Lord Carnarvon warnte
noch speciell davor, auf die bloße Thatsache der Union von Staat und
Kirche zu viel Gewicht zu legen, niemals sei dieselbe enger gewesen als in
Frankreich am Vorabend der Revolution. Aber dies habe die vollständige
Entfremdung der Gesellschaft von der Kirche, die Herrschaft des Voltairinanis-
mus und Materialismus nicht gehindert. Die Kirche sei in der Revolution
gefallen, weil sie allein durch den Staat aufrecht gehalten war, die Waffen,
mit denen sie zerstört, seien unter dem ^melen rs^uns geschmiedet worden.

3) Ward von den Widersachern betont, daß die irisch-protestantische
Kirche, als freie Corporation constituirt, nicht mehr im Stande sein werde,


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[0077] denn dasselbe trage keinen rein privaten Charakter. Es sei nur privat, sofern dabei bestimmte Personen interessirt seien, öffentlich aber was seinen Gebrauch und was die Bedingungen betreffe, aus denen es beruhe. Gerade deshalb provocire es die Angriffe der modernen Gleichmacherei. Alle Revo¬ lutionen hätten mit der Confiscation der Kirchengüter begonnen, damit aber sei der Damm durchbrochen, welcher auch das Privateigenthum schirme, und man sei durch die Consequenz fortgedrängt zum Socialismus. Hiergegen erhob sich zuerst der würdige Bischof von Se. Davids, der gelehrte Dr. Thirlwall mit einem feierlichen Protest. „Gott", sagte er. „bedarf nichts von Menschen, die Frage ist nicht, ob das Kircheneigenthum Gort oder Menschen gehört, sondern ob eine bestimmte Classe vom Eigenthum für die Gesellschaft wohlthätiger ist, als eine andere und die Entscheidung darüber ruht auf dem breiten Grunde allgemeiner Zweckmäßigkeit. Ich bin so eifrig für die Herrschaft des Protestantismus als irgend jemand, aber nur für eine Herrschaft von religiösem, moralischem und geistigem Charakter, eine Herr¬ schaft von Wahrheit und Vernunft über Irrthum und Sünde." — Und von anderer Seite wird hervorgehoben, daß wenn dies richtig, der Staat die verschiedenen Confessionen und ihre Bedeutung berücksichtigen müsse; in England bilde die anglikanische Kirche die Majorität, in Schott¬ land die presbyterianische, in Irland die katholische. Bei der Union mit Schottland sei man weise genug gewesen, die presbyterianische Kirche an¬ zuerkennen, bei der Union mit Irland habe Georgs III. Bigotterie dies ver¬ hindert und daraus stamme alles Unheil. Alle jene Räsonnements ließen das eine große Hauptargument für die Aufhebung der irischen Staatskirche unberührt, daß sie die Kirche einer winzigen Minorität sei, welche auf Kosten der Majorität erhalten werde. Niemand könne nach den bisherigen Erfah¬ rungen noch hoffen, daß Irland protestantisch werden würde, wie man dies 1688 gethan. Wenn also eine Staatskirche den Zwecken nicht mehr entspreche für welche sie gegründet, so habe der Staat das Recht und die Pflicht, sie aufzuheben, wie jede andere Corporation, die sich überlebt habe, denn Cor» porationen seien eben nur Schöpfungen des Staates. Lord Carnarvon warnte noch speciell davor, auf die bloße Thatsache der Union von Staat und Kirche zu viel Gewicht zu legen, niemals sei dieselbe enger gewesen als in Frankreich am Vorabend der Revolution. Aber dies habe die vollständige Entfremdung der Gesellschaft von der Kirche, die Herrschaft des Voltairinanis- mus und Materialismus nicht gehindert. Die Kirche sei in der Revolution gefallen, weil sie allein durch den Staat aufrecht gehalten war, die Waffen, mit denen sie zerstört, seien unter dem ^melen rs^uns geschmiedet worden. 3) Ward von den Widersachern betont, daß die irisch-protestantische Kirche, als freie Corporation constituirt, nicht mehr im Stande sein werde,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/77>, abgerufen am 03.07.2024.