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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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oder einen Souverain in intmitum binden könne, vielmehr jedes Gesetz auf
dem Wege geändert werden dürfe, auf dem es entstanden. Dies ist um so
bedeutsamer, als es in England ja glücklicherweise keine Charte, kein Ver¬
fassungsgrundgesetz gibt, welches mit den andern im gewöhnlichen Laufe
der Dinge erlassenen Gesetzen in Conflict kommen könnte. Man kennt dort
nur eine Art von Gesetzen, die Mgng, ^dans. oder die vent^iatinn ok
Riglrt8 könnte morgen aufgehoben werden, wenn der übereinstimmende
Wille von Krone und Parlament es wollte.

Die ernsten Argumente gegen die Bill waren im Wesentlichen folgende:

1) Daß die Katholiken Irlands nicht befriedigt würden, sondern der
Maßregel nur zustimmten, um den Protestanten zu schaden. Die religiöse
Gleichheit sei eine Chimäre, welche die Katholiken nirgend gewährten, wo sie
die Majorität bildeten.

Daraus ward mit Recht erwidert, daß man hinsichtlich der irischen
Katholiken zwischen Laien und Piiestern unterscheiden müsse. Die ersteren
blickten allerdings mit ungelenker Befriedigung auf die Maßregeln, die
erste, welche England freiwillig Irland entgegenträte, weil sie eine bisher
gegen sie geübte Ungerechtigkeit beseitige; die eigentlichen Unruhstifter, die
Fenier fruchteten nichts mehr als ernsthafte Reformen, die sie als Be¬
stechungen hinstellten, welche die Patrioten ihrem eigentlichen Z'ele, der Los¬
reißung Irlands an England (Iislanü lor eng Iri^K) entfremdeten. Wenn
man aber die Bevölkerung befriedige, so verliere die Agitation des Clerus
ihre Wurzel; den hierarchischen Gelüsten desselben wolle man nicht genug thun,
aber wenn er in andern Ländern die Protestanten unterdrücke, so sei dies
kein Grund, daß England den Grundsätzen des P> otestantismus zuwider, fort¬
fahre, seine katholischen Unterthanen zur Erhaltung einer ihnen antipathischen
Kirche zu zwingen. Die Zeiten Cromwell's und Wilhelm III. seien vorüber.

2) Hoden die Gegner hervor, daß die Bill einen Angriff auf die Heilig¬
keit des Eigenthums sanctionire, der um so bedenklicher sei, als es sich um
Eigenthum der Kirche handle. Die Geistlichkeit sei die Armee, welche der
Staat unterhalte um Sünde und Verbrechen zu bekämpfen und man könne
nicht auf die apostolische Kirche hinweisen, welche ohne Unterstützung und unter
Verfolgung groß geworden, weil die Umstände jetzt ganz andere seien. Die
Apostel hätten auch nicht Buchdruckerkunst und Telegraphen gekannt, aber
wer denke daran der Kirche den Gebrauch dieser Eisindungen der Neuzeit
zu verbieten? Wenn man glaube, daß die anglikanische Kirche von allen
bestehenden sich dem Ideal einer christlichen am meisten nähere, so sei es
widersinnig ihr die Früchte ihrer Kämpfe zu nehmen und sie zu zwingen,
dieselben wieder zu beginnen. Man könne auch das profane Erpropriations-
recht des Staates nicht auf das Eigenthum von Korporationen anwenden,


oder einen Souverain in intmitum binden könne, vielmehr jedes Gesetz auf
dem Wege geändert werden dürfe, auf dem es entstanden. Dies ist um so
bedeutsamer, als es in England ja glücklicherweise keine Charte, kein Ver¬
fassungsgrundgesetz gibt, welches mit den andern im gewöhnlichen Laufe
der Dinge erlassenen Gesetzen in Conflict kommen könnte. Man kennt dort
nur eine Art von Gesetzen, die Mgng, ^dans. oder die vent^iatinn ok
Riglrt8 könnte morgen aufgehoben werden, wenn der übereinstimmende
Wille von Krone und Parlament es wollte.

Die ernsten Argumente gegen die Bill waren im Wesentlichen folgende:

1) Daß die Katholiken Irlands nicht befriedigt würden, sondern der
Maßregel nur zustimmten, um den Protestanten zu schaden. Die religiöse
Gleichheit sei eine Chimäre, welche die Katholiken nirgend gewährten, wo sie
die Majorität bildeten.

Daraus ward mit Recht erwidert, daß man hinsichtlich der irischen
Katholiken zwischen Laien und Piiestern unterscheiden müsse. Die ersteren
blickten allerdings mit ungelenker Befriedigung auf die Maßregeln, die
erste, welche England freiwillig Irland entgegenträte, weil sie eine bisher
gegen sie geübte Ungerechtigkeit beseitige; die eigentlichen Unruhstifter, die
Fenier fruchteten nichts mehr als ernsthafte Reformen, die sie als Be¬
stechungen hinstellten, welche die Patrioten ihrem eigentlichen Z'ele, der Los¬
reißung Irlands an England (Iislanü lor eng Iri^K) entfremdeten. Wenn
man aber die Bevölkerung befriedige, so verliere die Agitation des Clerus
ihre Wurzel; den hierarchischen Gelüsten desselben wolle man nicht genug thun,
aber wenn er in andern Ländern die Protestanten unterdrücke, so sei dies
kein Grund, daß England den Grundsätzen des P> otestantismus zuwider, fort¬
fahre, seine katholischen Unterthanen zur Erhaltung einer ihnen antipathischen
Kirche zu zwingen. Die Zeiten Cromwell's und Wilhelm III. seien vorüber.

2) Hoden die Gegner hervor, daß die Bill einen Angriff auf die Heilig¬
keit des Eigenthums sanctionire, der um so bedenklicher sei, als es sich um
Eigenthum der Kirche handle. Die Geistlichkeit sei die Armee, welche der
Staat unterhalte um Sünde und Verbrechen zu bekämpfen und man könne
nicht auf die apostolische Kirche hinweisen, welche ohne Unterstützung und unter
Verfolgung groß geworden, weil die Umstände jetzt ganz andere seien. Die
Apostel hätten auch nicht Buchdruckerkunst und Telegraphen gekannt, aber
wer denke daran der Kirche den Gebrauch dieser Eisindungen der Neuzeit
zu verbieten? Wenn man glaube, daß die anglikanische Kirche von allen
bestehenden sich dem Ideal einer christlichen am meisten nähere, so sei es
widersinnig ihr die Früchte ihrer Kämpfe zu nehmen und sie zu zwingen,
dieselben wieder zu beginnen. Man könne auch das profane Erpropriations-
recht des Staates nicht auf das Eigenthum von Korporationen anwenden,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/76>, abgerufen am 02.07.2024.