Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.dieselbe nur als Glaubenssatz aufgestellt wird, nichts eingewendet werden Was dagegen den zweiten Theil des Kirchenrcchtes, den kirchen- und So haben wir auf dem Wege der Reception z. B. das ganze eorpusjuris Daß auch diesesmal durch das Concil staatsrechtliche, ja rein poli¬ dieselbe nur als Glaubenssatz aufgestellt wird, nichts eingewendet werden Was dagegen den zweiten Theil des Kirchenrcchtes, den kirchen- und So haben wir auf dem Wege der Reception z. B. das ganze eorpusjuris Daß auch diesesmal durch das Concil staatsrechtliche, ja rein poli¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0072" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121293"/> <p xml:id="ID_256" prev="#ID_255"> dieselbe nur als Glaubenssatz aufgestellt wird, nichts eingewendet werden<lb/> können. Er wird also, wenn diese Ansicht, welche den Papst nicht nur Gott<lb/> ähnlich macht, sondern ihn wirklich Gott gleichstellt, durch das Concil zum<lb/> Dogma erhoben werden sollte, dessen lehrreicher Verkündung durch die Geist¬<lb/> lichen kein Hinderniß in den Weg gelegt werden dürfen. Nur die hieraus<lb/> gezogenen practischen Sätze, insoweit sie Dritten oder dem Staat gegenüber<lb/> zur Geltung gebracht werden wollen, würden seiner Cognition unterliegen.</p><lb/> <p xml:id="ID_257"> Was dagegen den zweiten Theil des Kirchenrcchtes, den kirchen- und<lb/> staatsrechtlichen betrifft, so können natürlich für ihn die Beschlüsse eines<lb/> Concils nicht als gültige Rechtsquellen betrachtet werden, weil hierdurch die<lb/> Kirche ins staatliche Leben hinübergreifen würde. Trotzdem hat sich die Kirche<lb/> niemals abhalten lassen, Bestimmungen dieser Art aufzustellen und zur<lb/> Geltung bringen zu wollen, wie denn viele im gegenwärtigen Kirchen¬<lb/> rechte noch geltende ältere Rechtsregeln aus rein kirchlicher Quelle geflossen<lb/> sind. Als Gesetze gelten dieselben aber nicht, weil sie ein Ausfluß der kirch¬<lb/> lichen gesetzgebenden Gewalt sind, sondern weil sich der Staat, entweder<lb/> aus Schwäche oder aus unvollkommener Einsicht in sein eigenes Wesen,<lb/> ihre Reception durch Universitäten und Gerichtshöfe hat gefallen lassen oder<lb/> aber weil er dieselben ausdrücklich gebilligt und genehmigt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_258"> So haben wir auf dem Wege der Reception z. B. das ganze eorpusjuris<lb/> eanomei, welches nicht nur staatsrechtliche, sondern auch zahlreiche rein civil-<lb/> rechtliche Bestimmungen enthält, als geltendes Recht in Deutschland bekommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_259" next="#ID_260"> Daß auch diesesmal durch das Concil staatsrechtliche, ja rein poli¬<lb/> tische Fragen zur Entscheidung gebracht werden sollen, steht außer allem<lb/> Zweifel, nachdem bereits eine eigene Section zur Vorberathung derselben<lb/> unter dem Vorsitze des deutschen Cardinals Reischach niedergesetzt worden ist.<lb/> Wenn wir auch bei dem erstarkten Selbstbewußtsein des Staates nicht mehr zu<lb/> fürchten haben, daß Beschlüsse eines Concils uns wie die oben gekenntzeich-<lb/> neten als allgemein rechtsverbindliche Gesetze aufgedrungen werden, wie das<lb/> in früheren Jahrhunderten der Fall war, so ist damit keineswegs jede Ge¬<lb/> fahr beseitigt. Auch in dieser Richtung wird der moralische Einfluß des<lb/> Concils auf das Gewissen von Millionen Katholiken ein unberechenbarer sein.<lb/> Von allen Kanzeln und Kathedern werden die von der allgemeinen Synode<lb/> aufgestellten kirchlich-politischen und rein politischen Grundsätze als eine Art<lb/> idealen noch nicht realisirten Rechtes dargestellt werden, welches für das<lb/> Gewissen der Gläubigen bindend ist, und dessen Verwirklichung nur<lb/> durch die Gewalt des modernen „entchristlichten" Staates aufgehalten wird.<lb/> Damit ist denn der Grund nicht nur zu unzähligen Gewissensconflicten, son¬<lb/> dern auch zu Conflicten mit dem Staat und mit Andersgläubigen in der um¬<lb/> fassendsten Weise gelegt. Wir werden wieder bei Durchführung staatlicher</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0072]
dieselbe nur als Glaubenssatz aufgestellt wird, nichts eingewendet werden
können. Er wird also, wenn diese Ansicht, welche den Papst nicht nur Gott
ähnlich macht, sondern ihn wirklich Gott gleichstellt, durch das Concil zum
Dogma erhoben werden sollte, dessen lehrreicher Verkündung durch die Geist¬
lichen kein Hinderniß in den Weg gelegt werden dürfen. Nur die hieraus
gezogenen practischen Sätze, insoweit sie Dritten oder dem Staat gegenüber
zur Geltung gebracht werden wollen, würden seiner Cognition unterliegen.
Was dagegen den zweiten Theil des Kirchenrcchtes, den kirchen- und
staatsrechtlichen betrifft, so können natürlich für ihn die Beschlüsse eines
Concils nicht als gültige Rechtsquellen betrachtet werden, weil hierdurch die
Kirche ins staatliche Leben hinübergreifen würde. Trotzdem hat sich die Kirche
niemals abhalten lassen, Bestimmungen dieser Art aufzustellen und zur
Geltung bringen zu wollen, wie denn viele im gegenwärtigen Kirchen¬
rechte noch geltende ältere Rechtsregeln aus rein kirchlicher Quelle geflossen
sind. Als Gesetze gelten dieselben aber nicht, weil sie ein Ausfluß der kirch¬
lichen gesetzgebenden Gewalt sind, sondern weil sich der Staat, entweder
aus Schwäche oder aus unvollkommener Einsicht in sein eigenes Wesen,
ihre Reception durch Universitäten und Gerichtshöfe hat gefallen lassen oder
aber weil er dieselben ausdrücklich gebilligt und genehmigt hat.
So haben wir auf dem Wege der Reception z. B. das ganze eorpusjuris
eanomei, welches nicht nur staatsrechtliche, sondern auch zahlreiche rein civil-
rechtliche Bestimmungen enthält, als geltendes Recht in Deutschland bekommen.
Daß auch diesesmal durch das Concil staatsrechtliche, ja rein poli¬
tische Fragen zur Entscheidung gebracht werden sollen, steht außer allem
Zweifel, nachdem bereits eine eigene Section zur Vorberathung derselben
unter dem Vorsitze des deutschen Cardinals Reischach niedergesetzt worden ist.
Wenn wir auch bei dem erstarkten Selbstbewußtsein des Staates nicht mehr zu
fürchten haben, daß Beschlüsse eines Concils uns wie die oben gekenntzeich-
neten als allgemein rechtsverbindliche Gesetze aufgedrungen werden, wie das
in früheren Jahrhunderten der Fall war, so ist damit keineswegs jede Ge¬
fahr beseitigt. Auch in dieser Richtung wird der moralische Einfluß des
Concils auf das Gewissen von Millionen Katholiken ein unberechenbarer sein.
Von allen Kanzeln und Kathedern werden die von der allgemeinen Synode
aufgestellten kirchlich-politischen und rein politischen Grundsätze als eine Art
idealen noch nicht realisirten Rechtes dargestellt werden, welches für das
Gewissen der Gläubigen bindend ist, und dessen Verwirklichung nur
durch die Gewalt des modernen „entchristlichten" Staates aufgehalten wird.
Damit ist denn der Grund nicht nur zu unzähligen Gewissensconflicten, son¬
dern auch zu Conflicten mit dem Staat und mit Andersgläubigen in der um¬
fassendsten Weise gelegt. Wir werden wieder bei Durchführung staatlicher
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