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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Maßregeln hören müssen: "Man muß Gott mehr gehorchen als den Men¬
schen", mit dem Anerbieten, sich lieber rösten zu lassen, als dem Staat
nachzugeben.

Jeder Theorie ist der Trieb nach ihrer practischen Verwirklichung ein¬
geschlossen, wie dem Samen die Pflanze. Und so wird es denn auch, wenn
das Staatsrecht des Concils einige Zeit in den Köpfen der Gläubigen ge¬
spukt hat, zur gelegenen Zeit nicht an Ursachen zu dessen Realisirung fehlen.
Wenn die bayrische Regierung in richtiger Voraussicht der Conflicte und
Kämpfe, welche aus dem Versuch einer einseitigen Lösung kirchen- und staats¬
rechtlicher Fragen hervorgehen müssen, die Hand zu einer Verständigung dadurch
zu bieten suchte, daß sie die katholischen und paritätischen Staaten Curopa's
zu gemeinsamen Schritten bei der päpstlichen Curie aufforderte, so ist vor
allen Dingen nicht zu verstehen, warum diesem Vorschlag eine so maßlose
Verhöhnung zu Theil wird, wie sie auf das Ministerium Hohenlohe seitens
der ultramontanen Blätter gehäuft wird.

Man hat der bayrischen Regierung vorgeworfen, sie wisse noch gar
nichts von den päpstlichen Vorlagen, und wolle daher einen "Kampf mit
Windmühlen" führen. Ist es denn die Schuld des bayrischen Ministeriums,
wenn man in dieser Beziehung noch im Unklaren über das Concil ist? Liegt
nicht vielmehr auf der Hand, daß der erste gemeinsame Schritt der Regie¬
rungen dahin gehen muß, die päpstliche Curie zur Mittheilung der für das
Concil bestimmten Vorlagen zu veranlassen?

Abgesehen davon gilt der alte Satz, daß man vor, nicht nach dem
Schlage pariren muß. Sollen Kämpfe nach Art der Cölner Wirren ver¬
mieden werden, so kann dies nur vor dem Concil durch Einwirkung auf die
päpstlichen Vorschläge geschehen; sind die Beschlüsse einmal gefaßt, so bleibt
dem Staat nur noch die Aufnahme des Kampfes übrig.

Man hat ferner in der Aufforderung der bayrischen Regierung zu ge¬
meinsamer Action eine beabsichtigte Aufstachelung der europäischen Regie¬
rungen zu feindseligen Schritten gegen die Curie finden wollen. Vorwürfe
dafür, daß Bayern nicht allein vorgeht, können wenigstens von Seiten der
ultramontanen Presse nicht ernstlich gemeint sein. Diese Puffe hat zu oft
die untergeordnete Rolle betont, welche Bayern im europäischen Staoten-
Concert spiele, als daß dieselbe von einem einseitigen Schritt der bayrischen
Negierung Schaden fürchten dürfte. Der schwächste und kleinste Staat war
von jeher der Mißachtung und Rücksichtslosigkeit der Curie am meisten aus¬
gesetzt, und es ist nur anzuerkennen, wenn sich die bayrische Regierung eine
hochmüthige Abweisung zu ersparen suchte.

Was die Mittel zur Erreichung des angestrebten Zweckes betrifft, so
sind dieselben ebenso naheliegend als einfach. In erster Linie wird es sich


Grenzboten III, 186V. 9

Maßregeln hören müssen: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Men¬
schen", mit dem Anerbieten, sich lieber rösten zu lassen, als dem Staat
nachzugeben.

Jeder Theorie ist der Trieb nach ihrer practischen Verwirklichung ein¬
geschlossen, wie dem Samen die Pflanze. Und so wird es denn auch, wenn
das Staatsrecht des Concils einige Zeit in den Köpfen der Gläubigen ge¬
spukt hat, zur gelegenen Zeit nicht an Ursachen zu dessen Realisirung fehlen.
Wenn die bayrische Regierung in richtiger Voraussicht der Conflicte und
Kämpfe, welche aus dem Versuch einer einseitigen Lösung kirchen- und staats¬
rechtlicher Fragen hervorgehen müssen, die Hand zu einer Verständigung dadurch
zu bieten suchte, daß sie die katholischen und paritätischen Staaten Curopa's
zu gemeinsamen Schritten bei der päpstlichen Curie aufforderte, so ist vor
allen Dingen nicht zu verstehen, warum diesem Vorschlag eine so maßlose
Verhöhnung zu Theil wird, wie sie auf das Ministerium Hohenlohe seitens
der ultramontanen Blätter gehäuft wird.

Man hat der bayrischen Regierung vorgeworfen, sie wisse noch gar
nichts von den päpstlichen Vorlagen, und wolle daher einen „Kampf mit
Windmühlen" führen. Ist es denn die Schuld des bayrischen Ministeriums,
wenn man in dieser Beziehung noch im Unklaren über das Concil ist? Liegt
nicht vielmehr auf der Hand, daß der erste gemeinsame Schritt der Regie¬
rungen dahin gehen muß, die päpstliche Curie zur Mittheilung der für das
Concil bestimmten Vorlagen zu veranlassen?

Abgesehen davon gilt der alte Satz, daß man vor, nicht nach dem
Schlage pariren muß. Sollen Kämpfe nach Art der Cölner Wirren ver¬
mieden werden, so kann dies nur vor dem Concil durch Einwirkung auf die
päpstlichen Vorschläge geschehen; sind die Beschlüsse einmal gefaßt, so bleibt
dem Staat nur noch die Aufnahme des Kampfes übrig.

Man hat ferner in der Aufforderung der bayrischen Regierung zu ge¬
meinsamer Action eine beabsichtigte Aufstachelung der europäischen Regie¬
rungen zu feindseligen Schritten gegen die Curie finden wollen. Vorwürfe
dafür, daß Bayern nicht allein vorgeht, können wenigstens von Seiten der
ultramontanen Presse nicht ernstlich gemeint sein. Diese Puffe hat zu oft
die untergeordnete Rolle betont, welche Bayern im europäischen Staoten-
Concert spiele, als daß dieselbe von einem einseitigen Schritt der bayrischen
Negierung Schaden fürchten dürfte. Der schwächste und kleinste Staat war
von jeher der Mißachtung und Rücksichtslosigkeit der Curie am meisten aus¬
gesetzt, und es ist nur anzuerkennen, wenn sich die bayrische Regierung eine
hochmüthige Abweisung zu ersparen suchte.

Was die Mittel zur Erreichung des angestrebten Zweckes betrifft, so
sind dieselben ebenso naheliegend als einfach. In erster Linie wird es sich


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[0073] Maßregeln hören müssen: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Men¬ schen", mit dem Anerbieten, sich lieber rösten zu lassen, als dem Staat nachzugeben. Jeder Theorie ist der Trieb nach ihrer practischen Verwirklichung ein¬ geschlossen, wie dem Samen die Pflanze. Und so wird es denn auch, wenn das Staatsrecht des Concils einige Zeit in den Köpfen der Gläubigen ge¬ spukt hat, zur gelegenen Zeit nicht an Ursachen zu dessen Realisirung fehlen. Wenn die bayrische Regierung in richtiger Voraussicht der Conflicte und Kämpfe, welche aus dem Versuch einer einseitigen Lösung kirchen- und staats¬ rechtlicher Fragen hervorgehen müssen, die Hand zu einer Verständigung dadurch zu bieten suchte, daß sie die katholischen und paritätischen Staaten Curopa's zu gemeinsamen Schritten bei der päpstlichen Curie aufforderte, so ist vor allen Dingen nicht zu verstehen, warum diesem Vorschlag eine so maßlose Verhöhnung zu Theil wird, wie sie auf das Ministerium Hohenlohe seitens der ultramontanen Blätter gehäuft wird. Man hat der bayrischen Regierung vorgeworfen, sie wisse noch gar nichts von den päpstlichen Vorlagen, und wolle daher einen „Kampf mit Windmühlen" führen. Ist es denn die Schuld des bayrischen Ministeriums, wenn man in dieser Beziehung noch im Unklaren über das Concil ist? Liegt nicht vielmehr auf der Hand, daß der erste gemeinsame Schritt der Regie¬ rungen dahin gehen muß, die päpstliche Curie zur Mittheilung der für das Concil bestimmten Vorlagen zu veranlassen? Abgesehen davon gilt der alte Satz, daß man vor, nicht nach dem Schlage pariren muß. Sollen Kämpfe nach Art der Cölner Wirren ver¬ mieden werden, so kann dies nur vor dem Concil durch Einwirkung auf die päpstlichen Vorschläge geschehen; sind die Beschlüsse einmal gefaßt, so bleibt dem Staat nur noch die Aufnahme des Kampfes übrig. Man hat ferner in der Aufforderung der bayrischen Regierung zu ge¬ meinsamer Action eine beabsichtigte Aufstachelung der europäischen Regie¬ rungen zu feindseligen Schritten gegen die Curie finden wollen. Vorwürfe dafür, daß Bayern nicht allein vorgeht, können wenigstens von Seiten der ultramontanen Presse nicht ernstlich gemeint sein. Diese Puffe hat zu oft die untergeordnete Rolle betont, welche Bayern im europäischen Staoten- Concert spiele, als daß dieselbe von einem einseitigen Schritt der bayrischen Negierung Schaden fürchten dürfte. Der schwächste und kleinste Staat war von jeher der Mißachtung und Rücksichtslosigkeit der Curie am meisten aus¬ gesetzt, und es ist nur anzuerkennen, wenn sich die bayrische Regierung eine hochmüthige Abweisung zu ersparen suchte. Was die Mittel zur Erreichung des angestrebten Zweckes betrifft, so sind dieselben ebenso naheliegend als einfach. In erster Linie wird es sich Grenzboten III, 186V. 9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/73>, abgerufen am 01.07.2024.