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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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die Bauernemancipation zur Sprache kam, waren es wieder Engländer und
Belgier, die das Land mit landwirthschaftlichen Maschinen überschwemmten
und selbst im Lande zur Erzeugung derselben mehrere Fabriken anlegten.
Diese Fremden, die sich mit namhaften Capitalien im Lande bethätigten,
setzten es auch trotz Rußland und Oestreich durch, daß die von den Russen
absichtlich den fremden Schiffen unzugänzlich gemachten Sulinamündungen
denselben geöffnet wurden; und schwedische, dänische, holländische, englische
und französische Schiffe, die nunmehr in die rumänischen Donauhäfen ein¬
liefen, überschwemmten Rumänien förmlich mit den Erzeugnissen ihrer Hei¬
math, verdrängten die östreichischen Fabrikate und Manufacturen von den
hiesigen Märkten, und nahmen als Rückfracht die Rohproducte des Landes,
namentlich viel Getreide auf, wodurch die Preise desselben stiegen und viel
baares Geld in Umlauf kam. Dem gegenüber konnten sich die Deutschen nur
passiv verhalten. Die Eingebornen wandten sich ihnen ab und jenen'ener¬
gischen Helfern zu, die ihren Bedürfnissen so gut entgegenzukommen verstanden.

Aber noch ein anderer Umstand trug dazu bei, die deutschen Sym-
pathien im Lande abzuschwächen. Die militärischen Occupationen der
Russen hatten bei ihrer öfteren Wiederkehr und jedesmaligen langen Dauer
dem Lande allerdings viel gekostet, aber sie trugen andererseits und
namentlich den Städten sehr beträchtliche Summen ein. Die russischen
Officiere hatten höchsten Orts den Auftrag, alle in den hiesigen Ver¬
kaufsmagazinen vorräthigen Fabrikate und Manufacturen zusammenzukaufen
und nach Rußland zu expediren, wozu ihnen Zollfreiheit zugestanden wurde.
Bei der russischen Maßlosigkeit und Großthuerei geschah es mehr als ein mal,
daß Officiere in die Verkaufsladen der Kaufleute traten und da nicht nach ein¬
zelnen Gegenständen, sondern gleich nach dem Preise sämmtlicher Waaren frugen
und ohne zu feilschen die begehrte Summe zahlten. Sie warfen überhaupt
in den Fürstenthümern das Geld buchstäblich um sich her. und dies ge¬
schah bei jeder Occupation und in allen hiesigen Städten, so daß die Russen
bei den Städtern als wahre Retter in der Noth angesehen wurden, und man
sich noch jetzt, wenn eine Geschäftsstockung eintritt, mit der Aussicht tröstet,
"daß die Russen im Anzüge seien". Bei dieser Nachricht, so unwahrschein¬
lich sie sich auch herausstellt, belebt sich alles wieder mit freudigem Muthe.
In dem letzten Krimkriege kam nach der russischen die östreichische Occupation
ins Land. Die östreichischen Officiere führen ein mehr geregeltes sparsames
Leben und haben im Allgemeinen nicht viel hinauszuwerfen. Der große
Abstand zwischen ihnen und den Russen wurde natürlich von der Kaufmanns-
welt sehr mißliebig empfunden, aber auch die Bojaren fanden bei diesen
neuen Gästen ihre Rechnung nicht. An die russischen Schwelgereien, und
namentlich an das Hazardspiel gewöhnt, sagte ihnen der deutsche Officier,


die Bauernemancipation zur Sprache kam, waren es wieder Engländer und
Belgier, die das Land mit landwirthschaftlichen Maschinen überschwemmten
und selbst im Lande zur Erzeugung derselben mehrere Fabriken anlegten.
Diese Fremden, die sich mit namhaften Capitalien im Lande bethätigten,
setzten es auch trotz Rußland und Oestreich durch, daß die von den Russen
absichtlich den fremden Schiffen unzugänzlich gemachten Sulinamündungen
denselben geöffnet wurden; und schwedische, dänische, holländische, englische
und französische Schiffe, die nunmehr in die rumänischen Donauhäfen ein¬
liefen, überschwemmten Rumänien förmlich mit den Erzeugnissen ihrer Hei¬
math, verdrängten die östreichischen Fabrikate und Manufacturen von den
hiesigen Märkten, und nahmen als Rückfracht die Rohproducte des Landes,
namentlich viel Getreide auf, wodurch die Preise desselben stiegen und viel
baares Geld in Umlauf kam. Dem gegenüber konnten sich die Deutschen nur
passiv verhalten. Die Eingebornen wandten sich ihnen ab und jenen'ener¬
gischen Helfern zu, die ihren Bedürfnissen so gut entgegenzukommen verstanden.

Aber noch ein anderer Umstand trug dazu bei, die deutschen Sym-
pathien im Lande abzuschwächen. Die militärischen Occupationen der
Russen hatten bei ihrer öfteren Wiederkehr und jedesmaligen langen Dauer
dem Lande allerdings viel gekostet, aber sie trugen andererseits und
namentlich den Städten sehr beträchtliche Summen ein. Die russischen
Officiere hatten höchsten Orts den Auftrag, alle in den hiesigen Ver¬
kaufsmagazinen vorräthigen Fabrikate und Manufacturen zusammenzukaufen
und nach Rußland zu expediren, wozu ihnen Zollfreiheit zugestanden wurde.
Bei der russischen Maßlosigkeit und Großthuerei geschah es mehr als ein mal,
daß Officiere in die Verkaufsladen der Kaufleute traten und da nicht nach ein¬
zelnen Gegenständen, sondern gleich nach dem Preise sämmtlicher Waaren frugen
und ohne zu feilschen die begehrte Summe zahlten. Sie warfen überhaupt
in den Fürstenthümern das Geld buchstäblich um sich her. und dies ge¬
schah bei jeder Occupation und in allen hiesigen Städten, so daß die Russen
bei den Städtern als wahre Retter in der Noth angesehen wurden, und man
sich noch jetzt, wenn eine Geschäftsstockung eintritt, mit der Aussicht tröstet,
„daß die Russen im Anzüge seien". Bei dieser Nachricht, so unwahrschein¬
lich sie sich auch herausstellt, belebt sich alles wieder mit freudigem Muthe.
In dem letzten Krimkriege kam nach der russischen die östreichische Occupation
ins Land. Die östreichischen Officiere führen ein mehr geregeltes sparsames
Leben und haben im Allgemeinen nicht viel hinauszuwerfen. Der große
Abstand zwischen ihnen und den Russen wurde natürlich von der Kaufmanns-
welt sehr mißliebig empfunden, aber auch die Bojaren fanden bei diesen
neuen Gästen ihre Rechnung nicht. An die russischen Schwelgereien, und
namentlich an das Hazardspiel gewöhnt, sagte ihnen der deutsche Officier,


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[0506] die Bauernemancipation zur Sprache kam, waren es wieder Engländer und Belgier, die das Land mit landwirthschaftlichen Maschinen überschwemmten und selbst im Lande zur Erzeugung derselben mehrere Fabriken anlegten. Diese Fremden, die sich mit namhaften Capitalien im Lande bethätigten, setzten es auch trotz Rußland und Oestreich durch, daß die von den Russen absichtlich den fremden Schiffen unzugänzlich gemachten Sulinamündungen denselben geöffnet wurden; und schwedische, dänische, holländische, englische und französische Schiffe, die nunmehr in die rumänischen Donauhäfen ein¬ liefen, überschwemmten Rumänien förmlich mit den Erzeugnissen ihrer Hei¬ math, verdrängten die östreichischen Fabrikate und Manufacturen von den hiesigen Märkten, und nahmen als Rückfracht die Rohproducte des Landes, namentlich viel Getreide auf, wodurch die Preise desselben stiegen und viel baares Geld in Umlauf kam. Dem gegenüber konnten sich die Deutschen nur passiv verhalten. Die Eingebornen wandten sich ihnen ab und jenen'ener¬ gischen Helfern zu, die ihren Bedürfnissen so gut entgegenzukommen verstanden. Aber noch ein anderer Umstand trug dazu bei, die deutschen Sym- pathien im Lande abzuschwächen. Die militärischen Occupationen der Russen hatten bei ihrer öfteren Wiederkehr und jedesmaligen langen Dauer dem Lande allerdings viel gekostet, aber sie trugen andererseits und namentlich den Städten sehr beträchtliche Summen ein. Die russischen Officiere hatten höchsten Orts den Auftrag, alle in den hiesigen Ver¬ kaufsmagazinen vorräthigen Fabrikate und Manufacturen zusammenzukaufen und nach Rußland zu expediren, wozu ihnen Zollfreiheit zugestanden wurde. Bei der russischen Maßlosigkeit und Großthuerei geschah es mehr als ein mal, daß Officiere in die Verkaufsladen der Kaufleute traten und da nicht nach ein¬ zelnen Gegenständen, sondern gleich nach dem Preise sämmtlicher Waaren frugen und ohne zu feilschen die begehrte Summe zahlten. Sie warfen überhaupt in den Fürstenthümern das Geld buchstäblich um sich her. und dies ge¬ schah bei jeder Occupation und in allen hiesigen Städten, so daß die Russen bei den Städtern als wahre Retter in der Noth angesehen wurden, und man sich noch jetzt, wenn eine Geschäftsstockung eintritt, mit der Aussicht tröstet, „daß die Russen im Anzüge seien". Bei dieser Nachricht, so unwahrschein¬ lich sie sich auch herausstellt, belebt sich alles wieder mit freudigem Muthe. In dem letzten Krimkriege kam nach der russischen die östreichische Occupation ins Land. Die östreichischen Officiere führen ein mehr geregeltes sparsames Leben und haben im Allgemeinen nicht viel hinauszuwerfen. Der große Abstand zwischen ihnen und den Russen wurde natürlich von der Kaufmanns- welt sehr mißliebig empfunden, aber auch die Bojaren fanden bei diesen neuen Gästen ihre Rechnung nicht. An die russischen Schwelgereien, und namentlich an das Hazardspiel gewöhnt, sagte ihnen der deutsche Officier,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/506>, abgerufen am 22.07.2024.