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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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bei dem alles das nicht anwendbar war, nicht zu, er erschien ihm lang¬
weilig, weil mit ihm in ihrer Weise nichts anzufangen war. Es stellten sich
Erkältung, Reibungen, Entfremdung und zuletzt auch der Haß ein. Man
nannte ihn spottweise "Kartoffler" Erdäpfelesser, weil er nicht wie der Russe
sich in Champagner badete und das Geld mit vollen Händen nach links und
rechts streute. Man erinnerte sich, daß die Russen die Deutschen nie anders
als: die getauften Juden nannten, mit welchem Ausdrucke der Slave
die größte Verachtung verbindet. Seit der letzten östreichischen Occupation
datirt der Haß der Eingebornen gegen die Deutschen, und um die Wahrheit
zu sagen, die östreichischen Occupationstruppen haben ihn auch redlich ver¬
dient -- nur war es ungerecht, ihn aus die Deutschen im Allgemeinen zu
übertragen. Dies ging so weit, daß man die deutsche Sprache aus der
Schule verbannte und die Lehrer insultirte, und es ist bemerkenswerth, daß
dies gerade unter dem deutsch gesinnten Fürsten Alexander Ghika stattgefunden
hat -- ja deutsche resp, östreichische Waare konnte sich damals nur unter
französischen oder englischen Firmen auf dem Markte zeigen u. f. w. Bei alle-
dem darf man das nicht gar zu ernst nehmen, denn hier kann überhaupt
von dem wahren Ernste des Lebens nicht viel die Rede sein. Dieselben
Herrn, die untereinander so weidlich auf die Deutschen schimpften und sie
lächerlich machten, schlichen sich einzelweise Nachts zu den östreichischen Be¬
fehlshabern, um sie von ihren angeblichen Verdiensten um-das Haus Oestreich
zu überzeugen und um ihre Bevorwortung zu bitten, damit ihnen von
Wien Titel und Orden geschickt würden. Die Bojaren sind eben große
Kinder-- sie sind wie die verzogenen Söhne eines Zrauä LeiZneur, die sich
für gereifte Männer halten, weil ihnen gewisse Dinge der großen Welt ge¬
läufig sind und sie aus Virtuosität deren Aeußerlichkeit zu copiren verstehen.

Wie bei sinnlichen Menschen Eindrücke nie von ewiger Dauer sind --
so beginnt auch hier bereits die Manie für Franzosen und Engländer
nachzulassen, und der von ihnen zurückgedrängte ruhig und unbeirrt fort¬
arbeitende Deutsche wieder in den Vordergrund zu treten. Die englischen
Fleischversendungsanstalten sind gleich den französischen Waldexploitationen
wieder eingegangen, sie haben' die sanguinischen Hoffnungen nicht erfüllt, ja
das Blatt hat sich derart gewendet, daß man die französischen Militärin-
structoren und Finanzoperateure nach Frankreich wieder zurückschickte, und
diese beiden wichtigen Fächer den Deutschen übertrug. Der Deutsche mit
seiner Geduld, seiner beharrlichen Ausdauer, seiner unermüdeten Arbeit hat
sie alle überdauert, und wird noch vieles andere überdauern und zuletzt die
Früchte seiner Mühen ernten, wenn nur auch die deutschen Regierungen
diesen Ländern mehr Aufmerksamkeit zuwenden, und nächst ihren politischen
Bestrebungen auch andere volkswirtschaftliche, namentlich die Colonisations-


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bei dem alles das nicht anwendbar war, nicht zu, er erschien ihm lang¬
weilig, weil mit ihm in ihrer Weise nichts anzufangen war. Es stellten sich
Erkältung, Reibungen, Entfremdung und zuletzt auch der Haß ein. Man
nannte ihn spottweise „Kartoffler" Erdäpfelesser, weil er nicht wie der Russe
sich in Champagner badete und das Geld mit vollen Händen nach links und
rechts streute. Man erinnerte sich, daß die Russen die Deutschen nie anders
als: die getauften Juden nannten, mit welchem Ausdrucke der Slave
die größte Verachtung verbindet. Seit der letzten östreichischen Occupation
datirt der Haß der Eingebornen gegen die Deutschen, und um die Wahrheit
zu sagen, die östreichischen Occupationstruppen haben ihn auch redlich ver¬
dient — nur war es ungerecht, ihn aus die Deutschen im Allgemeinen zu
übertragen. Dies ging so weit, daß man die deutsche Sprache aus der
Schule verbannte und die Lehrer insultirte, und es ist bemerkenswerth, daß
dies gerade unter dem deutsch gesinnten Fürsten Alexander Ghika stattgefunden
hat — ja deutsche resp, östreichische Waare konnte sich damals nur unter
französischen oder englischen Firmen auf dem Markte zeigen u. f. w. Bei alle-
dem darf man das nicht gar zu ernst nehmen, denn hier kann überhaupt
von dem wahren Ernste des Lebens nicht viel die Rede sein. Dieselben
Herrn, die untereinander so weidlich auf die Deutschen schimpften und sie
lächerlich machten, schlichen sich einzelweise Nachts zu den östreichischen Be¬
fehlshabern, um sie von ihren angeblichen Verdiensten um-das Haus Oestreich
zu überzeugen und um ihre Bevorwortung zu bitten, damit ihnen von
Wien Titel und Orden geschickt würden. Die Bojaren sind eben große
Kinder— sie sind wie die verzogenen Söhne eines Zrauä LeiZneur, die sich
für gereifte Männer halten, weil ihnen gewisse Dinge der großen Welt ge¬
läufig sind und sie aus Virtuosität deren Aeußerlichkeit zu copiren verstehen.

Wie bei sinnlichen Menschen Eindrücke nie von ewiger Dauer sind —
so beginnt auch hier bereits die Manie für Franzosen und Engländer
nachzulassen, und der von ihnen zurückgedrängte ruhig und unbeirrt fort¬
arbeitende Deutsche wieder in den Vordergrund zu treten. Die englischen
Fleischversendungsanstalten sind gleich den französischen Waldexploitationen
wieder eingegangen, sie haben' die sanguinischen Hoffnungen nicht erfüllt, ja
das Blatt hat sich derart gewendet, daß man die französischen Militärin-
structoren und Finanzoperateure nach Frankreich wieder zurückschickte, und
diese beiden wichtigen Fächer den Deutschen übertrug. Der Deutsche mit
seiner Geduld, seiner beharrlichen Ausdauer, seiner unermüdeten Arbeit hat
sie alle überdauert, und wird noch vieles andere überdauern und zuletzt die
Früchte seiner Mühen ernten, wenn nur auch die deutschen Regierungen
diesen Ländern mehr Aufmerksamkeit zuwenden, und nächst ihren politischen
Bestrebungen auch andere volkswirtschaftliche, namentlich die Colonisations-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/507>, abgerufen am 22.07.2024.