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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Paris zu senden. Die hohe nordische Gesellschaft legte auf diese Aeußer-
lichkeiten großen Nachdruck, denn sie verdeckte damit ihre innnere Roh¬
heit und Barbarei, sie dienten ihr als Maske, womit angethan sie sich anstän¬
dig in der Reihe der Culturvölker präsentiren konnte. Die Officiere der
russischen Occupalionstruppen waren zum großen Theile Angehörige jener
russischen Aristokratie. Als Gäste in den Bojarenhäusern gern gesehen --
war ja doch dazumal Rußland die rumänische Schutzmacht -- wußten diese
Krieger mit dem den Barbaren eigenen Ungestüm das Gelüste nach den
raffinirten Genüssen des Lebens, die nur die Weltstadt an der Seine zu
bieten im Stande sei, zu wecken, und sie reizten, sich selbst als Muster dar¬
stellend, dieselben zur Nachahmung. Unsere Bojaren brauchten nur ihre in den
den vorigen Zeiten gefüllten Goldkisten zu öffnen, um ihre neuen Wünsche
zu verwirklichen. Und sie thaten es auch. Alles strömte nach Paris, ja
es verging kein Decennium und die rumänischen Hauptstädte Bukarest und
Jassy wurden zu Spiegelbildern von Paris. Mit unglaublicher Hast wurde
auf einmal alles französirt, nach französischen Modellen Häuser, Haushal¬
tungen, Möbel, Kleidung, kurzum alles bis in das kleinste Detail eingerichtet
und selbst in der persönlichen Erscheinung. Ton, Mienen und Bewegungen
nach dem Muster der Weltstadt copirt. Diese kostspieligen Spielereien erschöpften
bald die Kassen, veranlaßten aber nichtsdestoweniger fortwährend ungewöhnliche
Ausgaben, deren Herbeischaffung die Bojarenwelt in Schulden und in immer
größere Verlegenheiten versetzte. Bei den eingewanderten Deutschen war kein
Geld auszutreiben, diese konnten hier nicht helfend einschreiten. Oestreich war
wohl Abnehmer für gewisse Rohprodukte, aber ebensowenig wie Deutschland für
das Getreide, das hier die Hauptquelle der Erträgnisse bildet. In diesen
Nöthen, welche die Ohnmacht der Deutschen bloslegten, stellten sich plötzlich
Helfer von anderwärts ein. Italienische Unternehmer bauten großartige
Dampfmühlen, welche sehr bedeutende Getreidequantitäten verarbeiteten und
mit daraus erzeugten Mehle wurden Constantinopel und die Levante ver¬
sehen; französische Spekulanten exploitirten mit ansehnlichen Summen die
wallachischen Eichenwälder, wo sie mit aus ihrer Heimath hereingezogenen
Arbeitern durch viele Jahre jene Faßtauben erzeugten, die von hier zu Wasser
nach Marseille versandt wurden. Die Engländer, brachten ihrerseits bedeu¬
tende Baarsummen in Umlauf, legten großartige Anstalten an, in denen
das massenhaft im Lande zusammengekaufte Hornvieh geschlachtet und das
Fleisch davon zubereitet un5 in blecherne Büchsen luftdicht verschlossen jahre¬
lang frisch erhalten werden konnte; sie versahen damit die ganze englische
Marine. Ebenso bemächtigten sie sich mit den Franzosen der im Lande auf¬
gefundenen Petroleumquellen, errichteten großartige Raffinerien an mehreren
Orten, und brachten auch damit große Baarsummen in Umlauf. Und als


Grenzboten III. 18Kö. 63

Paris zu senden. Die hohe nordische Gesellschaft legte auf diese Aeußer-
lichkeiten großen Nachdruck, denn sie verdeckte damit ihre innnere Roh¬
heit und Barbarei, sie dienten ihr als Maske, womit angethan sie sich anstän¬
dig in der Reihe der Culturvölker präsentiren konnte. Die Officiere der
russischen Occupalionstruppen waren zum großen Theile Angehörige jener
russischen Aristokratie. Als Gäste in den Bojarenhäusern gern gesehen —
war ja doch dazumal Rußland die rumänische Schutzmacht — wußten diese
Krieger mit dem den Barbaren eigenen Ungestüm das Gelüste nach den
raffinirten Genüssen des Lebens, die nur die Weltstadt an der Seine zu
bieten im Stande sei, zu wecken, und sie reizten, sich selbst als Muster dar¬
stellend, dieselben zur Nachahmung. Unsere Bojaren brauchten nur ihre in den
den vorigen Zeiten gefüllten Goldkisten zu öffnen, um ihre neuen Wünsche
zu verwirklichen. Und sie thaten es auch. Alles strömte nach Paris, ja
es verging kein Decennium und die rumänischen Hauptstädte Bukarest und
Jassy wurden zu Spiegelbildern von Paris. Mit unglaublicher Hast wurde
auf einmal alles französirt, nach französischen Modellen Häuser, Haushal¬
tungen, Möbel, Kleidung, kurzum alles bis in das kleinste Detail eingerichtet
und selbst in der persönlichen Erscheinung. Ton, Mienen und Bewegungen
nach dem Muster der Weltstadt copirt. Diese kostspieligen Spielereien erschöpften
bald die Kassen, veranlaßten aber nichtsdestoweniger fortwährend ungewöhnliche
Ausgaben, deren Herbeischaffung die Bojarenwelt in Schulden und in immer
größere Verlegenheiten versetzte. Bei den eingewanderten Deutschen war kein
Geld auszutreiben, diese konnten hier nicht helfend einschreiten. Oestreich war
wohl Abnehmer für gewisse Rohprodukte, aber ebensowenig wie Deutschland für
das Getreide, das hier die Hauptquelle der Erträgnisse bildet. In diesen
Nöthen, welche die Ohnmacht der Deutschen bloslegten, stellten sich plötzlich
Helfer von anderwärts ein. Italienische Unternehmer bauten großartige
Dampfmühlen, welche sehr bedeutende Getreidequantitäten verarbeiteten und
mit daraus erzeugten Mehle wurden Constantinopel und die Levante ver¬
sehen; französische Spekulanten exploitirten mit ansehnlichen Summen die
wallachischen Eichenwälder, wo sie mit aus ihrer Heimath hereingezogenen
Arbeitern durch viele Jahre jene Faßtauben erzeugten, die von hier zu Wasser
nach Marseille versandt wurden. Die Engländer, brachten ihrerseits bedeu¬
tende Baarsummen in Umlauf, legten großartige Anstalten an, in denen
das massenhaft im Lande zusammengekaufte Hornvieh geschlachtet und das
Fleisch davon zubereitet un5 in blecherne Büchsen luftdicht verschlossen jahre¬
lang frisch erhalten werden konnte; sie versahen damit die ganze englische
Marine. Ebenso bemächtigten sie sich mit den Franzosen der im Lande auf¬
gefundenen Petroleumquellen, errichteten großartige Raffinerien an mehreren
Orten, und brachten auch damit große Baarsummen in Umlauf. Und als


Grenzboten III. 18Kö. 63
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[0505] Paris zu senden. Die hohe nordische Gesellschaft legte auf diese Aeußer- lichkeiten großen Nachdruck, denn sie verdeckte damit ihre innnere Roh¬ heit und Barbarei, sie dienten ihr als Maske, womit angethan sie sich anstän¬ dig in der Reihe der Culturvölker präsentiren konnte. Die Officiere der russischen Occupalionstruppen waren zum großen Theile Angehörige jener russischen Aristokratie. Als Gäste in den Bojarenhäusern gern gesehen — war ja doch dazumal Rußland die rumänische Schutzmacht — wußten diese Krieger mit dem den Barbaren eigenen Ungestüm das Gelüste nach den raffinirten Genüssen des Lebens, die nur die Weltstadt an der Seine zu bieten im Stande sei, zu wecken, und sie reizten, sich selbst als Muster dar¬ stellend, dieselben zur Nachahmung. Unsere Bojaren brauchten nur ihre in den den vorigen Zeiten gefüllten Goldkisten zu öffnen, um ihre neuen Wünsche zu verwirklichen. Und sie thaten es auch. Alles strömte nach Paris, ja es verging kein Decennium und die rumänischen Hauptstädte Bukarest und Jassy wurden zu Spiegelbildern von Paris. Mit unglaublicher Hast wurde auf einmal alles französirt, nach französischen Modellen Häuser, Haushal¬ tungen, Möbel, Kleidung, kurzum alles bis in das kleinste Detail eingerichtet und selbst in der persönlichen Erscheinung. Ton, Mienen und Bewegungen nach dem Muster der Weltstadt copirt. Diese kostspieligen Spielereien erschöpften bald die Kassen, veranlaßten aber nichtsdestoweniger fortwährend ungewöhnliche Ausgaben, deren Herbeischaffung die Bojarenwelt in Schulden und in immer größere Verlegenheiten versetzte. Bei den eingewanderten Deutschen war kein Geld auszutreiben, diese konnten hier nicht helfend einschreiten. Oestreich war wohl Abnehmer für gewisse Rohprodukte, aber ebensowenig wie Deutschland für das Getreide, das hier die Hauptquelle der Erträgnisse bildet. In diesen Nöthen, welche die Ohnmacht der Deutschen bloslegten, stellten sich plötzlich Helfer von anderwärts ein. Italienische Unternehmer bauten großartige Dampfmühlen, welche sehr bedeutende Getreidequantitäten verarbeiteten und mit daraus erzeugten Mehle wurden Constantinopel und die Levante ver¬ sehen; französische Spekulanten exploitirten mit ansehnlichen Summen die wallachischen Eichenwälder, wo sie mit aus ihrer Heimath hereingezogenen Arbeitern durch viele Jahre jene Faßtauben erzeugten, die von hier zu Wasser nach Marseille versandt wurden. Die Engländer, brachten ihrerseits bedeu¬ tende Baarsummen in Umlauf, legten großartige Anstalten an, in denen das massenhaft im Lande zusammengekaufte Hornvieh geschlachtet und das Fleisch davon zubereitet un5 in blecherne Büchsen luftdicht verschlossen jahre¬ lang frisch erhalten werden konnte; sie versahen damit die ganze englische Marine. Ebenso bemächtigten sie sich mit den Franzosen der im Lande auf¬ gefundenen Petroleumquellen, errichteten großartige Raffinerien an mehreren Orten, und brachten auch damit große Baarsummen in Umlauf. Und als Grenzboten III. 18Kö. 63

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/505>, abgerufen am 22.07.2024.