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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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hier thatsächliche Bestätigung, die in dem einförmigen Uetersen an Eindruck
nicht.,,verliert.

Ein lebendiges Beispiel für die Gesunkenheit der damaligen Römer zeigt
uns der Geschichtsschreiber in ihrer Haltung bei Nero's Muttermord.
Während der Tyrann, mit dem unnatürlichsten aller Verbrechen befleckt,
noch in den Städten Campaniens zögert, unsicher, wie er die Stadt betreten
soll, welche Stimmung er finden werde und nur halb beruhigt durch die
Freudenfeste in den Municipien Campaniens, beschließt der Senat Dankfeste
in den Tempeln aller Götter und jährliche Spiele am Todestage Agrippina's:
ihr Geburtstag wird unheilig erklärt; ein goldnes Standbild der Minerva
soll in der Curie und daneben das des Kaisers aufgestellt werden. Und da
Nero sich auf Zureden der Freunde endlich zur Rückkehr in die Stadt er¬
mannt, findet er dieselbe im Festschmuck, der Senat und die Bezirke in feier¬
licher Aufstellung, die Frauen und Kinder nach Alter und Geschlecht getheilt,
allenthalben Tribünen erbaut, "wie man Triumphzüge zu schauen pflegt",
sagt Tacitus. "Dann zog er stolz und Sieger über das öffentliche Knecht-
thum auf das Capital zur Danksagung." -- Die Arvalbrüder blieben nicht
zurück. Schon am 28. März, wenige Tage nach dem Verbrechen, finden wir
sie auf dem Capitol festlich versammelt: am 3. April betheiligen sich die
Brüder an dem durch den Senat vorgeschriebenen Dankfest für Nero's Heil
durch Opfer an die capitolinischen Götter, an L^Ius xudliea, Providentia
und den Genius des Kaisers: am 23. Juni endlich -- so lange währte
Nero's furchtsames Fernbleiben -- wird des Kaisers Heil und Rückkehr
gefeiert mit Opfern auf dem Capitol an die Stadtgottheiten und an Salus
und Felicitas, im Augustustempel an die vergötterten Glieder der kaiserlichen
Familie, auf dem Forum Augustum an den Genius des Kaisers und an
Mars Ultor; die letzte Gottheit bezeichnend genug gewählt, um den Einzug
Nero's als einen Triumphzug des Siegers zu charakterisiren.

Aehnlich ward der Besuch des Armenierkönigs Tiridates im Jahre 66
zu einem theatralischen Triumph Nero's benutzt. Auf dem Forum,, so wird
uns berichtet, umgeben von bewaffneten Schaaren und Feldzeichen, auf
curulischem Stuhl und im Triumphkleide empfing der Kaiser den Ankömm¬
ling, erhob den Knieenden zum Kusse und vertauschte seine Tiara mit dem
Diadem, während ein hoher Beamter die Worte des Schutzflehenden der
Menge laut verdollmetschte: dann führte er denselben ins Theater und hieß
ihn zur Rechten sitzen. Da ward der Kaiser als Imperator begrüßt, der
Lorbeer aufs Capitol getragen und der Janustempel geschlossen. -- Das
Actenfragment ist uns noch erhalten, nach welchem die Urvater diesen er¬
hebenden Tag, den kaiserlichen Lorbeer und die vom Senat angeordneten
Dankseste -- wie sie stets dem Triumph folgen, mit immer wiederholten


hier thatsächliche Bestätigung, die in dem einförmigen Uetersen an Eindruck
nicht.,,verliert.

Ein lebendiges Beispiel für die Gesunkenheit der damaligen Römer zeigt
uns der Geschichtsschreiber in ihrer Haltung bei Nero's Muttermord.
Während der Tyrann, mit dem unnatürlichsten aller Verbrechen befleckt,
noch in den Städten Campaniens zögert, unsicher, wie er die Stadt betreten
soll, welche Stimmung er finden werde und nur halb beruhigt durch die
Freudenfeste in den Municipien Campaniens, beschließt der Senat Dankfeste
in den Tempeln aller Götter und jährliche Spiele am Todestage Agrippina's:
ihr Geburtstag wird unheilig erklärt; ein goldnes Standbild der Minerva
soll in der Curie und daneben das des Kaisers aufgestellt werden. Und da
Nero sich auf Zureden der Freunde endlich zur Rückkehr in die Stadt er¬
mannt, findet er dieselbe im Festschmuck, der Senat und die Bezirke in feier¬
licher Aufstellung, die Frauen und Kinder nach Alter und Geschlecht getheilt,
allenthalben Tribünen erbaut, „wie man Triumphzüge zu schauen pflegt",
sagt Tacitus. „Dann zog er stolz und Sieger über das öffentliche Knecht-
thum auf das Capital zur Danksagung." — Die Arvalbrüder blieben nicht
zurück. Schon am 28. März, wenige Tage nach dem Verbrechen, finden wir
sie auf dem Capitol festlich versammelt: am 3. April betheiligen sich die
Brüder an dem durch den Senat vorgeschriebenen Dankfest für Nero's Heil
durch Opfer an die capitolinischen Götter, an L^Ius xudliea, Providentia
und den Genius des Kaisers: am 23. Juni endlich — so lange währte
Nero's furchtsames Fernbleiben — wird des Kaisers Heil und Rückkehr
gefeiert mit Opfern auf dem Capitol an die Stadtgottheiten und an Salus
und Felicitas, im Augustustempel an die vergötterten Glieder der kaiserlichen
Familie, auf dem Forum Augustum an den Genius des Kaisers und an
Mars Ultor; die letzte Gottheit bezeichnend genug gewählt, um den Einzug
Nero's als einen Triumphzug des Siegers zu charakterisiren.

Aehnlich ward der Besuch des Armenierkönigs Tiridates im Jahre 66
zu einem theatralischen Triumph Nero's benutzt. Auf dem Forum,, so wird
uns berichtet, umgeben von bewaffneten Schaaren und Feldzeichen, auf
curulischem Stuhl und im Triumphkleide empfing der Kaiser den Ankömm¬
ling, erhob den Knieenden zum Kusse und vertauschte seine Tiara mit dem
Diadem, während ein hoher Beamter die Worte des Schutzflehenden der
Menge laut verdollmetschte: dann führte er denselben ins Theater und hieß
ihn zur Rechten sitzen. Da ward der Kaiser als Imperator begrüßt, der
Lorbeer aufs Capitol getragen und der Janustempel geschlossen. — Das
Actenfragment ist uns noch erhalten, nach welchem die Urvater diesen er¬
hebenden Tag, den kaiserlichen Lorbeer und die vom Senat angeordneten
Dankseste — wie sie stets dem Triumph folgen, mit immer wiederholten


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[0498] hier thatsächliche Bestätigung, die in dem einförmigen Uetersen an Eindruck nicht.,,verliert. Ein lebendiges Beispiel für die Gesunkenheit der damaligen Römer zeigt uns der Geschichtsschreiber in ihrer Haltung bei Nero's Muttermord. Während der Tyrann, mit dem unnatürlichsten aller Verbrechen befleckt, noch in den Städten Campaniens zögert, unsicher, wie er die Stadt betreten soll, welche Stimmung er finden werde und nur halb beruhigt durch die Freudenfeste in den Municipien Campaniens, beschließt der Senat Dankfeste in den Tempeln aller Götter und jährliche Spiele am Todestage Agrippina's: ihr Geburtstag wird unheilig erklärt; ein goldnes Standbild der Minerva soll in der Curie und daneben das des Kaisers aufgestellt werden. Und da Nero sich auf Zureden der Freunde endlich zur Rückkehr in die Stadt er¬ mannt, findet er dieselbe im Festschmuck, der Senat und die Bezirke in feier¬ licher Aufstellung, die Frauen und Kinder nach Alter und Geschlecht getheilt, allenthalben Tribünen erbaut, „wie man Triumphzüge zu schauen pflegt", sagt Tacitus. „Dann zog er stolz und Sieger über das öffentliche Knecht- thum auf das Capital zur Danksagung." — Die Arvalbrüder blieben nicht zurück. Schon am 28. März, wenige Tage nach dem Verbrechen, finden wir sie auf dem Capitol festlich versammelt: am 3. April betheiligen sich die Brüder an dem durch den Senat vorgeschriebenen Dankfest für Nero's Heil durch Opfer an die capitolinischen Götter, an L^Ius xudliea, Providentia und den Genius des Kaisers: am 23. Juni endlich — so lange währte Nero's furchtsames Fernbleiben — wird des Kaisers Heil und Rückkehr gefeiert mit Opfern auf dem Capitol an die Stadtgottheiten und an Salus und Felicitas, im Augustustempel an die vergötterten Glieder der kaiserlichen Familie, auf dem Forum Augustum an den Genius des Kaisers und an Mars Ultor; die letzte Gottheit bezeichnend genug gewählt, um den Einzug Nero's als einen Triumphzug des Siegers zu charakterisiren. Aehnlich ward der Besuch des Armenierkönigs Tiridates im Jahre 66 zu einem theatralischen Triumph Nero's benutzt. Auf dem Forum,, so wird uns berichtet, umgeben von bewaffneten Schaaren und Feldzeichen, auf curulischem Stuhl und im Triumphkleide empfing der Kaiser den Ankömm¬ ling, erhob den Knieenden zum Kusse und vertauschte seine Tiara mit dem Diadem, während ein hoher Beamter die Worte des Schutzflehenden der Menge laut verdollmetschte: dann führte er denselben ins Theater und hieß ihn zur Rechten sitzen. Da ward der Kaiser als Imperator begrüßt, der Lorbeer aufs Capitol getragen und der Janustempel geschlossen. — Das Actenfragment ist uns noch erhalten, nach welchem die Urvater diesen er¬ hebenden Tag, den kaiserlichen Lorbeer und die vom Senat angeordneten Dankseste — wie sie stets dem Triumph folgen, mit immer wiederholten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/498>, abgerufen am 24.08.2024.