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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Die neuen Urvater-Monumente in Rom.

Der Nachgrabungseifer auf dem Boden des alten Rom hat in den letzten
Jahren neue Impulse erhalten und überraschende Früchte getragen. Während
die vom Kaiser der Franzosen angeordneten Ausgrabungen in den Farne¬
sischen Gärten fortfahren, uns die Reste der Kaiserpaläste des Palatin in
weitem Umfange bloszulegen, und die unerschöpfliche Fundgrube der Marmo-
rata am Tiber-Emporium mehr dem päpstlichen Seckel eine willkommene
Einnahmequelle als eine ergiebige wissenschaftliche Ausbeute zu liefern ver¬
spricht, haben durch die Förderung des preußischen Königshauses die Nach¬
forschungen in dem Hain der Arvalbrüder der Alterthumskunde einen über
Erwarten reichen Ertrag gewährt.

Für die Bestimmung der Stätte, wo jene uralte Genossenschaft dem
Cult der Göttin der Erdfruchtbarkeit oblag, fehlt es nicht an Anhaltepunkten.
Jnschristliche Notizen in den bisher bekannten Acten der Arvalbrüder setzten
den heiligen Hain an den fünften Meilenstein der Via Campana, welche
freilich mit Sicherheit nicht nachzuweisen war. Die Berichte von dem wich¬
tigen Funde des Jahres 1S70, der außer 19 Jnschriftfragmenten auch
7 Basen zu Statuen römischer Kaiser in ihrer Eigenschaft als Urvater ans
Licht förderte, leiteten auf die Vigna Galletti am 4. Stein vor Porta
Portese, auf die Stelle, die damals wie noch heute im Volksmund den
Namen ^Kogo (Ertränk den Esel) führte. An derselben Stelle

wurden auch 1699 zwei Tafeln mit Arvalenacten ausgegraben; nur der Irr¬
thum des ersten Herausgebers derselben, der den 4. Stein der Via Ostiensis
(statt Portuensis) als Fundort angab, war daran Schuld, daß noch der
treffliche Marini, als, er zu Ende des vorigen Jahrhunderts seine muster-
giltige Sammlung der durch Rom hin verstreuten Urvater-Monumente ver¬
anstaltete bei der Bestimmung jener Via Campana irre ging. Erst neuer¬
dings ist durch genauere Prüfung der authentischen Fundnotizen und richtigere
Combination Seitens der römischen Gelehrten Biondi. Melchiorri und de
Rossi die alte Via Campana als die von der Portuensis sich abzweigende


Grenzboten III. 1869. 61
Die neuen Urvater-Monumente in Rom.

Der Nachgrabungseifer auf dem Boden des alten Rom hat in den letzten
Jahren neue Impulse erhalten und überraschende Früchte getragen. Während
die vom Kaiser der Franzosen angeordneten Ausgrabungen in den Farne¬
sischen Gärten fortfahren, uns die Reste der Kaiserpaläste des Palatin in
weitem Umfange bloszulegen, und die unerschöpfliche Fundgrube der Marmo-
rata am Tiber-Emporium mehr dem päpstlichen Seckel eine willkommene
Einnahmequelle als eine ergiebige wissenschaftliche Ausbeute zu liefern ver¬
spricht, haben durch die Förderung des preußischen Königshauses die Nach¬
forschungen in dem Hain der Arvalbrüder der Alterthumskunde einen über
Erwarten reichen Ertrag gewährt.

Für die Bestimmung der Stätte, wo jene uralte Genossenschaft dem
Cult der Göttin der Erdfruchtbarkeit oblag, fehlt es nicht an Anhaltepunkten.
Jnschristliche Notizen in den bisher bekannten Acten der Arvalbrüder setzten
den heiligen Hain an den fünften Meilenstein der Via Campana, welche
freilich mit Sicherheit nicht nachzuweisen war. Die Berichte von dem wich¬
tigen Funde des Jahres 1S70, der außer 19 Jnschriftfragmenten auch
7 Basen zu Statuen römischer Kaiser in ihrer Eigenschaft als Urvater ans
Licht förderte, leiteten auf die Vigna Galletti am 4. Stein vor Porta
Portese, auf die Stelle, die damals wie noch heute im Volksmund den
Namen ^Kogo (Ertränk den Esel) führte. An derselben Stelle

wurden auch 1699 zwei Tafeln mit Arvalenacten ausgegraben; nur der Irr¬
thum des ersten Herausgebers derselben, der den 4. Stein der Via Ostiensis
(statt Portuensis) als Fundort angab, war daran Schuld, daß noch der
treffliche Marini, als, er zu Ende des vorigen Jahrhunderts seine muster-
giltige Sammlung der durch Rom hin verstreuten Urvater-Monumente ver¬
anstaltete bei der Bestimmung jener Via Campana irre ging. Erst neuer¬
dings ist durch genauere Prüfung der authentischen Fundnotizen und richtigere
Combination Seitens der römischen Gelehrten Biondi. Melchiorri und de
Rossi die alte Via Campana als die von der Portuensis sich abzweigende


Grenzboten III. 1869. 61
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[0489] Die neuen Urvater-Monumente in Rom. Der Nachgrabungseifer auf dem Boden des alten Rom hat in den letzten Jahren neue Impulse erhalten und überraschende Früchte getragen. Während die vom Kaiser der Franzosen angeordneten Ausgrabungen in den Farne¬ sischen Gärten fortfahren, uns die Reste der Kaiserpaläste des Palatin in weitem Umfange bloszulegen, und die unerschöpfliche Fundgrube der Marmo- rata am Tiber-Emporium mehr dem päpstlichen Seckel eine willkommene Einnahmequelle als eine ergiebige wissenschaftliche Ausbeute zu liefern ver¬ spricht, haben durch die Förderung des preußischen Königshauses die Nach¬ forschungen in dem Hain der Arvalbrüder der Alterthumskunde einen über Erwarten reichen Ertrag gewährt. Für die Bestimmung der Stätte, wo jene uralte Genossenschaft dem Cult der Göttin der Erdfruchtbarkeit oblag, fehlt es nicht an Anhaltepunkten. Jnschristliche Notizen in den bisher bekannten Acten der Arvalbrüder setzten den heiligen Hain an den fünften Meilenstein der Via Campana, welche freilich mit Sicherheit nicht nachzuweisen war. Die Berichte von dem wich¬ tigen Funde des Jahres 1S70, der außer 19 Jnschriftfragmenten auch 7 Basen zu Statuen römischer Kaiser in ihrer Eigenschaft als Urvater ans Licht förderte, leiteten auf die Vigna Galletti am 4. Stein vor Porta Portese, auf die Stelle, die damals wie noch heute im Volksmund den Namen ^Kogo (Ertränk den Esel) führte. An derselben Stelle wurden auch 1699 zwei Tafeln mit Arvalenacten ausgegraben; nur der Irr¬ thum des ersten Herausgebers derselben, der den 4. Stein der Via Ostiensis (statt Portuensis) als Fundort angab, war daran Schuld, daß noch der treffliche Marini, als, er zu Ende des vorigen Jahrhunderts seine muster- giltige Sammlung der durch Rom hin verstreuten Urvater-Monumente ver¬ anstaltete bei der Bestimmung jener Via Campana irre ging. Erst neuer¬ dings ist durch genauere Prüfung der authentischen Fundnotizen und richtigere Combination Seitens der römischen Gelehrten Biondi. Melchiorri und de Rossi die alte Via Campana als die von der Portuensis sich abzweigende Grenzboten III. 1869. 61

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/489>, abgerufen am 02.07.2024.