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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Der Ueöerwundene wird nun gebunden und von den beiden Siegern auf die
Oberwelt hinaufgeschleppt.

In der vierten Scene (p. 54--78) sehen wir uns in die Decoration der
zweiten zurückversetzt. Wotan und Loge steigen mit Alberich aus der Kluft
empor. Dieser wird gezwungen, seine Schätze auszuliefern und zuletzt auch
noch den Ring, der ihm so große Macht sichert, herzugeben. Nach langem
Sträuben entreißt ihm Wotan denselben, aber der Zwerg spricht, ehe er wieder
verschwindet, einen furchtbaren Fluch über jeden künftigen Besitzer desselben aus.
Fasolt und Fafner bringen Freia zurück. Sie wird mit dem Golde der Ni¬
belungen ausgelöst, aber um das Maß voll zu machen, muß Wotan dem
Schatze den Tarnhelm, soll er ihm auch noch den Ring hinzufügen. Der
Gott weigert sich entschieden, das wunderbare Kleinod herzugeben. Da er¬
scheint die Urmutter (Ur-Wala) Erda in einem aus der Felsenkluft hervor¬
brechenden bläulichen Schein. Auch sie ermahnt ihn, den unheilvollen Ring
von sich zu werfen. Mit schwerem Herzen thut er es endlich. Frei" ist ge¬
löst. Sofort äußert der Fluch seine Wirkung, denn über der Theilung der
Schätze, die die Riesen hastig eingesackt haben, erschlägt Fafner den Fasolt.
"schwüles Gedünst schwebt in der Luft", dies gibt Donner erwünschte Ge¬
legenheit, sich auch bemerklich zu machen. Er zaubert ein blitzendes Wetter
herbei, das den Himmel wieder hell fegen soll. Nachdem das Gewölk sich
verzogen hat, sieht man mit blendendem Leuchten eine Regenbogenbrücke
über das Thal nach der im hellsten Abendglanze strahlenden Burg gezogen.
Wotan führt - sein Weib und seine Genossen über dieselbe nach Walhall
hinüber. Mephisto-Loge mit seinem verachtenden Hohne und die klagenden
Lieder der Rheintöchter beschließen das Stück. -- Wäre nun das Ganze in einen
engen Rahmen zusammengedrängt, man würde sich trösten können, aber so
ist es nach Art aller Wagnerschen Dramen in der ermüdendsten Weise breit¬
geschlagen. Die ohnedem karge Handlung und das geringe Interesse, die
dem Werke innewohnen, gehen dabei völlig verloren. Nur Alberich und
Loge vermögen unsern Antheil zu gewinnen, die sämmtlichen übrigen Per¬
sonen sind schattenhafte langweilige Gestalten, die nie irgend eine Theilnahme
erregen werden. Die erste Scene hat einzelne anziehende Momente und in der
letzten wirkt das Erscheinen Erda's gewaltig; aber im Uebrigen ist neben aller
Pracht der Ausstattung vieles Läppische und Kleinliche, z. B. das harmoni¬
sche Spiel d. h. Geklimper auf den (18) Amboßen unter der Bühne, die Ver¬
wandlungen des Zwergs in einen Lindwurm und eine Kröte, die ungeheure
und doch so kleine Regenbogenbrücke, die nur ein Seiltänzer, nie aber ein
Sänger ohne Furcht und Zittern beschreiten wird.

Wenden wir uns nun zur Musik. Die Intendanz hatte die größten
Anstrengungen gemacht, um das Orchester nach dem Wunsche des Tonsetzers


Der Ueöerwundene wird nun gebunden und von den beiden Siegern auf die
Oberwelt hinaufgeschleppt.

In der vierten Scene (p. 54—78) sehen wir uns in die Decoration der
zweiten zurückversetzt. Wotan und Loge steigen mit Alberich aus der Kluft
empor. Dieser wird gezwungen, seine Schätze auszuliefern und zuletzt auch
noch den Ring, der ihm so große Macht sichert, herzugeben. Nach langem
Sträuben entreißt ihm Wotan denselben, aber der Zwerg spricht, ehe er wieder
verschwindet, einen furchtbaren Fluch über jeden künftigen Besitzer desselben aus.
Fasolt und Fafner bringen Freia zurück. Sie wird mit dem Golde der Ni¬
belungen ausgelöst, aber um das Maß voll zu machen, muß Wotan dem
Schatze den Tarnhelm, soll er ihm auch noch den Ring hinzufügen. Der
Gott weigert sich entschieden, das wunderbare Kleinod herzugeben. Da er¬
scheint die Urmutter (Ur-Wala) Erda in einem aus der Felsenkluft hervor¬
brechenden bläulichen Schein. Auch sie ermahnt ihn, den unheilvollen Ring
von sich zu werfen. Mit schwerem Herzen thut er es endlich. Frei» ist ge¬
löst. Sofort äußert der Fluch seine Wirkung, denn über der Theilung der
Schätze, die die Riesen hastig eingesackt haben, erschlägt Fafner den Fasolt.
„schwüles Gedünst schwebt in der Luft", dies gibt Donner erwünschte Ge¬
legenheit, sich auch bemerklich zu machen. Er zaubert ein blitzendes Wetter
herbei, das den Himmel wieder hell fegen soll. Nachdem das Gewölk sich
verzogen hat, sieht man mit blendendem Leuchten eine Regenbogenbrücke
über das Thal nach der im hellsten Abendglanze strahlenden Burg gezogen.
Wotan führt - sein Weib und seine Genossen über dieselbe nach Walhall
hinüber. Mephisto-Loge mit seinem verachtenden Hohne und die klagenden
Lieder der Rheintöchter beschließen das Stück. — Wäre nun das Ganze in einen
engen Rahmen zusammengedrängt, man würde sich trösten können, aber so
ist es nach Art aller Wagnerschen Dramen in der ermüdendsten Weise breit¬
geschlagen. Die ohnedem karge Handlung und das geringe Interesse, die
dem Werke innewohnen, gehen dabei völlig verloren. Nur Alberich und
Loge vermögen unsern Antheil zu gewinnen, die sämmtlichen übrigen Per¬
sonen sind schattenhafte langweilige Gestalten, die nie irgend eine Theilnahme
erregen werden. Die erste Scene hat einzelne anziehende Momente und in der
letzten wirkt das Erscheinen Erda's gewaltig; aber im Uebrigen ist neben aller
Pracht der Ausstattung vieles Läppische und Kleinliche, z. B. das harmoni¬
sche Spiel d. h. Geklimper auf den (18) Amboßen unter der Bühne, die Ver¬
wandlungen des Zwergs in einen Lindwurm und eine Kröte, die ungeheure
und doch so kleine Regenbogenbrücke, die nur ein Seiltänzer, nie aber ein
Sänger ohne Furcht und Zittern beschreiten wird.

Wenden wir uns nun zur Musik. Die Intendanz hatte die größten
Anstrengungen gemacht, um das Orchester nach dem Wunsche des Tonsetzers


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[0428] Der Ueöerwundene wird nun gebunden und von den beiden Siegern auf die Oberwelt hinaufgeschleppt. In der vierten Scene (p. 54—78) sehen wir uns in die Decoration der zweiten zurückversetzt. Wotan und Loge steigen mit Alberich aus der Kluft empor. Dieser wird gezwungen, seine Schätze auszuliefern und zuletzt auch noch den Ring, der ihm so große Macht sichert, herzugeben. Nach langem Sträuben entreißt ihm Wotan denselben, aber der Zwerg spricht, ehe er wieder verschwindet, einen furchtbaren Fluch über jeden künftigen Besitzer desselben aus. Fasolt und Fafner bringen Freia zurück. Sie wird mit dem Golde der Ni¬ belungen ausgelöst, aber um das Maß voll zu machen, muß Wotan dem Schatze den Tarnhelm, soll er ihm auch noch den Ring hinzufügen. Der Gott weigert sich entschieden, das wunderbare Kleinod herzugeben. Da er¬ scheint die Urmutter (Ur-Wala) Erda in einem aus der Felsenkluft hervor¬ brechenden bläulichen Schein. Auch sie ermahnt ihn, den unheilvollen Ring von sich zu werfen. Mit schwerem Herzen thut er es endlich. Frei» ist ge¬ löst. Sofort äußert der Fluch seine Wirkung, denn über der Theilung der Schätze, die die Riesen hastig eingesackt haben, erschlägt Fafner den Fasolt. „schwüles Gedünst schwebt in der Luft", dies gibt Donner erwünschte Ge¬ legenheit, sich auch bemerklich zu machen. Er zaubert ein blitzendes Wetter herbei, das den Himmel wieder hell fegen soll. Nachdem das Gewölk sich verzogen hat, sieht man mit blendendem Leuchten eine Regenbogenbrücke über das Thal nach der im hellsten Abendglanze strahlenden Burg gezogen. Wotan führt - sein Weib und seine Genossen über dieselbe nach Walhall hinüber. Mephisto-Loge mit seinem verachtenden Hohne und die klagenden Lieder der Rheintöchter beschließen das Stück. — Wäre nun das Ganze in einen engen Rahmen zusammengedrängt, man würde sich trösten können, aber so ist es nach Art aller Wagnerschen Dramen in der ermüdendsten Weise breit¬ geschlagen. Die ohnedem karge Handlung und das geringe Interesse, die dem Werke innewohnen, gehen dabei völlig verloren. Nur Alberich und Loge vermögen unsern Antheil zu gewinnen, die sämmtlichen übrigen Per¬ sonen sind schattenhafte langweilige Gestalten, die nie irgend eine Theilnahme erregen werden. Die erste Scene hat einzelne anziehende Momente und in der letzten wirkt das Erscheinen Erda's gewaltig; aber im Uebrigen ist neben aller Pracht der Ausstattung vieles Läppische und Kleinliche, z. B. das harmoni¬ sche Spiel d. h. Geklimper auf den (18) Amboßen unter der Bühne, die Ver¬ wandlungen des Zwergs in einen Lindwurm und eine Kröte, die ungeheure und doch so kleine Regenbogenbrücke, die nur ein Seiltänzer, nie aber ein Sänger ohne Furcht und Zittern beschreiten wird. Wenden wir uns nun zur Musik. Die Intendanz hatte die größten Anstrengungen gemacht, um das Orchester nach dem Wunsche des Tonsetzers

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/428>, abgerufen am 24.08.2024.