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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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für die nationale Unabhängigkeit. Ja er ist gleichsam ein gemeinsames
Eigenthum der Italiener, die geistige Ringbahn für Alle, das Feld der
Ehre für die Blüthe der Nation, wie der Boden für die bürgerliche Ent¬
wickelung, während die anderen Staaten nichts von ihren Prärogativen ver¬
lieren und Rom der geheiligte Sitz der Religion bleibt, wie Toscana der
Sitz der feinen italienischen Sitte."

Die Beredtsamkeit, die aus diesem Aktenstück sprach, war natürlich ohne
Eindruck auf Montanelli, den der Gang der Dinge in Rom jetzt die Ver¬
wirklichung seiner phantastischen Constituente hoffen ließ. Wiederholte Vor¬
stellungen Gioberti's, der ihn von dem verhängnißvollen Abgrund zurück¬
ziehen wollte, waren vergeblich. Vergebens drangen die toscanischen Diplo¬
maten auch in Leopold, das Anerbieten Piemonts anzunehmen, das den ein¬
zigen Weg zeige, die auswärtige Einmischung und die Restauration in Rom
abzuwenden. Bargagli aus Rom, wie Martini und Nerii aus Turin be¬
schworen in diesem Sinne den Großherzog, und Gioberti ließ ihn geradezu
auffordern, sich von Montanelli zu trennen, der in beständigem Verkehr mit
Mazzini stehe. Aber der Großherzog blieb taub; halbwachend ließ er sich von
Montanelli leiten. Nachdem die römische Nationalversammlung sich als
constituirende erklärt hatte, setzte Montanelli im Ministerrath den Beschluß
durch, toscanische Abgeordnete in diese Versammlung zu schicken, und der
Großherzog, der sich ins Ohr raunen ließ, wenn er diesen Beschluß sanctio-
nire, bahne er sich den Weg zu einem mittelitalienischen Königreich, gab seine
Zustimmung. Gleich darauf aber empfand er Reue, er fürchtete die Ex-
communication von Rom und nach kurzer Zeit des Schwankens und heuch¬
lerischer Seitensprünge ergriff er die Flucht, um sich den fremden Mächten in
die Arme zu werfen, wie das Pius IX. bereits gethan hatte.

Mit dem Sturz des constitutionellen Regiments in Rom und Toscana
war Gioberti's Plan, die nationale Bewegung wieder in das Geleise von
1847 zurückzuführen, gescheitert. Dennoch gab er noch nicht Alles verloren.
Mit einer Unermüdlichkeit ohne Gleichen suchte er noch die fremde Inter¬
vention abzuwehren und den Großherzog und den Papst mit ihren Unter¬
thanen auszusöhnen, bei den Fürsten wie bei den Völkern ohne Erfolg.
Einen Augenblick hatte Leopold zugesagt, die Vermittelung Piemonts an¬
zunehmen, er bat förmlich um sie in einem Briefe an Karl Albert, als einen
ersten Schritt zur Conföderation und als ein Mittel, der Anarchie und dem
Bürgerkriege vorzubeugen; aber am gleichen Tage hatte er sich an Oestreich
gewandt, und einige Tage darauf widerrief er förmlich sein Gesuch um die
piemontesische Intervention. Als Leopold von Porto Santo Stefano den
Weg nach Gaeta nahm, schrieb Villamarka, der ihm mit dem diplomatischen
Körper nach Santo Stefano gefolgt war, an seine Negierung in Turin:


für die nationale Unabhängigkeit. Ja er ist gleichsam ein gemeinsames
Eigenthum der Italiener, die geistige Ringbahn für Alle, das Feld der
Ehre für die Blüthe der Nation, wie der Boden für die bürgerliche Ent¬
wickelung, während die anderen Staaten nichts von ihren Prärogativen ver¬
lieren und Rom der geheiligte Sitz der Religion bleibt, wie Toscana der
Sitz der feinen italienischen Sitte."

Die Beredtsamkeit, die aus diesem Aktenstück sprach, war natürlich ohne
Eindruck auf Montanelli, den der Gang der Dinge in Rom jetzt die Ver¬
wirklichung seiner phantastischen Constituente hoffen ließ. Wiederholte Vor¬
stellungen Gioberti's, der ihn von dem verhängnißvollen Abgrund zurück¬
ziehen wollte, waren vergeblich. Vergebens drangen die toscanischen Diplo¬
maten auch in Leopold, das Anerbieten Piemonts anzunehmen, das den ein¬
zigen Weg zeige, die auswärtige Einmischung und die Restauration in Rom
abzuwenden. Bargagli aus Rom, wie Martini und Nerii aus Turin be¬
schworen in diesem Sinne den Großherzog, und Gioberti ließ ihn geradezu
auffordern, sich von Montanelli zu trennen, der in beständigem Verkehr mit
Mazzini stehe. Aber der Großherzog blieb taub; halbwachend ließ er sich von
Montanelli leiten. Nachdem die römische Nationalversammlung sich als
constituirende erklärt hatte, setzte Montanelli im Ministerrath den Beschluß
durch, toscanische Abgeordnete in diese Versammlung zu schicken, und der
Großherzog, der sich ins Ohr raunen ließ, wenn er diesen Beschluß sanctio-
nire, bahne er sich den Weg zu einem mittelitalienischen Königreich, gab seine
Zustimmung. Gleich darauf aber empfand er Reue, er fürchtete die Ex-
communication von Rom und nach kurzer Zeit des Schwankens und heuch¬
lerischer Seitensprünge ergriff er die Flucht, um sich den fremden Mächten in
die Arme zu werfen, wie das Pius IX. bereits gethan hatte.

Mit dem Sturz des constitutionellen Regiments in Rom und Toscana
war Gioberti's Plan, die nationale Bewegung wieder in das Geleise von
1847 zurückzuführen, gescheitert. Dennoch gab er noch nicht Alles verloren.
Mit einer Unermüdlichkeit ohne Gleichen suchte er noch die fremde Inter¬
vention abzuwehren und den Großherzog und den Papst mit ihren Unter¬
thanen auszusöhnen, bei den Fürsten wie bei den Völkern ohne Erfolg.
Einen Augenblick hatte Leopold zugesagt, die Vermittelung Piemonts an¬
zunehmen, er bat förmlich um sie in einem Briefe an Karl Albert, als einen
ersten Schritt zur Conföderation und als ein Mittel, der Anarchie und dem
Bürgerkriege vorzubeugen; aber am gleichen Tage hatte er sich an Oestreich
gewandt, und einige Tage darauf widerrief er förmlich sein Gesuch um die
piemontesische Intervention. Als Leopold von Porto Santo Stefano den
Weg nach Gaeta nahm, schrieb Villamarka, der ihm mit dem diplomatischen
Körper nach Santo Stefano gefolgt war, an seine Negierung in Turin:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/392>, abgerufen am 25.08.2024.