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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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tung der Verfassung beauftragten Bevollmächtigten nach Rom einberufen
werden könne, und in einem weiteren Monat könne dann der definitive
Bundestag in Function treten, also ohne Zweifel noch rechtzeitig für den
nächsten Krieg, falls dieser unvermeidlich sein sollte.

Was war das Schicksal dieses Entwurfs? Er hatte die Zustimmung
Toscanas und dabei blieb es. Dagegen wurde er in Piemont verworfen,
und nicht minder von Pellegrino Rossi, als dieser Mitte September vom
Papst an die Spitze des Ministeriums gestellt wurde.

Vier Wochen zögerte der Minister Percone mit der Antwort. Am
4. Oetober schrieb er an Rvsmini: die Lage verlange gebieterisch, daß die italie¬
nischen Regierungen in wirksamer Weise und mit der That zur Rettung/ des
gemeinsamen Vaterlands beitragen. Zu diesem Zweck sei vor Allem Nach¬
druck und Einmüthigkeit in den Rüstungen nöthig, um den Krieg wieder
aufzunehmen, wenn die eingeleitete Mediation mißlinge, und um sich gegen¬
seitig die Gebiete zu garantiren. damit jeder Verdacht ehrgeiziger Absichten
ausgeschlossen sei. Der Bund müsse gemeinsam beschützen, was im Unab¬
hängigkeitskrieg gewonnen worden sei (d. h. die Annexionen in Oberitalien
garantiren), und die beste Art und Weise mit dem Bunde anzufangen, be¬
stehe darin, inzwischen den Beitrag jedes Staats an Mannschaft und Geld
zu bestimmen. Die definitive Einrichtung des Bundes müsse späteren Zeiten
vorbehalten bleiben, denn jetzt sei daran nicht zu denken, während der Aus¬
gang des Nationalkrieges noch nicht gesichert, die Gebietsverhältnisse noch un¬
bestimmt seien und der König von Neapel sich von der nationalen Sache
abgewandt habe. Piemont sei bereit, ein Militärbündniß mit Rom und Tos-
cana abzuschließen, und dabei könne man dann zugleich die allgemeinen Grund¬
züge einer künftigen Consöderation feststellen.

Rosmini mußte diese Antwort als eine Ablehnung betrachten. Sichtlich
verstimmt berichtete er am 11. Oetober, daß man in Rom weit entfernt sei,
an eine kriegerische Politik zu denken, die man mit den wesentlichen Grund¬
lagen des Kirchenstaats nicht für vereinbar halte. Opfer wolle man keine
bringen, der Staat habe keine Soldaten, kein Geld, das Volk verlange zu
essen. "Die Unabhängigkeit Italiens hofft man viel mehr vom Frieden als
vom Krieg, und um Alles zu sagen, so glaubt man, daß, wenn die Auf¬
richtung des Oberitalienischen Staats gelänge, dieser schwerlich in einen
Bund mit andern kleinern Staaten eintreten möchte, für den man in Turin
schon jetzt wenig Interesse zeigt, gerade wie ja auch Preußen dem deutschen
Bunde widersteht." Der Vater aller Gläubigen könne überhaupt nicht mit
einer christlichen Nation Krieg führen und der jetzige Papst habe das wieder¬
holt feierlich ausgesprochen. Eben dies sei das schwere Hinderniß, das nur
durch eine aufrichtige Consöderation hätte überwunden werden können. Das


tung der Verfassung beauftragten Bevollmächtigten nach Rom einberufen
werden könne, und in einem weiteren Monat könne dann der definitive
Bundestag in Function treten, also ohne Zweifel noch rechtzeitig für den
nächsten Krieg, falls dieser unvermeidlich sein sollte.

Was war das Schicksal dieses Entwurfs? Er hatte die Zustimmung
Toscanas und dabei blieb es. Dagegen wurde er in Piemont verworfen,
und nicht minder von Pellegrino Rossi, als dieser Mitte September vom
Papst an die Spitze des Ministeriums gestellt wurde.

Vier Wochen zögerte der Minister Percone mit der Antwort. Am
4. Oetober schrieb er an Rvsmini: die Lage verlange gebieterisch, daß die italie¬
nischen Regierungen in wirksamer Weise und mit der That zur Rettung/ des
gemeinsamen Vaterlands beitragen. Zu diesem Zweck sei vor Allem Nach¬
druck und Einmüthigkeit in den Rüstungen nöthig, um den Krieg wieder
aufzunehmen, wenn die eingeleitete Mediation mißlinge, und um sich gegen¬
seitig die Gebiete zu garantiren. damit jeder Verdacht ehrgeiziger Absichten
ausgeschlossen sei. Der Bund müsse gemeinsam beschützen, was im Unab¬
hängigkeitskrieg gewonnen worden sei (d. h. die Annexionen in Oberitalien
garantiren), und die beste Art und Weise mit dem Bunde anzufangen, be¬
stehe darin, inzwischen den Beitrag jedes Staats an Mannschaft und Geld
zu bestimmen. Die definitive Einrichtung des Bundes müsse späteren Zeiten
vorbehalten bleiben, denn jetzt sei daran nicht zu denken, während der Aus¬
gang des Nationalkrieges noch nicht gesichert, die Gebietsverhältnisse noch un¬
bestimmt seien und der König von Neapel sich von der nationalen Sache
abgewandt habe. Piemont sei bereit, ein Militärbündniß mit Rom und Tos-
cana abzuschließen, und dabei könne man dann zugleich die allgemeinen Grund¬
züge einer künftigen Consöderation feststellen.

Rosmini mußte diese Antwort als eine Ablehnung betrachten. Sichtlich
verstimmt berichtete er am 11. Oetober, daß man in Rom weit entfernt sei,
an eine kriegerische Politik zu denken, die man mit den wesentlichen Grund¬
lagen des Kirchenstaats nicht für vereinbar halte. Opfer wolle man keine
bringen, der Staat habe keine Soldaten, kein Geld, das Volk verlange zu
essen. „Die Unabhängigkeit Italiens hofft man viel mehr vom Frieden als
vom Krieg, und um Alles zu sagen, so glaubt man, daß, wenn die Auf¬
richtung des Oberitalienischen Staats gelänge, dieser schwerlich in einen
Bund mit andern kleinern Staaten eintreten möchte, für den man in Turin
schon jetzt wenig Interesse zeigt, gerade wie ja auch Preußen dem deutschen
Bunde widersteht." Der Vater aller Gläubigen könne überhaupt nicht mit
einer christlichen Nation Krieg führen und der jetzige Papst habe das wieder¬
holt feierlich ausgesprochen. Eben dies sei das schwere Hinderniß, das nur
durch eine aufrichtige Consöderation hätte überwunden werden können. Das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/381>, abgerufen am 02.07.2024.