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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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geschickt wurde, lautete dahin, die päpstliche Regierung 1) zur thätigen Mit¬
wirkung beim Krieg, 2) zu einem politischen Bunde, 3) zu einem Concordat
zu bewegen. Gioberti, der die Jnstructionen verfaßt hatte, erklärte, daß
der erste Punkt unmittelbar praktisch und dringlich sei, daß man sich über
die beiden anderen aber vorläufig mit Aufstellung allgemeiner Grundzüge be¬
gnügen müsse.

Diesmal war es nun der Papst, der sich kühl zeigte, die Gesandten
klagten über Zögerungen; eine Störung war es auch, daß in Turin das
Ministerium Casati wieder einem rein piemontesischen Ministerium, Pinelli-
Percone, Platz machte, dessen vollständiges Schweigen über die Ligafrage
verdächtig wurde. Jndissen fanden doch auf den Vorschlag Rosminis ver¬
trauliche Conferenzen statt, an welchen sich Boninsegni und Bargagli für
Toscana, Pareto und Rosmini für Piemont, der Mgr. Corboli-Bussi für
den Kirchenstaat betheiligten. Anfangs September hatten sich diese Bevoll¬
mächtigten über den detaillirten Entwurf einer Liga der drei Staaten ver¬
ständigt. Als Zwecke des Bundes waren die Garantie des Gebiets der Bun¬
desstaaten und die fortschreitende friedliche Entwickelung der freien Einrich¬
tungen und der Nationalwohlfahrt bezeichnet. Der Papst sollte den bestän¬
digen Vorsitz führen. In Rom sollte sofort ein Präliminarcongreß, dessen
Mitglieder von den Kammern der einzelnen Staaten gewählt würden, zu¬
sammentreten, um die Bundesverfassung auszuarbeiten. Dem Bundestag in
Rom sollte es zustehen, über Krieg und Frieden zu entscheiden, die Contin-
gente für das Bundesheer zu bestimmen, Einheit der Gesetzgebung in allen
volkswirthschaftlichen und militärischen Dingen wie im Rechtswesen anzu¬
streben, Handelsverträge abzuschließen ze.

Rosmini sandte diesen Entwurf am 7. September nach Turin und schrieb
dazu, daß der Papst denselben reiflich geprüft und nicht unannehmbar ge.
funden habe, und daß er, sobald Karl Albert officiell seine Zustimmung er¬
klärt habe, eine besondere Congregation ernennen werde, bis zu deren Aus¬
spruch er seine definitive Entschließung vorbehalte. Der Entwurf, fuhr Ros¬
mini empfehlend fort, sei ganz nach den Jnstructionen abgefaßt, die er vom
vorigen Ministerium erhalten habe. Bevor die Conföderation ins Leben ge¬
treten sei, werde es ganz unmöglich sein, die päpstliche Regierung zur Be¬
theiligung am Nationalkriege zu vermögen. Dann aber werde sie sich dadurch
gedeckt finden, daß der Krieg nicht mehr von den Fürsten, sondern vom
Bundestage beschlossen werde. Inzwischen sei nicht mehr zu erreichen gewesen,
als daß die vorhandene Truppenzahl aufrecht erhalten und vermehrt wurde,
und selbst dies unzulänglich. Rosmini rechnete dann aus, daß wenn die
Zustimmung Piemonts erfolge, in weniger als einem Monat der erste Trac-
tat stipulirt sein könne, worauf sofort die Versammlung der 9 mit Ausarbei-


geschickt wurde, lautete dahin, die päpstliche Regierung 1) zur thätigen Mit¬
wirkung beim Krieg, 2) zu einem politischen Bunde, 3) zu einem Concordat
zu bewegen. Gioberti, der die Jnstructionen verfaßt hatte, erklärte, daß
der erste Punkt unmittelbar praktisch und dringlich sei, daß man sich über
die beiden anderen aber vorläufig mit Aufstellung allgemeiner Grundzüge be¬
gnügen müsse.

Diesmal war es nun der Papst, der sich kühl zeigte, die Gesandten
klagten über Zögerungen; eine Störung war es auch, daß in Turin das
Ministerium Casati wieder einem rein piemontesischen Ministerium, Pinelli-
Percone, Platz machte, dessen vollständiges Schweigen über die Ligafrage
verdächtig wurde. Jndissen fanden doch auf den Vorschlag Rosminis ver¬
trauliche Conferenzen statt, an welchen sich Boninsegni und Bargagli für
Toscana, Pareto und Rosmini für Piemont, der Mgr. Corboli-Bussi für
den Kirchenstaat betheiligten. Anfangs September hatten sich diese Bevoll¬
mächtigten über den detaillirten Entwurf einer Liga der drei Staaten ver¬
ständigt. Als Zwecke des Bundes waren die Garantie des Gebiets der Bun¬
desstaaten und die fortschreitende friedliche Entwickelung der freien Einrich¬
tungen und der Nationalwohlfahrt bezeichnet. Der Papst sollte den bestän¬
digen Vorsitz führen. In Rom sollte sofort ein Präliminarcongreß, dessen
Mitglieder von den Kammern der einzelnen Staaten gewählt würden, zu¬
sammentreten, um die Bundesverfassung auszuarbeiten. Dem Bundestag in
Rom sollte es zustehen, über Krieg und Frieden zu entscheiden, die Contin-
gente für das Bundesheer zu bestimmen, Einheit der Gesetzgebung in allen
volkswirthschaftlichen und militärischen Dingen wie im Rechtswesen anzu¬
streben, Handelsverträge abzuschließen ze.

Rosmini sandte diesen Entwurf am 7. September nach Turin und schrieb
dazu, daß der Papst denselben reiflich geprüft und nicht unannehmbar ge.
funden habe, und daß er, sobald Karl Albert officiell seine Zustimmung er¬
klärt habe, eine besondere Congregation ernennen werde, bis zu deren Aus¬
spruch er seine definitive Entschließung vorbehalte. Der Entwurf, fuhr Ros¬
mini empfehlend fort, sei ganz nach den Jnstructionen abgefaßt, die er vom
vorigen Ministerium erhalten habe. Bevor die Conföderation ins Leben ge¬
treten sei, werde es ganz unmöglich sein, die päpstliche Regierung zur Be¬
theiligung am Nationalkriege zu vermögen. Dann aber werde sie sich dadurch
gedeckt finden, daß der Krieg nicht mehr von den Fürsten, sondern vom
Bundestage beschlossen werde. Inzwischen sei nicht mehr zu erreichen gewesen,
als daß die vorhandene Truppenzahl aufrecht erhalten und vermehrt wurde,
und selbst dies unzulänglich. Rosmini rechnete dann aus, daß wenn die
Zustimmung Piemonts erfolge, in weniger als einem Monat der erste Trac-
tat stipulirt sein könne, worauf sofort die Versammlung der 9 mit Ausarbei-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/380>, abgerufen am 01.07.2024.