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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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glossiren, bringt die italienische Abtheilung in dem Bilde von Niccola Ge in
Florenz, betitelt: Die Boten der Auferstehung. Er zeigt uns das nicht schlecht
behandelte Loccil vor dem Thore von Jerusalem, lehnan nach Golgatha,
welches selbst nicht sichtbar ist; das Morgenlicht bricht eben über die Höhe
und beleuchtet die im Mittelgrund mit fliegendem Gewände eilig vorüber¬
schreitende Magdalena, während vorn in dem Schlagschatten der Stadtmauer
die Wachtsoldaten sich hinwegdrücken und heimlich lachend das Geld zählen,
womit der Rath sie bestochen hat, den Hergang der Auferstehung abzuleugnen.
So unbedeutend die Composttion auch ist, das Ganze hat doch eine nicht un¬
edle Wirkung. Nur scheint sich der Künstler Herrn G6rome (von welchem
diesmal nur die Skizze zur Phryne ausgestellt ist) zum Vorbild zu nehmen, der
in diesem Genre das Pikanteste leistet. Bei ernstem Geschmack kann die künst-
lerische Benutzung der Pausen in der biblischen Erzählung gar wohl eine
Zukunft haben. Die Art z. B. wie Führich die Episoden illustrirt, indem
er gleichsam aus dem Vorton der Dominantenaecorde verweilt, die große Vor¬
gänge einleiten, verdient Beifall und Nachfolge. Ich erinnere nur an die Com¬
posttion "des Hauptmanns am Grabe Christi" aus seinem Auferstehungscyklus.
Wenn wir noch Jägers durch weise Milde ausgezeichnetes Bild der "Kreuz-
tragung" und das in Composttion schwache, aber colvristisch nicht un¬
interessante Nolimetangere von Plockhorst und v. Wurmb's Kreuzigung
nennen, zwei Werke, die durchaus iuvitA Ninsrvs, entstanden sind, ist man mit
der religiösen Malerei fast zu Ende. Sie ist überaus schwach vertreten und
wir constatiren dabei mit Genugthuung, daß von positiv katholischer Gesin¬
nung aus dem Norden Deutschlands, wo man sie neuerdings im Wachsthum
wähnt, künstlerische Wirkungen hier ebensowenig vorliegen, wie aus den süd¬
deutschen Stammländern des alten Glaubens.

Auf dem Gebiet der christlich-historischen Kunst paradirt in den franzö¬
sischen Abtheilungen nur noch Cabanel mit einem "verlorenen Paradies":
Gottvater fährt von Engeln getragen in zorniger Geberde durch den Haag,
in dessen Schatten Adam und Eva sich verbergen, indeß der Verführer, eine
braune Teufelsgestalt, mit schadenfroher Miene in die Dornen des Vorder¬
grundes fällt. Die Individualisirung der lebensgroßen Gestalten gibt soviel
zu erkennen, daß auch sür den Maler das Paradies dieser Kunstrichtung
verloren ist. Bei aller Anstrengung vermag es sein Adam nur bis zum Aus¬
druck eines Verdrusses zu bringen, der sich mehr wie die Wirkung einer ver¬
fehlten Actienspeculation ausnimmt, und Madame hat als historisch älteste
der Nymphen in ver französischen Abtheilung vor diesen nur die nachahmens-
werthe Geste voraus, womit sie sich wenigstens das^Gesicht verhüllt. Am
Genießbarsten noch ist das Arrangement und die tadellose Technik; das selt¬
sam bunte und heitere Colorit aber steht mit dem Gegenstande im pikantesten


glossiren, bringt die italienische Abtheilung in dem Bilde von Niccola Ge in
Florenz, betitelt: Die Boten der Auferstehung. Er zeigt uns das nicht schlecht
behandelte Loccil vor dem Thore von Jerusalem, lehnan nach Golgatha,
welches selbst nicht sichtbar ist; das Morgenlicht bricht eben über die Höhe
und beleuchtet die im Mittelgrund mit fliegendem Gewände eilig vorüber¬
schreitende Magdalena, während vorn in dem Schlagschatten der Stadtmauer
die Wachtsoldaten sich hinwegdrücken und heimlich lachend das Geld zählen,
womit der Rath sie bestochen hat, den Hergang der Auferstehung abzuleugnen.
So unbedeutend die Composttion auch ist, das Ganze hat doch eine nicht un¬
edle Wirkung. Nur scheint sich der Künstler Herrn G6rome (von welchem
diesmal nur die Skizze zur Phryne ausgestellt ist) zum Vorbild zu nehmen, der
in diesem Genre das Pikanteste leistet. Bei ernstem Geschmack kann die künst-
lerische Benutzung der Pausen in der biblischen Erzählung gar wohl eine
Zukunft haben. Die Art z. B. wie Führich die Episoden illustrirt, indem
er gleichsam aus dem Vorton der Dominantenaecorde verweilt, die große Vor¬
gänge einleiten, verdient Beifall und Nachfolge. Ich erinnere nur an die Com¬
posttion „des Hauptmanns am Grabe Christi" aus seinem Auferstehungscyklus.
Wenn wir noch Jägers durch weise Milde ausgezeichnetes Bild der „Kreuz-
tragung" und das in Composttion schwache, aber colvristisch nicht un¬
interessante Nolimetangere von Plockhorst und v. Wurmb's Kreuzigung
nennen, zwei Werke, die durchaus iuvitA Ninsrvs, entstanden sind, ist man mit
der religiösen Malerei fast zu Ende. Sie ist überaus schwach vertreten und
wir constatiren dabei mit Genugthuung, daß von positiv katholischer Gesin¬
nung aus dem Norden Deutschlands, wo man sie neuerdings im Wachsthum
wähnt, künstlerische Wirkungen hier ebensowenig vorliegen, wie aus den süd¬
deutschen Stammländern des alten Glaubens.

Auf dem Gebiet der christlich-historischen Kunst paradirt in den franzö¬
sischen Abtheilungen nur noch Cabanel mit einem „verlorenen Paradies":
Gottvater fährt von Engeln getragen in zorniger Geberde durch den Haag,
in dessen Schatten Adam und Eva sich verbergen, indeß der Verführer, eine
braune Teufelsgestalt, mit schadenfroher Miene in die Dornen des Vorder¬
grundes fällt. Die Individualisirung der lebensgroßen Gestalten gibt soviel
zu erkennen, daß auch sür den Maler das Paradies dieser Kunstrichtung
verloren ist. Bei aller Anstrengung vermag es sein Adam nur bis zum Aus¬
druck eines Verdrusses zu bringen, der sich mehr wie die Wirkung einer ver¬
fehlten Actienspeculation ausnimmt, und Madame hat als historisch älteste
der Nymphen in ver französischen Abtheilung vor diesen nur die nachahmens-
werthe Geste voraus, womit sie sich wenigstens das^Gesicht verhüllt. Am
Genießbarsten noch ist das Arrangement und die tadellose Technik; das selt¬
sam bunte und heitere Colorit aber steht mit dem Gegenstande im pikantesten


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[0374] glossiren, bringt die italienische Abtheilung in dem Bilde von Niccola Ge in Florenz, betitelt: Die Boten der Auferstehung. Er zeigt uns das nicht schlecht behandelte Loccil vor dem Thore von Jerusalem, lehnan nach Golgatha, welches selbst nicht sichtbar ist; das Morgenlicht bricht eben über die Höhe und beleuchtet die im Mittelgrund mit fliegendem Gewände eilig vorüber¬ schreitende Magdalena, während vorn in dem Schlagschatten der Stadtmauer die Wachtsoldaten sich hinwegdrücken und heimlich lachend das Geld zählen, womit der Rath sie bestochen hat, den Hergang der Auferstehung abzuleugnen. So unbedeutend die Composttion auch ist, das Ganze hat doch eine nicht un¬ edle Wirkung. Nur scheint sich der Künstler Herrn G6rome (von welchem diesmal nur die Skizze zur Phryne ausgestellt ist) zum Vorbild zu nehmen, der in diesem Genre das Pikanteste leistet. Bei ernstem Geschmack kann die künst- lerische Benutzung der Pausen in der biblischen Erzählung gar wohl eine Zukunft haben. Die Art z. B. wie Führich die Episoden illustrirt, indem er gleichsam aus dem Vorton der Dominantenaecorde verweilt, die große Vor¬ gänge einleiten, verdient Beifall und Nachfolge. Ich erinnere nur an die Com¬ posttion „des Hauptmanns am Grabe Christi" aus seinem Auferstehungscyklus. Wenn wir noch Jägers durch weise Milde ausgezeichnetes Bild der „Kreuz- tragung" und das in Composttion schwache, aber colvristisch nicht un¬ interessante Nolimetangere von Plockhorst und v. Wurmb's Kreuzigung nennen, zwei Werke, die durchaus iuvitA Ninsrvs, entstanden sind, ist man mit der religiösen Malerei fast zu Ende. Sie ist überaus schwach vertreten und wir constatiren dabei mit Genugthuung, daß von positiv katholischer Gesin¬ nung aus dem Norden Deutschlands, wo man sie neuerdings im Wachsthum wähnt, künstlerische Wirkungen hier ebensowenig vorliegen, wie aus den süd¬ deutschen Stammländern des alten Glaubens. Auf dem Gebiet der christlich-historischen Kunst paradirt in den franzö¬ sischen Abtheilungen nur noch Cabanel mit einem „verlorenen Paradies": Gottvater fährt von Engeln getragen in zorniger Geberde durch den Haag, in dessen Schatten Adam und Eva sich verbergen, indeß der Verführer, eine braune Teufelsgestalt, mit schadenfroher Miene in die Dornen des Vorder¬ grundes fällt. Die Individualisirung der lebensgroßen Gestalten gibt soviel zu erkennen, daß auch sür den Maler das Paradies dieser Kunstrichtung verloren ist. Bei aller Anstrengung vermag es sein Adam nur bis zum Aus¬ druck eines Verdrusses zu bringen, der sich mehr wie die Wirkung einer ver¬ fehlten Actienspeculation ausnimmt, und Madame hat als historisch älteste der Nymphen in ver französischen Abtheilung vor diesen nur die nachahmens- werthe Geste voraus, womit sie sich wenigstens das^Gesicht verhüllt. Am Genießbarsten noch ist das Arrangement und die tadellose Technik; das selt¬ sam bunte und heitere Colorit aber steht mit dem Gegenstande im pikantesten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/374>, abgerufen am 22.07.2024.