Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.dem Fortschritt gewidmetes, wirklich heilsame Bahnen brechendes Streben des dem Fortschritt gewidmetes, wirklich heilsame Bahnen brechendes Streben des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0037" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121258"/> <p xml:id="ID_133" prev="#ID_132" next="#ID_134"> dem Fortschritt gewidmetes, wirklich heilsame Bahnen brechendes Streben des<lb/> Mannes, das mit den Gewaltthätigkeiten seines Wirkens versöhnt. Und<lb/> dann die kluge Energie, welche das Unternehmen trotz der größten Hinder¬<lb/> nisse glücklich zu Ende führt. Beides ist bei Wallenstein problematisch: der<lb/> Verfasser gibt das selbst vielfach zu und so bleibt denn blos die Bewunde¬<lb/> rung der auf Zeit einflußreichen Wirksamkeit eines hochstrebenden Politikers<lb/> übrig, der seinen Gegnern geistig überlegen sich viel vornimmt, manches<lb/> energisch durchsetzt, aber im Interesse einer späteren höheren 'Entwickt-lung<lb/> durch kleinere aber mit der realen Macht der Verhältnisse vertrautere Gegner<lb/> fallen muß. Wunderbar klar und geistvoll, wenn auch den Vertretern der<lb/> seither bestehenden NeichsvertMtnisse nicht ganz gerecht werdend, entwickelt<lb/> Ranke zunächst, wie Wallenstein die universale Autorität des Kaisertums<lb/> zugleich mit seiner eigenen eminenten Stellung durchzusetzen suchte, allerdings<lb/> nicht mit dem die Protestanten zur Verzweiflung treibenden Nestitutions-<lb/> edicte, auf welchem seine beschränkten katholischen Gegner bestanden. Darüber<lb/> verlor er das Commando — doch wohl zum Glück. Denn wie hätte er auch<lb/> als Sieger die Gewalt des Fanatismus hindern und uns ein spanisch-habs-<lb/> burgisches Dvminat ersparen können. Ranke selber schwärmt natürlich nicht<lb/> für die kaiserlichen Tendenzen, im Gegentheil freut er sich des welthistori¬<lb/> schen Moments der Abwehr der Stralsunder und des Eingreifens Gustav<lb/> Adolfs zur Rettung des deutschen Geistes. Demnach darf er sich nicht<lb/> wundern, wenn auch unter seinen Verehrern des Herzogs an und sür sich<lb/> großartige Politik nicht überall mit der Theilnahme betrachtet werden wird,<lb/> welche er ihr in seinem mit Künstlerhand entworfenen Bilde widmet. Ebenso<lb/> ist es später, als Wallenstein nach kurzen Anwandlungen, im Bunde mit<lb/> dem König von Schweden sein Heil zu suchen, wiederum für den Kaiser<lb/> auftrat. Wo man seither ein vom Ehrgeiz motivirtes Schwanken der aller¬<lb/> dings kühnen Intentionen, rohe Verletzung von Freund und Feind nach<lb/> wechselnden Stimmungen, Ueberschätzung des eigenen Vermögens und Unter¬<lb/> schätzung der Macht der Gegner sah. da entwirft Ranke ein geistvolles Bild<lb/> der überall wohl zusammenhängenden, zwar durch die wechselnden Verhält¬<lb/> nisse bedingten aber consequenten und großartigen Politik des Herzogs,<lb/> welcher mit Anerkennung der Rechte beider Confessionen das deutsche Reich<lb/> gegen den Kaiser und die spanisch-clericale Faction ebenso wie gegen Franzosen<lb/> und Schweden habe zur Ruhe bringen wollen. So hätte das deutsche Reich<lb/> regenerirt. der weitere Krieg den Deutschen erspart, der fremde Einfluß ab¬<lb/> gewehrt werden können. Auch hier könnte man wohl meinen, es sei gut<lb/> gewesen, daß es nicht so gekommen, es gäbe sonst keine preußisch-deutsche<lb/> Geschichte. — Und wenn selbst zugegeben werden mag, daß der Herzog in<lb/> dieser Periode immer nur einen solchen Frieden als Polarstern seines potiti-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0037]
dem Fortschritt gewidmetes, wirklich heilsame Bahnen brechendes Streben des
Mannes, das mit den Gewaltthätigkeiten seines Wirkens versöhnt. Und
dann die kluge Energie, welche das Unternehmen trotz der größten Hinder¬
nisse glücklich zu Ende führt. Beides ist bei Wallenstein problematisch: der
Verfasser gibt das selbst vielfach zu und so bleibt denn blos die Bewunde¬
rung der auf Zeit einflußreichen Wirksamkeit eines hochstrebenden Politikers
übrig, der seinen Gegnern geistig überlegen sich viel vornimmt, manches
energisch durchsetzt, aber im Interesse einer späteren höheren 'Entwickt-lung
durch kleinere aber mit der realen Macht der Verhältnisse vertrautere Gegner
fallen muß. Wunderbar klar und geistvoll, wenn auch den Vertretern der
seither bestehenden NeichsvertMtnisse nicht ganz gerecht werdend, entwickelt
Ranke zunächst, wie Wallenstein die universale Autorität des Kaisertums
zugleich mit seiner eigenen eminenten Stellung durchzusetzen suchte, allerdings
nicht mit dem die Protestanten zur Verzweiflung treibenden Nestitutions-
edicte, auf welchem seine beschränkten katholischen Gegner bestanden. Darüber
verlor er das Commando — doch wohl zum Glück. Denn wie hätte er auch
als Sieger die Gewalt des Fanatismus hindern und uns ein spanisch-habs-
burgisches Dvminat ersparen können. Ranke selber schwärmt natürlich nicht
für die kaiserlichen Tendenzen, im Gegentheil freut er sich des welthistori¬
schen Moments der Abwehr der Stralsunder und des Eingreifens Gustav
Adolfs zur Rettung des deutschen Geistes. Demnach darf er sich nicht
wundern, wenn auch unter seinen Verehrern des Herzogs an und sür sich
großartige Politik nicht überall mit der Theilnahme betrachtet werden wird,
welche er ihr in seinem mit Künstlerhand entworfenen Bilde widmet. Ebenso
ist es später, als Wallenstein nach kurzen Anwandlungen, im Bunde mit
dem König von Schweden sein Heil zu suchen, wiederum für den Kaiser
auftrat. Wo man seither ein vom Ehrgeiz motivirtes Schwanken der aller¬
dings kühnen Intentionen, rohe Verletzung von Freund und Feind nach
wechselnden Stimmungen, Ueberschätzung des eigenen Vermögens und Unter¬
schätzung der Macht der Gegner sah. da entwirft Ranke ein geistvolles Bild
der überall wohl zusammenhängenden, zwar durch die wechselnden Verhält¬
nisse bedingten aber consequenten und großartigen Politik des Herzogs,
welcher mit Anerkennung der Rechte beider Confessionen das deutsche Reich
gegen den Kaiser und die spanisch-clericale Faction ebenso wie gegen Franzosen
und Schweden habe zur Ruhe bringen wollen. So hätte das deutsche Reich
regenerirt. der weitere Krieg den Deutschen erspart, der fremde Einfluß ab¬
gewehrt werden können. Auch hier könnte man wohl meinen, es sei gut
gewesen, daß es nicht so gekommen, es gäbe sonst keine preußisch-deutsche
Geschichte. — Und wenn selbst zugegeben werden mag, daß der Herzog in
dieser Periode immer nur einen solchen Frieden als Polarstern seines potiti-
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