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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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brochen werden kann. Daß die Abschaffung der irischen Staatskirche in
dieser Beziehung wirkungslos bleiben werde, wußte man im Voraus. --
Neben der irländischen Landfrage hat seit der Vertagung des Parlaments
Publicum und Presse Englands hauptsächlich die "'WorKins rexressu-
tativs I,"zg,sus" beschäftigt, eine Association von Arbeitern, welche sich zur
Aufgabe gemacht hat, durch Glieder ihres Standes im Parlament vertreten
zu werden. -- So unzweifelhaft es der englische Socialismus im Allgemei¬
nen weiter gebracht hat, als die noch in ihren Kinderschuhen steckende Ar¬
beiterbewegung der Lassalleaner Deutschlands, so soll mit dieser Ig-z^ne doch
nur erreicht werden, was unsere Socialisten in ihrem Schweitzer, Hasenclever :c.
bereits besitzen. -- Der Sache des deutschen Socialismus ist mit diesem Besitzes
jetzt nicht gedient gewesen und die vor zwei Wochen in Eisenach erlebten Scenen
waren nicht dazu angethan, die socialistische Bewegung als zu einer parlamen¬
tarischen Vertretung reif und berechtigt erscheinen zu lassen. In England, wo
die Ansprüche an Repräsentationsfähigkeit ungleich höher und die Gewöh¬
nung an öffentliche Thätigkeit in allen Classen der Gesellschaft ungleich älter
ist, wird das Erscheinen des ersten Arbeiters im Hause der Gemeinen sehr
viel bedeutsamer sein, als es bei uns der Fall war, wo so viele Erschei¬
nungen des politischen und socialen Lebens ihre öffentliche Vertretung antici-
pirt haben.

Wir haben schließlich noch ein Ereigniß von wenigliens symbolischer Be¬
deutung zu registriren, das in die letzten Juli- und ersten Augusttage gefallen-
ist: die Vermählung der Prinzessin Lowisa, einzigen Tochter des Königs von
Schweden, mit dem Erben der dänischen Krone. Nord-Schleswig hat die
in Stockholm und Kopenhagen gefeierten Feste zu öffentlichen Kundgebungen
seiner Treue für die skandinavische Sache ausgebeutet, die skandinavischen
Farben und die Toaste aus "Altdänemark" haben bei der gesammten Feier
eine beträchtliche Rolle gespielt. Zunächst wird es wohl noch für einige Zeit
bei dieser symbolischen Verbindung der drei Völker des Nordens bleiben,
denn in Schweden kann man sich keine andere Erfüllung der scandinavischen
Unionsidee denken, als das Aufgehen oder mindestens den Anschluß Däne¬
marks an die mächtigere Nachbarmonarchie, -- eine Auffassung, welche bei
der schwedischen Beurtheilung des deutsch-dänischen Streits entschieden ange¬
sprochen hat, in Dänemark aber nicht getheilt wird.




Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
Verlag von F. L. Herbig. -- Druck von Hüthel H Legler in Leipzig.

brochen werden kann. Daß die Abschaffung der irischen Staatskirche in
dieser Beziehung wirkungslos bleiben werde, wußte man im Voraus. —
Neben der irländischen Landfrage hat seit der Vertagung des Parlaments
Publicum und Presse Englands hauptsächlich die „'WorKins rexressu-
tativs I,«zg,sus" beschäftigt, eine Association von Arbeitern, welche sich zur
Aufgabe gemacht hat, durch Glieder ihres Standes im Parlament vertreten
zu werden. — So unzweifelhaft es der englische Socialismus im Allgemei¬
nen weiter gebracht hat, als die noch in ihren Kinderschuhen steckende Ar¬
beiterbewegung der Lassalleaner Deutschlands, so soll mit dieser Ig-z^ne doch
nur erreicht werden, was unsere Socialisten in ihrem Schweitzer, Hasenclever :c.
bereits besitzen. — Der Sache des deutschen Socialismus ist mit diesem Besitzes
jetzt nicht gedient gewesen und die vor zwei Wochen in Eisenach erlebten Scenen
waren nicht dazu angethan, die socialistische Bewegung als zu einer parlamen¬
tarischen Vertretung reif und berechtigt erscheinen zu lassen. In England, wo
die Ansprüche an Repräsentationsfähigkeit ungleich höher und die Gewöh¬
nung an öffentliche Thätigkeit in allen Classen der Gesellschaft ungleich älter
ist, wird das Erscheinen des ersten Arbeiters im Hause der Gemeinen sehr
viel bedeutsamer sein, als es bei uns der Fall war, wo so viele Erschei¬
nungen des politischen und socialen Lebens ihre öffentliche Vertretung antici-
pirt haben.

Wir haben schließlich noch ein Ereigniß von wenigliens symbolischer Be¬
deutung zu registriren, das in die letzten Juli- und ersten Augusttage gefallen-
ist: die Vermählung der Prinzessin Lowisa, einzigen Tochter des Königs von
Schweden, mit dem Erben der dänischen Krone. Nord-Schleswig hat die
in Stockholm und Kopenhagen gefeierten Feste zu öffentlichen Kundgebungen
seiner Treue für die skandinavische Sache ausgebeutet, die skandinavischen
Farben und die Toaste aus „Altdänemark" haben bei der gesammten Feier
eine beträchtliche Rolle gespielt. Zunächst wird es wohl noch für einige Zeit
bei dieser symbolischen Verbindung der drei Völker des Nordens bleiben,
denn in Schweden kann man sich keine andere Erfüllung der scandinavischen
Unionsidee denken, als das Aufgehen oder mindestens den Anschluß Däne¬
marks an die mächtigere Nachbarmonarchie, — eine Auffassung, welche bei
der schwedischen Beurtheilung des deutsch-dänischen Streits entschieden ange¬
sprochen hat, in Dänemark aber nicht getheilt wird.




Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hüthel H Legler in Leipzig.
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[0368] brochen werden kann. Daß die Abschaffung der irischen Staatskirche in dieser Beziehung wirkungslos bleiben werde, wußte man im Voraus. — Neben der irländischen Landfrage hat seit der Vertagung des Parlaments Publicum und Presse Englands hauptsächlich die „'WorKins rexressu- tativs I,«zg,sus" beschäftigt, eine Association von Arbeitern, welche sich zur Aufgabe gemacht hat, durch Glieder ihres Standes im Parlament vertreten zu werden. — So unzweifelhaft es der englische Socialismus im Allgemei¬ nen weiter gebracht hat, als die noch in ihren Kinderschuhen steckende Ar¬ beiterbewegung der Lassalleaner Deutschlands, so soll mit dieser Ig-z^ne doch nur erreicht werden, was unsere Socialisten in ihrem Schweitzer, Hasenclever :c. bereits besitzen. — Der Sache des deutschen Socialismus ist mit diesem Besitzes jetzt nicht gedient gewesen und die vor zwei Wochen in Eisenach erlebten Scenen waren nicht dazu angethan, die socialistische Bewegung als zu einer parlamen¬ tarischen Vertretung reif und berechtigt erscheinen zu lassen. In England, wo die Ansprüche an Repräsentationsfähigkeit ungleich höher und die Gewöh¬ nung an öffentliche Thätigkeit in allen Classen der Gesellschaft ungleich älter ist, wird das Erscheinen des ersten Arbeiters im Hause der Gemeinen sehr viel bedeutsamer sein, als es bei uns der Fall war, wo so viele Erschei¬ nungen des politischen und socialen Lebens ihre öffentliche Vertretung antici- pirt haben. Wir haben schließlich noch ein Ereigniß von wenigliens symbolischer Be¬ deutung zu registriren, das in die letzten Juli- und ersten Augusttage gefallen- ist: die Vermählung der Prinzessin Lowisa, einzigen Tochter des Königs von Schweden, mit dem Erben der dänischen Krone. Nord-Schleswig hat die in Stockholm und Kopenhagen gefeierten Feste zu öffentlichen Kundgebungen seiner Treue für die skandinavische Sache ausgebeutet, die skandinavischen Farben und die Toaste aus „Altdänemark" haben bei der gesammten Feier eine beträchtliche Rolle gespielt. Zunächst wird es wohl noch für einige Zeit bei dieser symbolischen Verbindung der drei Völker des Nordens bleiben, denn in Schweden kann man sich keine andere Erfüllung der scandinavischen Unionsidee denken, als das Aufgehen oder mindestens den Anschluß Däne¬ marks an die mächtigere Nachbarmonarchie, — eine Auffassung, welche bei der schwedischen Beurtheilung des deutsch-dänischen Streits entschieden ange¬ sprochen hat, in Dänemark aber nicht getheilt wird. Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt. Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hüthel H Legler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/368>, abgerufen am 25.08.2024.