Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Malerei auf der internationalen Gunstausstellung in München.

Während dieser Mittsommerwochen sind in der bairischen Hauptstadt so
massenhafte Produkte bildender Kunst versammelt -- neben den zahlreichen
stehenden Museen die internationale Ausstellung moderner Werke und die
alten Gemälde aus Privatbesitz -- daß der Fremde den Eindruck gewinnt,
diese ganze menschliche Niederlassung sei nur der Rahmen für Genüsse des
Gesichtssinnes. Vollends als die Buden der Dult auch Straßen und Plätze
mit buntem Kram erfüllten -- und Spötter wollten manche Nummer der
großen Ausstellung hierher versetzt haben -- schien Alles in Schaulust auf-
zugehn. Erst wer die Maximiliansstraße entlang wandelnd aus dem seit
Wochen eleusinisch verschlossenen Opernhause die zähen Es-Dur-Akkorde der
Ouvertüre zu Wagner's Rheingold hervordringen hörte, ward inne, daß in
diesem beglückten Volke noch eine andere Kunst Wohnung hat.

Für eine internationale Ausstellung ist München unstreitig ein guter
Platz. Die halbwegs centrale Lage zwischen Berlin, Wien, Paris und Flo¬
renz erleichtert den Dingen wie den Menschen die Reise, und die Stadt be¬
sitzt Räume, um lebendige und unlebendige Gäste in Fülle zu beherbergen
Dem kühnen Unternehmen dieses Jahres konnte allerdings nur das größte
Gebäude genügen. Ein Glaspalast ist nun nicht gerade das ideale Gallerie-
lokal; indeß das Comite' hat die störende Wirkung des breiten Oberlichtes
mit Benutzung früherer Erfahrungen recht geschickt gedämpft, und ein Vor¬
theil ist, daß auch bei trüben Tagen, wie sie zu Anfang August s" häufig
waren, die meisten Säle hier hinreichende Helle hatten, während in den übri¬
gen Ausstellungsgebäuden der Stadt arge Finsterniß herrschte.

Das Arrangement des Transepts, in den man zuerst eintritt, gibt ein
recht gutes, wenn auch etwas nüchternes Bild. Die geschmackvollen reichen
Draperien, mit denen man in Paris oder London solchen Räumen behag¬
lichen Schmuck verleiht, finden wir nicht; dafür erfreuen die sprudelnden
Springbrunnen um so mehr. Sie wirken doppelt wohlthätig, indem sie die
Luft frisch halten und zugleich ein Geräusch erzeugen, das die dumpfe Stille
oder das verworrene Summen der Unterhaltung beseitigt und dadurch den
beschauenden Wanderer sich selbst zurückgibt.


Grenzboten III. 18K9. 46
Die Malerei auf der internationalen Gunstausstellung in München.

Während dieser Mittsommerwochen sind in der bairischen Hauptstadt so
massenhafte Produkte bildender Kunst versammelt — neben den zahlreichen
stehenden Museen die internationale Ausstellung moderner Werke und die
alten Gemälde aus Privatbesitz — daß der Fremde den Eindruck gewinnt,
diese ganze menschliche Niederlassung sei nur der Rahmen für Genüsse des
Gesichtssinnes. Vollends als die Buden der Dult auch Straßen und Plätze
mit buntem Kram erfüllten — und Spötter wollten manche Nummer der
großen Ausstellung hierher versetzt haben — schien Alles in Schaulust auf-
zugehn. Erst wer die Maximiliansstraße entlang wandelnd aus dem seit
Wochen eleusinisch verschlossenen Opernhause die zähen Es-Dur-Akkorde der
Ouvertüre zu Wagner's Rheingold hervordringen hörte, ward inne, daß in
diesem beglückten Volke noch eine andere Kunst Wohnung hat.

Für eine internationale Ausstellung ist München unstreitig ein guter
Platz. Die halbwegs centrale Lage zwischen Berlin, Wien, Paris und Flo¬
renz erleichtert den Dingen wie den Menschen die Reise, und die Stadt be¬
sitzt Räume, um lebendige und unlebendige Gäste in Fülle zu beherbergen
Dem kühnen Unternehmen dieses Jahres konnte allerdings nur das größte
Gebäude genügen. Ein Glaspalast ist nun nicht gerade das ideale Gallerie-
lokal; indeß das Comite' hat die störende Wirkung des breiten Oberlichtes
mit Benutzung früherer Erfahrungen recht geschickt gedämpft, und ein Vor¬
theil ist, daß auch bei trüben Tagen, wie sie zu Anfang August s» häufig
waren, die meisten Säle hier hinreichende Helle hatten, während in den übri¬
gen Ausstellungsgebäuden der Stadt arge Finsterniß herrschte.

Das Arrangement des Transepts, in den man zuerst eintritt, gibt ein
recht gutes, wenn auch etwas nüchternes Bild. Die geschmackvollen reichen
Draperien, mit denen man in Paris oder London solchen Räumen behag¬
lichen Schmuck verleiht, finden wir nicht; dafür erfreuen die sprudelnden
Springbrunnen um so mehr. Sie wirken doppelt wohlthätig, indem sie die
Luft frisch halten und zugleich ein Geräusch erzeugen, das die dumpfe Stille
oder das verworrene Summen der Unterhaltung beseitigt und dadurch den
beschauenden Wanderer sich selbst zurückgibt.


Grenzboten III. 18K9. 46
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0369" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121590"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Malerei auf der internationalen Gunstausstellung in München.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1141"> Während dieser Mittsommerwochen sind in der bairischen Hauptstadt so<lb/>
massenhafte Produkte bildender Kunst versammelt &#x2014; neben den zahlreichen<lb/>
stehenden Museen die internationale Ausstellung moderner Werke und die<lb/>
alten Gemälde aus Privatbesitz &#x2014; daß der Fremde den Eindruck gewinnt,<lb/>
diese ganze menschliche Niederlassung sei nur der Rahmen für Genüsse des<lb/>
Gesichtssinnes. Vollends als die Buden der Dult auch Straßen und Plätze<lb/>
mit buntem Kram erfüllten &#x2014; und Spötter wollten manche Nummer der<lb/>
großen Ausstellung hierher versetzt haben &#x2014; schien Alles in Schaulust auf-<lb/>
zugehn. Erst wer die Maximiliansstraße entlang wandelnd aus dem seit<lb/>
Wochen eleusinisch verschlossenen Opernhause die zähen Es-Dur-Akkorde der<lb/>
Ouvertüre zu Wagner's Rheingold hervordringen hörte, ward inne, daß in<lb/>
diesem beglückten Volke noch eine andere Kunst Wohnung hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1142"> Für eine internationale Ausstellung ist München unstreitig ein guter<lb/>
Platz. Die halbwegs centrale Lage zwischen Berlin, Wien, Paris und Flo¬<lb/>
renz erleichtert den Dingen wie den Menschen die Reise, und die Stadt be¬<lb/>
sitzt Räume, um lebendige und unlebendige Gäste in Fülle zu beherbergen<lb/>
Dem kühnen Unternehmen dieses Jahres konnte allerdings nur das größte<lb/>
Gebäude genügen. Ein Glaspalast ist nun nicht gerade das ideale Gallerie-<lb/>
lokal; indeß das Comite' hat die störende Wirkung des breiten Oberlichtes<lb/>
mit Benutzung früherer Erfahrungen recht geschickt gedämpft, und ein Vor¬<lb/>
theil ist, daß auch bei trüben Tagen, wie sie zu Anfang August s» häufig<lb/>
waren, die meisten Säle hier hinreichende Helle hatten, während in den übri¬<lb/>
gen Ausstellungsgebäuden der Stadt arge Finsterniß herrschte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1143"> Das Arrangement des Transepts, in den man zuerst eintritt, gibt ein<lb/>
recht gutes, wenn auch etwas nüchternes Bild. Die geschmackvollen reichen<lb/>
Draperien, mit denen man in Paris oder London solchen Räumen behag¬<lb/>
lichen Schmuck verleiht, finden wir nicht; dafür erfreuen die sprudelnden<lb/>
Springbrunnen um so mehr. Sie wirken doppelt wohlthätig, indem sie die<lb/>
Luft frisch halten und zugleich ein Geräusch erzeugen, das die dumpfe Stille<lb/>
oder das verworrene Summen der Unterhaltung beseitigt und dadurch den<lb/>
beschauenden Wanderer sich selbst zurückgibt.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 18K9. 46</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0369] Die Malerei auf der internationalen Gunstausstellung in München. Während dieser Mittsommerwochen sind in der bairischen Hauptstadt so massenhafte Produkte bildender Kunst versammelt — neben den zahlreichen stehenden Museen die internationale Ausstellung moderner Werke und die alten Gemälde aus Privatbesitz — daß der Fremde den Eindruck gewinnt, diese ganze menschliche Niederlassung sei nur der Rahmen für Genüsse des Gesichtssinnes. Vollends als die Buden der Dult auch Straßen und Plätze mit buntem Kram erfüllten — und Spötter wollten manche Nummer der großen Ausstellung hierher versetzt haben — schien Alles in Schaulust auf- zugehn. Erst wer die Maximiliansstraße entlang wandelnd aus dem seit Wochen eleusinisch verschlossenen Opernhause die zähen Es-Dur-Akkorde der Ouvertüre zu Wagner's Rheingold hervordringen hörte, ward inne, daß in diesem beglückten Volke noch eine andere Kunst Wohnung hat. Für eine internationale Ausstellung ist München unstreitig ein guter Platz. Die halbwegs centrale Lage zwischen Berlin, Wien, Paris und Flo¬ renz erleichtert den Dingen wie den Menschen die Reise, und die Stadt be¬ sitzt Räume, um lebendige und unlebendige Gäste in Fülle zu beherbergen Dem kühnen Unternehmen dieses Jahres konnte allerdings nur das größte Gebäude genügen. Ein Glaspalast ist nun nicht gerade das ideale Gallerie- lokal; indeß das Comite' hat die störende Wirkung des breiten Oberlichtes mit Benutzung früherer Erfahrungen recht geschickt gedämpft, und ein Vor¬ theil ist, daß auch bei trüben Tagen, wie sie zu Anfang August s» häufig waren, die meisten Säle hier hinreichende Helle hatten, während in den übri¬ gen Ausstellungsgebäuden der Stadt arge Finsterniß herrschte. Das Arrangement des Transepts, in den man zuerst eintritt, gibt ein recht gutes, wenn auch etwas nüchternes Bild. Die geschmackvollen reichen Draperien, mit denen man in Paris oder London solchen Räumen behag¬ lichen Schmuck verleiht, finden wir nicht; dafür erfreuen die sprudelnden Springbrunnen um so mehr. Sie wirken doppelt wohlthätig, indem sie die Luft frisch halten und zugleich ein Geräusch erzeugen, das die dumpfe Stille oder das verworrene Summen der Unterhaltung beseitigt und dadurch den beschauenden Wanderer sich selbst zurückgibt. Grenzboten III. 18K9. 46

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/369
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/369>, abgerufen am 25.08.2024.