Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.Wendungen, als gegen maßlose Steigerung der Pachtsumme zu schaffen und Wendungen, als gegen maßlose Steigerung der Pachtsumme zu schaffen und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0367" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121588"/> <p xml:id="ID_1138" prev="#ID_1137" next="#ID_1139"> Wendungen, als gegen maßlose Steigerung der Pachtsumme zu schaffen und<lb/> namentlich den Abschluß von Verträgen auf längere Termine obligatorisch zu<lb/> machen. Daß die agrarische Frage in Irland bis heute ungelöst geblieben<lb/> ist, legt ihrer Lösung größere Schwierigkeiten in den Weg, als zu einer an¬<lb/> deren Periode obgewaltet hätten. John Stuart Mill's im Winter 1867<lb/> auf 1868 gemachte Vorschläge zu einer gewaltsamen Expropriation der<lb/> Grundbesitzer, welche nach einem durch Parlamentscommisfarien festzusetzenden<lb/> Maßstabe entschädigt werden sollen, ist ohne jede Aussicht auf Annahme.<lb/> Einmal ist der Begriff des Eigenthums in England viel zu stark entwickelt,<lb/> als daß eine Maßregel so gewaltsamer Natur in Irland ebenso leicht durch¬<lb/> geführt werden könnte, wie in Litthauen oder Polen, wo Expropriationen<lb/> dieser Art im größten Maßstabe und zwar ohne irgend entsprechende Ent¬<lb/> schädigung der Großgrundbesitzer stattgefunden haben; ein zweiter, mindestens<lb/> ebenso gewichtiger Grund liegt in der Natur des englischen wirthschaftlichen<lb/> Lebens und seiner gegenwärtigen Phase. Ablösungen dieser Art sind höchstens<lb/> in der Periode der Naturalwirthschaft ohne Erschütterung des gesammten<lb/> ökonomischen Lebens einer Nation möglich, — nicht aber, wo man bereits<lb/> tief in der Geld - und Creditwirthschaft steckt und jede Störung der Eigen¬<lb/> thumsverhältnisse auf die weitesten Kreise zurückwirkt, neben den Grundbesitzern<lb/> noch deren hypothekarische Gläubiger bedroht werden. Dazu kommt noch,<lb/> daß das rechtliche Verhältniß der irischen Bauern zu dem von ihnen bebauten<lb/> Grund und Boden das directe Gegentheil der analogen deutschen Verhält¬<lb/> nisse ist und Mill's Vergleich seiner Vorschläge mit den Stein-Hardenbecg-<lb/> schen Reformen von vollständig falschen Voraussetzungen ausging. In<lb/> Deutschland wurde der Grund und Boden rechtlich als ein Eigenthum des<lb/> Hintersassen angesehen, das nur zu Gunsten des Herrn belastet war —- nach der<lb/> in Irland bestehenden Rechtssiction ist das Land Eigenthum der Herren, die<lb/> es den Pächtern freiwillig gegen ein Aequivalent überlassen. Von einer<lb/> Ablösung der auf dem bäuerlichen Boden haftenden Lasten kann in Irland<lb/> mithin nicht die Rede sein, es würde sich um einen directen, im Namen der<lb/> Staatsraison unternommenen Eingriff in anerkannte Eigenthumsverhältnisse<lb/> handeln. Diese Rolle hat die Staatsraison in England nie gespielt und es ist<lb/> mehr als unwahrscheinlich, daß sie es grade in Irland zu einer solchen bringen<lb/> werde. — In dem Vaterlande des von Lord Canes gefundenen sogenannten<lb/> schottischen Entschädigungssystems wird man um die Mittel zwar nicht ver¬<lb/> legen sein, die irische Agrarfrage auch ohne Schädigung des Eigenthumsrechts<lb/> durch Reform des Pachtsystems zu lösen, aber es fragt sich, ob damit den<lb/> durch lange Versäumniß hinaufgeschraubten Ansprüchen des irischen Bauern¬<lb/> standes genug gethan und den fenischen Umtrieben wirklich die Spitze abge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0367]
Wendungen, als gegen maßlose Steigerung der Pachtsumme zu schaffen und
namentlich den Abschluß von Verträgen auf längere Termine obligatorisch zu
machen. Daß die agrarische Frage in Irland bis heute ungelöst geblieben
ist, legt ihrer Lösung größere Schwierigkeiten in den Weg, als zu einer an¬
deren Periode obgewaltet hätten. John Stuart Mill's im Winter 1867
auf 1868 gemachte Vorschläge zu einer gewaltsamen Expropriation der
Grundbesitzer, welche nach einem durch Parlamentscommisfarien festzusetzenden
Maßstabe entschädigt werden sollen, ist ohne jede Aussicht auf Annahme.
Einmal ist der Begriff des Eigenthums in England viel zu stark entwickelt,
als daß eine Maßregel so gewaltsamer Natur in Irland ebenso leicht durch¬
geführt werden könnte, wie in Litthauen oder Polen, wo Expropriationen
dieser Art im größten Maßstabe und zwar ohne irgend entsprechende Ent¬
schädigung der Großgrundbesitzer stattgefunden haben; ein zweiter, mindestens
ebenso gewichtiger Grund liegt in der Natur des englischen wirthschaftlichen
Lebens und seiner gegenwärtigen Phase. Ablösungen dieser Art sind höchstens
in der Periode der Naturalwirthschaft ohne Erschütterung des gesammten
ökonomischen Lebens einer Nation möglich, — nicht aber, wo man bereits
tief in der Geld - und Creditwirthschaft steckt und jede Störung der Eigen¬
thumsverhältnisse auf die weitesten Kreise zurückwirkt, neben den Grundbesitzern
noch deren hypothekarische Gläubiger bedroht werden. Dazu kommt noch,
daß das rechtliche Verhältniß der irischen Bauern zu dem von ihnen bebauten
Grund und Boden das directe Gegentheil der analogen deutschen Verhält¬
nisse ist und Mill's Vergleich seiner Vorschläge mit den Stein-Hardenbecg-
schen Reformen von vollständig falschen Voraussetzungen ausging. In
Deutschland wurde der Grund und Boden rechtlich als ein Eigenthum des
Hintersassen angesehen, das nur zu Gunsten des Herrn belastet war —- nach der
in Irland bestehenden Rechtssiction ist das Land Eigenthum der Herren, die
es den Pächtern freiwillig gegen ein Aequivalent überlassen. Von einer
Ablösung der auf dem bäuerlichen Boden haftenden Lasten kann in Irland
mithin nicht die Rede sein, es würde sich um einen directen, im Namen der
Staatsraison unternommenen Eingriff in anerkannte Eigenthumsverhältnisse
handeln. Diese Rolle hat die Staatsraison in England nie gespielt und es ist
mehr als unwahrscheinlich, daß sie es grade in Irland zu einer solchen bringen
werde. — In dem Vaterlande des von Lord Canes gefundenen sogenannten
schottischen Entschädigungssystems wird man um die Mittel zwar nicht ver¬
legen sein, die irische Agrarfrage auch ohne Schädigung des Eigenthumsrechts
durch Reform des Pachtsystems zu lösen, aber es fragt sich, ob damit den
durch lange Versäumniß hinaufgeschraubten Ansprüchen des irischen Bauern¬
standes genug gethan und den fenischen Umtrieben wirklich die Spitze abge-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |