Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.von Zeitungslesern nothwendig waren. In fünfzig Jahren wird man es für Für die inneren Verhältnisse der östreichischen Monarchie ist Graf Beust von Zeitungslesern nothwendig waren. In fünfzig Jahren wird man es für Für die inneren Verhältnisse der östreichischen Monarchie ist Graf Beust <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0359" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121580"/> <p xml:id="ID_1122" prev="#ID_1121"> von Zeitungslesern nothwendig waren. In fünfzig Jahren wird man es für<lb/> eine Fabel halten, daß diese Art von particularistischer Geschichtsmacherei<lb/> auch nur selbst an die Möglichkeit glauben konnte, ein Publicum von Ab¬<lb/> nehmern zu finden. — Dieser Episode sind endlich die Depeschen vom 4. und<lb/> 13. August gefolgt, mit denen Herr v. Thile und Graf Beust die periodische<lb/> Presse für Wochen beschäftigt haben. Wie es bei Auseinandersetzungen dieser<lb/> Art gewöhnlich ist, so hat auch im vorliegenden Fall die Frage, von der man<lb/> eigentlich ausging, aufgehört, den Mittelpunkt und Hauptgegenstand des<lb/> Streits zu bilden, die Frage nämlich, ob Thatsachen vorlagen, die den k. k.<lb/> Reichskanzler zu der Klage über preußische Abweisung seiner Annäherungs¬<lb/> versuche berechtigten. Nachdem die Berliner vsficiöse Presse den Grafen Beust<lb/> wiederholt und deutlich zum Beweise seiner gegen Preußen gerichteten An¬<lb/> klagen aufgefordert hatte, war die Wiederholung dieser Forderung durch eine<lb/> förmliche Depesche eigentlich nicht mehr nöthig. Ja es fragt sich, ob der Ein¬<lb/> druck, den die erste Dementirung der Beustschen Angaben gemacht hat, nicht<lb/> ohne die Depesche nachhaltiger gewesen wäre. Diese Depesche hat der Wiener<lb/> Artikel- und Depeschen-Fabrik die Gelegenheit geboten, die Sache auf ein an¬<lb/> deres Gebiet hinüberzuspielen und den einfachen und unleugbaren Thatbestand<lb/> zu verwirren. Immerhin ist der k. k. Reichskanzler dem Auslande wie der<lb/> heimischen Opposition und den Ungarn gegenüber in ein« wenig beneidens-<lb/> werthe Lage gerathen und dem Glauben an seine diplomatische Tactfestig¬<lb/> keit ein neues Loch geschlagen worden. Bei der Mehrzahl der europäischen Höfe,<lb/> in London, Berlin, Petersburg, Brüssel u. f. w. hatte dieser Staatsmann<lb/> freilich nichts mehr zu verderben, und es fragt sich, ob seine Haltung in der<lb/> belgischen Eisenbahnangelegenheit auch nur den Respect des Pariser Cabinets<lb/> vor der Hofburg erhöht hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1123" next="#ID_1124"> Für die inneren Verhältnisse der östreichischen Monarchie ist Graf Beust<lb/> freilich nach wie vor unentbehrlich geblieben und die neuesten Delegations¬<lb/> verhandlungen haben bestätigt, wie dankbar das politische Publicum, mit dem<lb/> er es zunächst zu thun hat, im Großen und Ganzen noch immer ist. Dem<lb/> deutsch-östreichischen Liberalismus ist sein Name mit der konstitutionellen<lb/> Sache einmal identisch und bei all' ihrem Mißtrauen gegen des Grafen aus¬<lb/> wärtige Politik wissen die Ungarn doch, daß ein gleich gefügiger Staatsmann<lb/> westlich von der Leitha nicht so leicht aufzutreiben sein wird. Selbst die<lb/> feindliche Sprache, welche von Bethlens diplomatischer Wochenschrift und von<lb/> den radicalen Pester Oppositionsblättern von Zeit zu Zeit gegen Herrn v. Beust<lb/> geführt wird, macht den Eindruck, als ob es den Sprechern nicht um die Be¬<lb/> seitigung des Reichskanzlers, sondern nur darum zu thun sei, denselben in heil¬<lb/> samer Zucht zu halten. — Von den Forderungen, mit denen das Reichsministe¬<lb/> rium vor die Delegationen getreten ist, sind die wichtigsten bereits bewilligt worden</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0359]
von Zeitungslesern nothwendig waren. In fünfzig Jahren wird man es für
eine Fabel halten, daß diese Art von particularistischer Geschichtsmacherei
auch nur selbst an die Möglichkeit glauben konnte, ein Publicum von Ab¬
nehmern zu finden. — Dieser Episode sind endlich die Depeschen vom 4. und
13. August gefolgt, mit denen Herr v. Thile und Graf Beust die periodische
Presse für Wochen beschäftigt haben. Wie es bei Auseinandersetzungen dieser
Art gewöhnlich ist, so hat auch im vorliegenden Fall die Frage, von der man
eigentlich ausging, aufgehört, den Mittelpunkt und Hauptgegenstand des
Streits zu bilden, die Frage nämlich, ob Thatsachen vorlagen, die den k. k.
Reichskanzler zu der Klage über preußische Abweisung seiner Annäherungs¬
versuche berechtigten. Nachdem die Berliner vsficiöse Presse den Grafen Beust
wiederholt und deutlich zum Beweise seiner gegen Preußen gerichteten An¬
klagen aufgefordert hatte, war die Wiederholung dieser Forderung durch eine
förmliche Depesche eigentlich nicht mehr nöthig. Ja es fragt sich, ob der Ein¬
druck, den die erste Dementirung der Beustschen Angaben gemacht hat, nicht
ohne die Depesche nachhaltiger gewesen wäre. Diese Depesche hat der Wiener
Artikel- und Depeschen-Fabrik die Gelegenheit geboten, die Sache auf ein an¬
deres Gebiet hinüberzuspielen und den einfachen und unleugbaren Thatbestand
zu verwirren. Immerhin ist der k. k. Reichskanzler dem Auslande wie der
heimischen Opposition und den Ungarn gegenüber in ein« wenig beneidens-
werthe Lage gerathen und dem Glauben an seine diplomatische Tactfestig¬
keit ein neues Loch geschlagen worden. Bei der Mehrzahl der europäischen Höfe,
in London, Berlin, Petersburg, Brüssel u. f. w. hatte dieser Staatsmann
freilich nichts mehr zu verderben, und es fragt sich, ob seine Haltung in der
belgischen Eisenbahnangelegenheit auch nur den Respect des Pariser Cabinets
vor der Hofburg erhöht hat.
Für die inneren Verhältnisse der östreichischen Monarchie ist Graf Beust
freilich nach wie vor unentbehrlich geblieben und die neuesten Delegations¬
verhandlungen haben bestätigt, wie dankbar das politische Publicum, mit dem
er es zunächst zu thun hat, im Großen und Ganzen noch immer ist. Dem
deutsch-östreichischen Liberalismus ist sein Name mit der konstitutionellen
Sache einmal identisch und bei all' ihrem Mißtrauen gegen des Grafen aus¬
wärtige Politik wissen die Ungarn doch, daß ein gleich gefügiger Staatsmann
westlich von der Leitha nicht so leicht aufzutreiben sein wird. Selbst die
feindliche Sprache, welche von Bethlens diplomatischer Wochenschrift und von
den radicalen Pester Oppositionsblättern von Zeit zu Zeit gegen Herrn v. Beust
geführt wird, macht den Eindruck, als ob es den Sprechern nicht um die Be¬
seitigung des Reichskanzlers, sondern nur darum zu thun sei, denselben in heil¬
samer Zucht zu halten. — Von den Forderungen, mit denen das Reichsministe¬
rium vor die Delegationen getreten ist, sind die wichtigsten bereits bewilligt worden
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