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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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gunst in Anspruch nehmen werden? Und wenn der Föderalismus dereinst den
Dualismus ablöst, wird das Reich als solches, oder vielmehr der Bund unter
habsburgischen Scepter vereinigter Volksstämme, dann noch soviel wie bis¬
her für den Hafen an der Adria übrig haben?

Die Wirkungen der lange erfahrenen besondern Staatsgunst auf den
Geist Triests sind nicht zu verkennen. Es ist ein Freihafen, aber nicht ein
Freihandelsplatz. Die Freihafenstellung wird dort nicht als der vorab er¬
langte Genuß einer Freiheit, an der einst alle anderen Plätze ebenfalls Theil
haben werden, aufgefaßt, sondern als ein ausschließendes Borrecht. Frei
von Zöllen für ihre Einfuhren, sind die Triestiner Kaufleute doch keine Frei¬
händler, sondern im Grunde ihres Herzens Schutzzöllner. Die alten List'schen
Theorien haben dort noch versteinerte Anhänger. Die Triester Presse jubelte
neulich beinahe laut auf, als der spanische Ministerpräsident Prim aus Rück¬
sicht auf die Catalonier den Zolltarif erhöhte, anstatt ihn angekündigter
Maßen zu erniedrigen. Der Wiener Freihandels-Verein, der seit ein paar
Jahren rühmenswerth thätig ist und den "östreichischen Oekonomist" be¬
gründet hat, besitzt in der einzigen größeren Seehandelsstadt der Monarchie
anscheinend nicht einmal einen Correspondenten. Das spricht sür den, welcher
den Zusammenhang der volkswirthschaftlichen Ideen mit practischem Ver¬
mögen und Erfolg kennt, hurtiger als Bände.

Auch in Trieft also gibt es noch viel zu thun, um eine gedeihliche Zu¬
kunft zu sichern. Zunehmende Emancipation von Unterstützungen, welche
von fremder Gunst abhängen, muß dabei das Hauptaugenmerk bilden. Das
Feld ist nach allen Seiten hin fruchtbar genug; aber nur wer die Werkzeuge
des Jahrhunderts zu handhaben versteht, wird auf ihm von Jahr zu Jahr
reichere Ernten schneiden. Bloße Erweiterungen des bestehenden Apparats,
wie die Ausdehnung der Lloyd-Fahrten bis nach Bombay, sobald der Suez-
Canal eröffnet ist, thun es nicht. Die Hauptsache ist, was der Handels¬
stand selbst aus solchen natürlichen Gelegenheiten macht. Mit Staatsgeld
läßt sich am Ende überall ein künstlicher Verkehr vorübergehend empor¬
zaubern.




Polnischer Monatsbericht.

X

Je länger die Zeit der politischen Ferien in diesem Jahre dauert, desto
fraglicher erscheint, unter welchen Zeichen unsere nationale Arbeit wieder auf¬
genommen werden wird. Die Gefahr einer Störung derselben durch aus-


gunst in Anspruch nehmen werden? Und wenn der Föderalismus dereinst den
Dualismus ablöst, wird das Reich als solches, oder vielmehr der Bund unter
habsburgischen Scepter vereinigter Volksstämme, dann noch soviel wie bis¬
her für den Hafen an der Adria übrig haben?

Die Wirkungen der lange erfahrenen besondern Staatsgunst auf den
Geist Triests sind nicht zu verkennen. Es ist ein Freihafen, aber nicht ein
Freihandelsplatz. Die Freihafenstellung wird dort nicht als der vorab er¬
langte Genuß einer Freiheit, an der einst alle anderen Plätze ebenfalls Theil
haben werden, aufgefaßt, sondern als ein ausschließendes Borrecht. Frei
von Zöllen für ihre Einfuhren, sind die Triestiner Kaufleute doch keine Frei¬
händler, sondern im Grunde ihres Herzens Schutzzöllner. Die alten List'schen
Theorien haben dort noch versteinerte Anhänger. Die Triester Presse jubelte
neulich beinahe laut auf, als der spanische Ministerpräsident Prim aus Rück¬
sicht auf die Catalonier den Zolltarif erhöhte, anstatt ihn angekündigter
Maßen zu erniedrigen. Der Wiener Freihandels-Verein, der seit ein paar
Jahren rühmenswerth thätig ist und den „östreichischen Oekonomist" be¬
gründet hat, besitzt in der einzigen größeren Seehandelsstadt der Monarchie
anscheinend nicht einmal einen Correspondenten. Das spricht sür den, welcher
den Zusammenhang der volkswirthschaftlichen Ideen mit practischem Ver¬
mögen und Erfolg kennt, hurtiger als Bände.

Auch in Trieft also gibt es noch viel zu thun, um eine gedeihliche Zu¬
kunft zu sichern. Zunehmende Emancipation von Unterstützungen, welche
von fremder Gunst abhängen, muß dabei das Hauptaugenmerk bilden. Das
Feld ist nach allen Seiten hin fruchtbar genug; aber nur wer die Werkzeuge
des Jahrhunderts zu handhaben versteht, wird auf ihm von Jahr zu Jahr
reichere Ernten schneiden. Bloße Erweiterungen des bestehenden Apparats,
wie die Ausdehnung der Lloyd-Fahrten bis nach Bombay, sobald der Suez-
Canal eröffnet ist, thun es nicht. Die Hauptsache ist, was der Handels¬
stand selbst aus solchen natürlichen Gelegenheiten macht. Mit Staatsgeld
läßt sich am Ende überall ein künstlicher Verkehr vorübergehend empor¬
zaubern.




Polnischer Monatsbericht.

X

Je länger die Zeit der politischen Ferien in diesem Jahre dauert, desto
fraglicher erscheint, unter welchen Zeichen unsere nationale Arbeit wieder auf¬
genommen werden wird. Die Gefahr einer Störung derselben durch aus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/356>, abgerufen am 22.07.2024.