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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Gebot der gewöhnlichsten politischen Klugheit verbot diese mächtigen Bundes¬
genossen gegen ein Häuslein ohnmächtiger Schönredner zu vertauschen. Go-
luchowski und die übrigen aristokratischen Führer erklärten, lieber ihre Man¬
date niederlegen als die unsinnige Politik mitmachen zu wollen, welcher
Smolka und die übrigen Günstlinge der Lemberger Demokratie das Wort
redeten. Weder hielten sie es für rathsam, mit den letzten polnischen Forde¬
rungen vorzeitig hervorzutreten, noch wollten sie vom Austritt aus dem
Landtage, oder von der revolutionären Demonstrations-Propaganda etwas
wissen, welche ihren im Königreich lebenden Brüdern eine Quelle namen¬
losen Elends geworden war. Zum Aerger der polnisch-demokratischen Jour¬
nale Lembergs zeichnete die Krakauer Kasimirfeier sich durch ihre ruhige ge¬
setzliche Haltung aus und bewirkten die Weißen, daß man sich auch in Posen
ruhig verhielt-, Ob es richtig ist, daß diese Weißen das Verbot der öffent¬
lichen Feier des Lubliner Unionstages durch ihre Pesther Verbindungen be¬
wirkten, mag dahin gestellt bleiben -- Thatsache ist, daß sie derselben mög¬
lichst viele Dämpfer aufgesetzt haben.

Obgleich Smolka die Mehrzahl der von ihm berufenen Volksversamm¬
lungen für sein Programm gewann und verschiedene einflußreiche Deputirte,
die sich dem Austritt aus dem Reichstage widersetzt hatten, zur Niederlegung
ihrer Mandate nöthigte, gab er sich mit diesen Resultaten nicht zufrieden.
Um sich für den bevorstehenden Provinzial - Landtag eine möglichst starke
Majorität zu sichern, that er einen in der polnisch-galizischen Geschichte uner¬
hörten Schritt: er trug den Ruthenen unter Berufung auf die
Solidarität aller demokratischen Interessen ein Bündniß gegen
die aristokratische Partei an und suchte diesem Vorschlag durch Reisen
in verschiedene größere Städte möglichste Verbreitung und Popularität zu
sichern. Der Tag der Union von Ludim sollte den Charakter eines polnisch-
ruthenischen Verbrüderungsfestes gewinnen, die Grundlage für eine neue
Union der beiden durch uralten Haß entzweiten slavischen Völker abgeben.

Dieser von blinder Parteileidenschaft eingegebene Plan ist schon gegen¬
wärtig als vollständig gescheitert anzusehen. Die großrussische Ruthenen-
partei. welche wohl weiß, daß der bloße Schein einer Aussöhnung mit dem
polnischen Element, ihr alle Sympathien der einflußreichen Petersburger
und Moskaner Gönner kosten würde, hat Smolka's Vorschläge höhnisch als
Fallen zurückgewiesen und sich mit aller Schroffheit auf den national-russi¬
schen Standpunkt gestellt. Das Journal "Slowo" erklärte, daß alle polnisch¬
russischen Differenzen im Princip bereits ausgeglichen seien, indem Rußland
den ehemaligen polnischen Staat bis auf einen kleinen Rest verschlungen
habe, -- dessen zu geschweigen, daß die preußisch-polnischen Länder so gut
wie germanisirt seien. Eine andere Lösung der polnischen Frage gebe es gar


Gebot der gewöhnlichsten politischen Klugheit verbot diese mächtigen Bundes¬
genossen gegen ein Häuslein ohnmächtiger Schönredner zu vertauschen. Go-
luchowski und die übrigen aristokratischen Führer erklärten, lieber ihre Man¬
date niederlegen als die unsinnige Politik mitmachen zu wollen, welcher
Smolka und die übrigen Günstlinge der Lemberger Demokratie das Wort
redeten. Weder hielten sie es für rathsam, mit den letzten polnischen Forde¬
rungen vorzeitig hervorzutreten, noch wollten sie vom Austritt aus dem
Landtage, oder von der revolutionären Demonstrations-Propaganda etwas
wissen, welche ihren im Königreich lebenden Brüdern eine Quelle namen¬
losen Elends geworden war. Zum Aerger der polnisch-demokratischen Jour¬
nale Lembergs zeichnete die Krakauer Kasimirfeier sich durch ihre ruhige ge¬
setzliche Haltung aus und bewirkten die Weißen, daß man sich auch in Posen
ruhig verhielt-, Ob es richtig ist, daß diese Weißen das Verbot der öffent¬
lichen Feier des Lubliner Unionstages durch ihre Pesther Verbindungen be¬
wirkten, mag dahin gestellt bleiben — Thatsache ist, daß sie derselben mög¬
lichst viele Dämpfer aufgesetzt haben.

Obgleich Smolka die Mehrzahl der von ihm berufenen Volksversamm¬
lungen für sein Programm gewann und verschiedene einflußreiche Deputirte,
die sich dem Austritt aus dem Reichstage widersetzt hatten, zur Niederlegung
ihrer Mandate nöthigte, gab er sich mit diesen Resultaten nicht zufrieden.
Um sich für den bevorstehenden Provinzial - Landtag eine möglichst starke
Majorität zu sichern, that er einen in der polnisch-galizischen Geschichte uner¬
hörten Schritt: er trug den Ruthenen unter Berufung auf die
Solidarität aller demokratischen Interessen ein Bündniß gegen
die aristokratische Partei an und suchte diesem Vorschlag durch Reisen
in verschiedene größere Städte möglichste Verbreitung und Popularität zu
sichern. Der Tag der Union von Ludim sollte den Charakter eines polnisch-
ruthenischen Verbrüderungsfestes gewinnen, die Grundlage für eine neue
Union der beiden durch uralten Haß entzweiten slavischen Völker abgeben.

Dieser von blinder Parteileidenschaft eingegebene Plan ist schon gegen¬
wärtig als vollständig gescheitert anzusehen. Die großrussische Ruthenen-
partei. welche wohl weiß, daß der bloße Schein einer Aussöhnung mit dem
polnischen Element, ihr alle Sympathien der einflußreichen Petersburger
und Moskaner Gönner kosten würde, hat Smolka's Vorschläge höhnisch als
Fallen zurückgewiesen und sich mit aller Schroffheit auf den national-russi¬
schen Standpunkt gestellt. Das Journal „Slowo" erklärte, daß alle polnisch¬
russischen Differenzen im Princip bereits ausgeglichen seien, indem Rußland
den ehemaligen polnischen Staat bis auf einen kleinen Rest verschlungen
habe, — dessen zu geschweigen, daß die preußisch-polnischen Länder so gut
wie germanisirt seien. Eine andere Lösung der polnischen Frage gebe es gar


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[0350] Gebot der gewöhnlichsten politischen Klugheit verbot diese mächtigen Bundes¬ genossen gegen ein Häuslein ohnmächtiger Schönredner zu vertauschen. Go- luchowski und die übrigen aristokratischen Führer erklärten, lieber ihre Man¬ date niederlegen als die unsinnige Politik mitmachen zu wollen, welcher Smolka und die übrigen Günstlinge der Lemberger Demokratie das Wort redeten. Weder hielten sie es für rathsam, mit den letzten polnischen Forde¬ rungen vorzeitig hervorzutreten, noch wollten sie vom Austritt aus dem Landtage, oder von der revolutionären Demonstrations-Propaganda etwas wissen, welche ihren im Königreich lebenden Brüdern eine Quelle namen¬ losen Elends geworden war. Zum Aerger der polnisch-demokratischen Jour¬ nale Lembergs zeichnete die Krakauer Kasimirfeier sich durch ihre ruhige ge¬ setzliche Haltung aus und bewirkten die Weißen, daß man sich auch in Posen ruhig verhielt-, Ob es richtig ist, daß diese Weißen das Verbot der öffent¬ lichen Feier des Lubliner Unionstages durch ihre Pesther Verbindungen be¬ wirkten, mag dahin gestellt bleiben — Thatsache ist, daß sie derselben mög¬ lichst viele Dämpfer aufgesetzt haben. Obgleich Smolka die Mehrzahl der von ihm berufenen Volksversamm¬ lungen für sein Programm gewann und verschiedene einflußreiche Deputirte, die sich dem Austritt aus dem Reichstage widersetzt hatten, zur Niederlegung ihrer Mandate nöthigte, gab er sich mit diesen Resultaten nicht zufrieden. Um sich für den bevorstehenden Provinzial - Landtag eine möglichst starke Majorität zu sichern, that er einen in der polnisch-galizischen Geschichte uner¬ hörten Schritt: er trug den Ruthenen unter Berufung auf die Solidarität aller demokratischen Interessen ein Bündniß gegen die aristokratische Partei an und suchte diesem Vorschlag durch Reisen in verschiedene größere Städte möglichste Verbreitung und Popularität zu sichern. Der Tag der Union von Ludim sollte den Charakter eines polnisch- ruthenischen Verbrüderungsfestes gewinnen, die Grundlage für eine neue Union der beiden durch uralten Haß entzweiten slavischen Völker abgeben. Dieser von blinder Parteileidenschaft eingegebene Plan ist schon gegen¬ wärtig als vollständig gescheitert anzusehen. Die großrussische Ruthenen- partei. welche wohl weiß, daß der bloße Schein einer Aussöhnung mit dem polnischen Element, ihr alle Sympathien der einflußreichen Petersburger und Moskaner Gönner kosten würde, hat Smolka's Vorschläge höhnisch als Fallen zurückgewiesen und sich mit aller Schroffheit auf den national-russi¬ schen Standpunkt gestellt. Das Journal „Slowo" erklärte, daß alle polnisch¬ russischen Differenzen im Princip bereits ausgeglichen seien, indem Rußland den ehemaligen polnischen Staat bis auf einen kleinen Rest verschlungen habe, — dessen zu geschweigen, daß die preußisch-polnischen Länder so gut wie germanisirt seien. Eine andere Lösung der polnischen Frage gebe es gar

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/350>, abgerufen am 22.07.2024.