Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

menwirten mit Waldeck möglich wurde. Die kräftige Reorganisation der
obersten Verwaltung war verhältnißmäßig leicht. Es kam hier nur darauf
an-, alle Fäden im Cabinet des Kurfürsten zu concentriren und an die Stelle
des alten schwerfälligen und zersplitterten Mechanismus das persönliche Re¬
giment des Herrschers zu setzen. Ein ehrgeiziger Staatsmann gewöhnlichen
Schlages würde andere Mittel ergriffen haben, um seinen eigenen Einfluß
zu sichern. Waldeck erkannte mit sicherem Tacte, daß ein Mann von der
Geistes- und Charaktergröße des Kurfürsten sich wohl berathen, nicht aber
beherrschen lasse. Den Kurfürsten von den Geschäften fern zu halten, wäre
vergebliches Bemühen gewesen. Für ein Coulissenregiment war an diesem
Hofe kein Platz, der Kurfürst wollte regieren, und ein Minister, der zu seiner
eigenen Einsicht Vertrauen hatte, konnte nichts Besseres thun, als alle Hinder¬
nisse, die dem Fürsten das Regieren erschwerten, aus dem Wege zu räumen.

Nachdem so Waldeck's persönliche Verhältnisse, wenigstens vorläufig, im
Ganzen befriedigend geordnet waren, trat er dem schwierigsten Theil seiner
Aufgabe, der Neugestaltung der Verwaltung durch alle Kreise des Beamten-
thums und der Verbesserung des arg zerrütteten Finanzwesens näher. Welcher
Art seiner Entwürfe waren, müssen wir hier übergehen, wie wir auch auf
die trefflichen Bemerkungen des Verfassers über das preußische Beamtenthum
hier nicht eingehen können; es genügt hier zu bemerken, daß Waldeck's Be¬
strebungen scheiterten. Die Reorganisation der Verwaltung hatte den Ent¬
scheidungskampf mit den Ständen zur Voraussetzung. Diesen aber in allen
Theilen des Staates aufzunehmen, war noch nicht an der Zeit, die Be¬
seitigung der ständischen Libertät. die Gründung der landesherrlichen Sou-
veränetät auf festen Grundlagen blieb einer Periode vorbehalten, in der
Waldeck den Dienst des Kurfürsten bereits verlassen hatte.

Vor Allem kam es dem Kurfürsten, wie. auch dem Grafen darauf an,
die zur Vermehrung des Heeresstandes unerläßlichen Steuern aufzubringen;
aber grade diesen Wünschen zeigten sich die märkischen Stände sehr abhold,
und auch die Staatsmänner der alten Schule, wie der treffliche Schwerin,
wollte.von Großmachtspolitik Nichts wissen. Während Walbeck auf eine
Steigerung der Einnahmen dringt, verlangt Schwerin Verminderung der
Ausgaben, die er vor Allem durch eine Verkürzung des Etats für die aus¬
wärtigen Angelegenheiten zu erzielen wünschte. Aber gerade in diesem Punkt
war Waldeck am wenigsten geneigt nachzugeben, da er bei seinen großen
Entwürfen auf eine reichliche Ausstattung des diplomatischen Ressorts das
allergrößte Gewicht legre. Die beiden Richtungen, die abwechselnd Preußens
Geschichte beherrscht haben, stoßen gleich hier so scharf wie möglich auf ein-'
ander, der Geist bescheidener Selbstbeschränkung, der noch in unserer Zeit
es als seine Aufgabe ansah. Preußen den Großmachtskitzel auszutreiben,


menwirten mit Waldeck möglich wurde. Die kräftige Reorganisation der
obersten Verwaltung war verhältnißmäßig leicht. Es kam hier nur darauf
an-, alle Fäden im Cabinet des Kurfürsten zu concentriren und an die Stelle
des alten schwerfälligen und zersplitterten Mechanismus das persönliche Re¬
giment des Herrschers zu setzen. Ein ehrgeiziger Staatsmann gewöhnlichen
Schlages würde andere Mittel ergriffen haben, um seinen eigenen Einfluß
zu sichern. Waldeck erkannte mit sicherem Tacte, daß ein Mann von der
Geistes- und Charaktergröße des Kurfürsten sich wohl berathen, nicht aber
beherrschen lasse. Den Kurfürsten von den Geschäften fern zu halten, wäre
vergebliches Bemühen gewesen. Für ein Coulissenregiment war an diesem
Hofe kein Platz, der Kurfürst wollte regieren, und ein Minister, der zu seiner
eigenen Einsicht Vertrauen hatte, konnte nichts Besseres thun, als alle Hinder¬
nisse, die dem Fürsten das Regieren erschwerten, aus dem Wege zu räumen.

Nachdem so Waldeck's persönliche Verhältnisse, wenigstens vorläufig, im
Ganzen befriedigend geordnet waren, trat er dem schwierigsten Theil seiner
Aufgabe, der Neugestaltung der Verwaltung durch alle Kreise des Beamten-
thums und der Verbesserung des arg zerrütteten Finanzwesens näher. Welcher
Art seiner Entwürfe waren, müssen wir hier übergehen, wie wir auch auf
die trefflichen Bemerkungen des Verfassers über das preußische Beamtenthum
hier nicht eingehen können; es genügt hier zu bemerken, daß Waldeck's Be¬
strebungen scheiterten. Die Reorganisation der Verwaltung hatte den Ent¬
scheidungskampf mit den Ständen zur Voraussetzung. Diesen aber in allen
Theilen des Staates aufzunehmen, war noch nicht an der Zeit, die Be¬
seitigung der ständischen Libertät. die Gründung der landesherrlichen Sou-
veränetät auf festen Grundlagen blieb einer Periode vorbehalten, in der
Waldeck den Dienst des Kurfürsten bereits verlassen hatte.

Vor Allem kam es dem Kurfürsten, wie. auch dem Grafen darauf an,
die zur Vermehrung des Heeresstandes unerläßlichen Steuern aufzubringen;
aber grade diesen Wünschen zeigten sich die märkischen Stände sehr abhold,
und auch die Staatsmänner der alten Schule, wie der treffliche Schwerin,
wollte.von Großmachtspolitik Nichts wissen. Während Walbeck auf eine
Steigerung der Einnahmen dringt, verlangt Schwerin Verminderung der
Ausgaben, die er vor Allem durch eine Verkürzung des Etats für die aus¬
wärtigen Angelegenheiten zu erzielen wünschte. Aber gerade in diesem Punkt
war Waldeck am wenigsten geneigt nachzugeben, da er bei seinen großen
Entwürfen auf eine reichliche Ausstattung des diplomatischen Ressorts das
allergrößte Gewicht legre. Die beiden Richtungen, die abwechselnd Preußens
Geschichte beherrscht haben, stoßen gleich hier so scharf wie möglich auf ein-'
ander, der Geist bescheidener Selbstbeschränkung, der noch in unserer Zeit
es als seine Aufgabe ansah. Preußen den Großmachtskitzel auszutreiben,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0335" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121556"/>
          <p xml:id="ID_1054" prev="#ID_1053"> menwirten mit Waldeck möglich wurde. Die kräftige Reorganisation der<lb/>
obersten Verwaltung war verhältnißmäßig leicht. Es kam hier nur darauf<lb/>
an-, alle Fäden im Cabinet des Kurfürsten zu concentriren und an die Stelle<lb/>
des alten schwerfälligen und zersplitterten Mechanismus das persönliche Re¬<lb/>
giment des Herrschers zu setzen. Ein ehrgeiziger Staatsmann gewöhnlichen<lb/>
Schlages würde andere Mittel ergriffen haben, um seinen eigenen Einfluß<lb/>
zu sichern. Waldeck erkannte mit sicherem Tacte, daß ein Mann von der<lb/>
Geistes- und Charaktergröße des Kurfürsten sich wohl berathen, nicht aber<lb/>
beherrschen lasse. Den Kurfürsten von den Geschäften fern zu halten, wäre<lb/>
vergebliches Bemühen gewesen. Für ein Coulissenregiment war an diesem<lb/>
Hofe kein Platz, der Kurfürst wollte regieren, und ein Minister, der zu seiner<lb/>
eigenen Einsicht Vertrauen hatte, konnte nichts Besseres thun, als alle Hinder¬<lb/>
nisse, die dem Fürsten das Regieren erschwerten, aus dem Wege zu räumen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1055"> Nachdem so Waldeck's persönliche Verhältnisse, wenigstens vorläufig, im<lb/>
Ganzen befriedigend geordnet waren, trat er dem schwierigsten Theil seiner<lb/>
Aufgabe, der Neugestaltung der Verwaltung durch alle Kreise des Beamten-<lb/>
thums und der Verbesserung des arg zerrütteten Finanzwesens näher. Welcher<lb/>
Art seiner Entwürfe waren, müssen wir hier übergehen, wie wir auch auf<lb/>
die trefflichen Bemerkungen des Verfassers über das preußische Beamtenthum<lb/>
hier nicht eingehen können; es genügt hier zu bemerken, daß Waldeck's Be¬<lb/>
strebungen scheiterten. Die Reorganisation der Verwaltung hatte den Ent¬<lb/>
scheidungskampf mit den Ständen zur Voraussetzung. Diesen aber in allen<lb/>
Theilen des Staates aufzunehmen, war noch nicht an der Zeit, die Be¬<lb/>
seitigung der ständischen Libertät. die Gründung der landesherrlichen Sou-<lb/>
veränetät auf festen Grundlagen blieb einer Periode vorbehalten, in der<lb/>
Waldeck den Dienst des Kurfürsten bereits verlassen hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1056" next="#ID_1057"> Vor Allem kam es dem Kurfürsten, wie. auch dem Grafen darauf an,<lb/>
die zur Vermehrung des Heeresstandes unerläßlichen Steuern aufzubringen;<lb/>
aber grade diesen Wünschen zeigten sich die märkischen Stände sehr abhold,<lb/>
und auch die Staatsmänner der alten Schule, wie der treffliche Schwerin,<lb/>
wollte.von Großmachtspolitik Nichts wissen. Während Walbeck auf eine<lb/>
Steigerung der Einnahmen dringt, verlangt Schwerin Verminderung der<lb/>
Ausgaben, die er vor Allem durch eine Verkürzung des Etats für die aus¬<lb/>
wärtigen Angelegenheiten zu erzielen wünschte. Aber gerade in diesem Punkt<lb/>
war Waldeck am wenigsten geneigt nachzugeben, da er bei seinen großen<lb/>
Entwürfen auf eine reichliche Ausstattung des diplomatischen Ressorts das<lb/>
allergrößte Gewicht legre. Die beiden Richtungen, die abwechselnd Preußens<lb/>
Geschichte beherrscht haben, stoßen gleich hier so scharf wie möglich auf ein-'<lb/>
ander, der Geist bescheidener Selbstbeschränkung, der noch in unserer Zeit<lb/>
es als seine Aufgabe ansah. Preußen den Großmachtskitzel auszutreiben,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0335] menwirten mit Waldeck möglich wurde. Die kräftige Reorganisation der obersten Verwaltung war verhältnißmäßig leicht. Es kam hier nur darauf an-, alle Fäden im Cabinet des Kurfürsten zu concentriren und an die Stelle des alten schwerfälligen und zersplitterten Mechanismus das persönliche Re¬ giment des Herrschers zu setzen. Ein ehrgeiziger Staatsmann gewöhnlichen Schlages würde andere Mittel ergriffen haben, um seinen eigenen Einfluß zu sichern. Waldeck erkannte mit sicherem Tacte, daß ein Mann von der Geistes- und Charaktergröße des Kurfürsten sich wohl berathen, nicht aber beherrschen lasse. Den Kurfürsten von den Geschäften fern zu halten, wäre vergebliches Bemühen gewesen. Für ein Coulissenregiment war an diesem Hofe kein Platz, der Kurfürst wollte regieren, und ein Minister, der zu seiner eigenen Einsicht Vertrauen hatte, konnte nichts Besseres thun, als alle Hinder¬ nisse, die dem Fürsten das Regieren erschwerten, aus dem Wege zu räumen. Nachdem so Waldeck's persönliche Verhältnisse, wenigstens vorläufig, im Ganzen befriedigend geordnet waren, trat er dem schwierigsten Theil seiner Aufgabe, der Neugestaltung der Verwaltung durch alle Kreise des Beamten- thums und der Verbesserung des arg zerrütteten Finanzwesens näher. Welcher Art seiner Entwürfe waren, müssen wir hier übergehen, wie wir auch auf die trefflichen Bemerkungen des Verfassers über das preußische Beamtenthum hier nicht eingehen können; es genügt hier zu bemerken, daß Waldeck's Be¬ strebungen scheiterten. Die Reorganisation der Verwaltung hatte den Ent¬ scheidungskampf mit den Ständen zur Voraussetzung. Diesen aber in allen Theilen des Staates aufzunehmen, war noch nicht an der Zeit, die Be¬ seitigung der ständischen Libertät. die Gründung der landesherrlichen Sou- veränetät auf festen Grundlagen blieb einer Periode vorbehalten, in der Waldeck den Dienst des Kurfürsten bereits verlassen hatte. Vor Allem kam es dem Kurfürsten, wie. auch dem Grafen darauf an, die zur Vermehrung des Heeresstandes unerläßlichen Steuern aufzubringen; aber grade diesen Wünschen zeigten sich die märkischen Stände sehr abhold, und auch die Staatsmänner der alten Schule, wie der treffliche Schwerin, wollte.von Großmachtspolitik Nichts wissen. Während Walbeck auf eine Steigerung der Einnahmen dringt, verlangt Schwerin Verminderung der Ausgaben, die er vor Allem durch eine Verkürzung des Etats für die aus¬ wärtigen Angelegenheiten zu erzielen wünschte. Aber gerade in diesem Punkt war Waldeck am wenigsten geneigt nachzugeben, da er bei seinen großen Entwürfen auf eine reichliche Ausstattung des diplomatischen Ressorts das allergrößte Gewicht legre. Die beiden Richtungen, die abwechselnd Preußens Geschichte beherrscht haben, stoßen gleich hier so scharf wie möglich auf ein-' ander, der Geist bescheidener Selbstbeschränkung, der noch in unserer Zeit es als seine Aufgabe ansah. Preußen den Großmachtskitzel auszutreiben,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/335
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/335>, abgerufen am 23.07.2024.