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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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er halblaut "Mr. Thunder" rief. "Mr. Thunder! Mr. Thunder!" scholl es
gleich aus einem Haufen Kehlen. Ein anderer Haufe rief "Mr. Grumley!
Mr. Grumley!" und es entstand ein Streit darüber, wem von den beiden
das Wort gebühre. Grumley trat den Vorsitz an MMurrough ab und
stieg in die Arena nieder. Er sah würdig aus, wie er unweit vom westlichen
Ende des Tisches Posten faßte, die linke Hand auf den Rücken legte und
die rechte entschlossen zwischen Herz und Weste steckte. Und also hub er an:

"Mr. Vorsitzer und Gentlemen! Ich habe eine Mittheilung zu machen.
Drei unserer ältesten Collegen sind -- (Ein Mitglied: "todt?") -- todt,
fürchte ich, für Se. Stephen's-in-the-East. Mr. Weebody, Mr. Littletoe
und Mr. Piper sind entschlossen, sich vom öffentlichen Leben zurückzuziehen
und den Grauen Hof an Samstagabenden zu meiden. Jüngere Genies
werden Ihnen ohne Zweifel Ersatz bieten (Nein! Nein). Hoffentlich wird
die Entmuthigung unter unsern erprobten Mitgliedern nicht um sich grei¬
fen. Während der letzten Sitzungen ging in diesem Hause ein Geist
um, der uns altmodische Patnoten wohl verscheuchen kann. Der leb¬
hafte Redner, der eine sehr theatralische Stellung am Kamin einnimmt, --
(O'Brien ist einen Augenblick ausgestanden und lehnt mit dem Arm nach¬
lässig auf dem Einhorn) ist römisch-katholisch;*) er hat sich bei uns als einen
liberalen und aufgeklärten Katholiken eingeführt. Sir, gegen einen Papisten,
wie er im Buche steht, kann ich mich wehren; ein liberaler und aufgeklärter
Katholik ist mir ein Unding oder ein Fallstrick. (Hört!) Mr. Thunder zählt
sich natürlich zu den besten Freunden Englands. Aber wie äußert sich diese
Freundschaft? Lord Macaulay ist ein Engländer, bei all seinen Fehlern.
Wenn also Lord Macaulay in einer seiner schwachen Stunden, die nur zu
zahlreich waren, von der ewigen Herrschaft Roms und dem dereinstigen Ver¬
fall Englands phantasirt hat, weiß Mr. Thunder dies zu beschönigen, ja zu
rechtfertigen. Wenn aber derselbe Lord Macaulay in einem guten Moment
ein vernünftiges Wort spricht, wenn er die angelsächsische Race als den Erb¬
adel der Menschheit"*) bezeichnet, sucht Mr. Thunder den Satz als unphilo¬
sophisch, phrasenhaft und weiß Gott was zu bespötteln. Dieser aufgeklärte
Herr hat den Wunsch, wie er uns bei jeder Gelegenheit vordeclamirt, daß
der Papst von seinem weltlichen Thron hinabgeschleudert werden möge, aber
im Temple Forum, und in shoe-laue, höre ich, da tanzt er auf einem an¬
dern Seile. (O'Brien: Wenn Mr. Grumley mit seiner Litanei fertig ist, --
M'Murrough donnert mit dem Hammer auf den Tisch.) Grumley: Litanei,
Sir! Nachdem wir oft das Geleier über die eingebildeten Leiden Irlands an-




") Grumley sagt nach dem englischen Sprachgebrauch stets "römisch-katholisch", denn die
Staatskirche heißt auch katholisch, "ello O^tlrolio Olmroli c>t' ZünglanÄ".
'
^) i/I'Jo tiorväitiu^ rwbilit/ ok MMlcing", im Aufsap über WÄrrön ÜÄstings.

er halblaut „Mr. Thunder" rief. „Mr. Thunder! Mr. Thunder!" scholl es
gleich aus einem Haufen Kehlen. Ein anderer Haufe rief „Mr. Grumley!
Mr. Grumley!" und es entstand ein Streit darüber, wem von den beiden
das Wort gebühre. Grumley trat den Vorsitz an MMurrough ab und
stieg in die Arena nieder. Er sah würdig aus, wie er unweit vom westlichen
Ende des Tisches Posten faßte, die linke Hand auf den Rücken legte und
die rechte entschlossen zwischen Herz und Weste steckte. Und also hub er an:

„Mr. Vorsitzer und Gentlemen! Ich habe eine Mittheilung zu machen.
Drei unserer ältesten Collegen sind — (Ein Mitglied: „todt?") — todt,
fürchte ich, für Se. Stephen's-in-the-East. Mr. Weebody, Mr. Littletoe
und Mr. Piper sind entschlossen, sich vom öffentlichen Leben zurückzuziehen
und den Grauen Hof an Samstagabenden zu meiden. Jüngere Genies
werden Ihnen ohne Zweifel Ersatz bieten (Nein! Nein). Hoffentlich wird
die Entmuthigung unter unsern erprobten Mitgliedern nicht um sich grei¬
fen. Während der letzten Sitzungen ging in diesem Hause ein Geist
um, der uns altmodische Patnoten wohl verscheuchen kann. Der leb¬
hafte Redner, der eine sehr theatralische Stellung am Kamin einnimmt, —
(O'Brien ist einen Augenblick ausgestanden und lehnt mit dem Arm nach¬
lässig auf dem Einhorn) ist römisch-katholisch;*) er hat sich bei uns als einen
liberalen und aufgeklärten Katholiken eingeführt. Sir, gegen einen Papisten,
wie er im Buche steht, kann ich mich wehren; ein liberaler und aufgeklärter
Katholik ist mir ein Unding oder ein Fallstrick. (Hört!) Mr. Thunder zählt
sich natürlich zu den besten Freunden Englands. Aber wie äußert sich diese
Freundschaft? Lord Macaulay ist ein Engländer, bei all seinen Fehlern.
Wenn also Lord Macaulay in einer seiner schwachen Stunden, die nur zu
zahlreich waren, von der ewigen Herrschaft Roms und dem dereinstigen Ver¬
fall Englands phantasirt hat, weiß Mr. Thunder dies zu beschönigen, ja zu
rechtfertigen. Wenn aber derselbe Lord Macaulay in einem guten Moment
ein vernünftiges Wort spricht, wenn er die angelsächsische Race als den Erb¬
adel der Menschheit"*) bezeichnet, sucht Mr. Thunder den Satz als unphilo¬
sophisch, phrasenhaft und weiß Gott was zu bespötteln. Dieser aufgeklärte
Herr hat den Wunsch, wie er uns bei jeder Gelegenheit vordeclamirt, daß
der Papst von seinem weltlichen Thron hinabgeschleudert werden möge, aber
im Temple Forum, und in shoe-laue, höre ich, da tanzt er auf einem an¬
dern Seile. (O'Brien: Wenn Mr. Grumley mit seiner Litanei fertig ist, —
M'Murrough donnert mit dem Hammer auf den Tisch.) Grumley: Litanei,
Sir! Nachdem wir oft das Geleier über die eingebildeten Leiden Irlands an-




") Grumley sagt nach dem englischen Sprachgebrauch stets „römisch-katholisch", denn die
Staatskirche heißt auch katholisch, „ello O^tlrolio Olmroli c>t' ZünglanÄ".
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^) i/I'Jo tiorväitiu^ rwbilit/ ok MMlcing", im Aufsap über WÄrrön ÜÄstings.
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[0320] er halblaut „Mr. Thunder" rief. „Mr. Thunder! Mr. Thunder!" scholl es gleich aus einem Haufen Kehlen. Ein anderer Haufe rief „Mr. Grumley! Mr. Grumley!" und es entstand ein Streit darüber, wem von den beiden das Wort gebühre. Grumley trat den Vorsitz an MMurrough ab und stieg in die Arena nieder. Er sah würdig aus, wie er unweit vom westlichen Ende des Tisches Posten faßte, die linke Hand auf den Rücken legte und die rechte entschlossen zwischen Herz und Weste steckte. Und also hub er an: „Mr. Vorsitzer und Gentlemen! Ich habe eine Mittheilung zu machen. Drei unserer ältesten Collegen sind — (Ein Mitglied: „todt?") — todt, fürchte ich, für Se. Stephen's-in-the-East. Mr. Weebody, Mr. Littletoe und Mr. Piper sind entschlossen, sich vom öffentlichen Leben zurückzuziehen und den Grauen Hof an Samstagabenden zu meiden. Jüngere Genies werden Ihnen ohne Zweifel Ersatz bieten (Nein! Nein). Hoffentlich wird die Entmuthigung unter unsern erprobten Mitgliedern nicht um sich grei¬ fen. Während der letzten Sitzungen ging in diesem Hause ein Geist um, der uns altmodische Patnoten wohl verscheuchen kann. Der leb¬ hafte Redner, der eine sehr theatralische Stellung am Kamin einnimmt, — (O'Brien ist einen Augenblick ausgestanden und lehnt mit dem Arm nach¬ lässig auf dem Einhorn) ist römisch-katholisch;*) er hat sich bei uns als einen liberalen und aufgeklärten Katholiken eingeführt. Sir, gegen einen Papisten, wie er im Buche steht, kann ich mich wehren; ein liberaler und aufgeklärter Katholik ist mir ein Unding oder ein Fallstrick. (Hört!) Mr. Thunder zählt sich natürlich zu den besten Freunden Englands. Aber wie äußert sich diese Freundschaft? Lord Macaulay ist ein Engländer, bei all seinen Fehlern. Wenn also Lord Macaulay in einer seiner schwachen Stunden, die nur zu zahlreich waren, von der ewigen Herrschaft Roms und dem dereinstigen Ver¬ fall Englands phantasirt hat, weiß Mr. Thunder dies zu beschönigen, ja zu rechtfertigen. Wenn aber derselbe Lord Macaulay in einem guten Moment ein vernünftiges Wort spricht, wenn er die angelsächsische Race als den Erb¬ adel der Menschheit"*) bezeichnet, sucht Mr. Thunder den Satz als unphilo¬ sophisch, phrasenhaft und weiß Gott was zu bespötteln. Dieser aufgeklärte Herr hat den Wunsch, wie er uns bei jeder Gelegenheit vordeclamirt, daß der Papst von seinem weltlichen Thron hinabgeschleudert werden möge, aber im Temple Forum, und in shoe-laue, höre ich, da tanzt er auf einem an¬ dern Seile. (O'Brien: Wenn Mr. Grumley mit seiner Litanei fertig ist, — M'Murrough donnert mit dem Hammer auf den Tisch.) Grumley: Litanei, Sir! Nachdem wir oft das Geleier über die eingebildeten Leiden Irlands an- ") Grumley sagt nach dem englischen Sprachgebrauch stets „römisch-katholisch", denn die Staatskirche heißt auch katholisch, „ello O^tlrolio Olmroli c>t' ZünglanÄ". ' ^) i/I'Jo tiorväitiu^ rwbilit/ ok MMlcing", im Aufsap über WÄrrön ÜÄstings.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/320>, abgerufen am 05.02.2025.