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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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klopft mit dem Hammer auf den Tisch, und mit den üblichen Förmlichkeiten
eröffnet er die Discussion über die Frage: "War Mr. Macaulay berechtigt,
von einer grauen Zukunft zu träumen, in der das Papstthum noch in dem
alten Glänze strahlen soll, und von einem Neuseeländers der angeblich in der¬
selben Zukunft auf einem abgebrochenen Bogen der Londoner Brücke stehen
wird, um die Ruinen der Se. Paulskirche zu skizziren?" Die ersten Reden
sind unbedeutend; wären sie im Parlament zu Westminster gehalten, würde
selbst der Telegraph sie nur im Auszuge berichten. Hincks versichert auf
Ehrenwort, "diese Geschichte von den Prophezeiungen des Macaulay und den
Absichten des Neuseeländers" niemals früher gehört zu haben, und dringt auf
schleunige Verstärkung der Armee und Flotte. Poots empfiehlt eine Allianz
mit den Magyaren und Tscherkessen. Jennissen,hat eine erschreckende Ueber¬
einstimmung zwischen Macaulay und dem hochwürdigen Cumming ent¬
deckt. Die Greuel der Sabbathschändung nähmen furchtbar überHand; die
immer wieder projectirte Sonntagsmusik in Regents Park, bei der ihm die
Haare zu Berge stünden, sei allein genug, den Jähzorn des Himmels zu
wecken. Anders argumentire der welterfahrene Mr. Johnson. England habe
eigentlich Grund, sich Glück zu wünschen zu der Veranlassung dieser Debatte.
(Sensation.) Wenn man bedenke, wie ein Bücherschreiber, der so zu sagen
den Teufel an die Wand malt, anderswo behandelt würde, wie er in Amerika
getheert und gefedert werden könnte, wie er auf dem Continent als ein
athemlos keuchender Flüchtling umherlaufen wüßte -- von Sibirien, China
und Japan gar nicht zu reden -- wie er dagegen hier trotzdem und
alledem zu seiner Zeit ein Lord geworden, dann fühle man mit
Stolz, daß England das einzige Land der Freiheit auf Erden sei.
Nun, Lord Macaulay (er bitte ihm den richtigen Titel zu geben) sei juristisch
vollkommen berechtigt gewesen zu thun, was er gethan, wenn man auch
sagen könne, daß er von seinem Recht einen schändlichen und sogar takt¬
losen Gebrauch gemacht habe. (Beifall.) -- Der dicke Hodges. dessen dumpfes
Organ zu seiner abgebrochenen Redeweise paßt, sagt darauf: Weiß nicht Mr.
Vorsitzer, aber am Ende, viel Lärm um nichts. Was sagt er, der Lord
Dingsda? Denke, ganz einfach, ein Gentleman kommt von Neuseeland, oder
Singapore. gleichviel. Londoner Brücke gerade in Reparatur begriffen
(Grumley schüttelt verneinend den Kopf). Se. Paul's eingestürzt -- immer
gesagt, diese verwünschten unterirdischen Eisenbahnen -- Alles untergraben.
"Der gute Mann." sagt Johnson, "hat die Frage nicht verstanden." --
Der Vorsitzer verliest von Neuem den Gegenstand der Debatte. -- "Ah so!"
brummt Hodges. "Vergebung, Gentleman! Will Sie nicht länger auf¬
halten."

Sind dies Eure "großen Kanonen?", wollte ich eben Mink fragen, als


klopft mit dem Hammer auf den Tisch, und mit den üblichen Förmlichkeiten
eröffnet er die Discussion über die Frage: „War Mr. Macaulay berechtigt,
von einer grauen Zukunft zu träumen, in der das Papstthum noch in dem
alten Glänze strahlen soll, und von einem Neuseeländers der angeblich in der¬
selben Zukunft auf einem abgebrochenen Bogen der Londoner Brücke stehen
wird, um die Ruinen der Se. Paulskirche zu skizziren?" Die ersten Reden
sind unbedeutend; wären sie im Parlament zu Westminster gehalten, würde
selbst der Telegraph sie nur im Auszuge berichten. Hincks versichert auf
Ehrenwort, „diese Geschichte von den Prophezeiungen des Macaulay und den
Absichten des Neuseeländers" niemals früher gehört zu haben, und dringt auf
schleunige Verstärkung der Armee und Flotte. Poots empfiehlt eine Allianz
mit den Magyaren und Tscherkessen. Jennissen,hat eine erschreckende Ueber¬
einstimmung zwischen Macaulay und dem hochwürdigen Cumming ent¬
deckt. Die Greuel der Sabbathschändung nähmen furchtbar überHand; die
immer wieder projectirte Sonntagsmusik in Regents Park, bei der ihm die
Haare zu Berge stünden, sei allein genug, den Jähzorn des Himmels zu
wecken. Anders argumentire der welterfahrene Mr. Johnson. England habe
eigentlich Grund, sich Glück zu wünschen zu der Veranlassung dieser Debatte.
(Sensation.) Wenn man bedenke, wie ein Bücherschreiber, der so zu sagen
den Teufel an die Wand malt, anderswo behandelt würde, wie er in Amerika
getheert und gefedert werden könnte, wie er auf dem Continent als ein
athemlos keuchender Flüchtling umherlaufen wüßte — von Sibirien, China
und Japan gar nicht zu reden — wie er dagegen hier trotzdem und
alledem zu seiner Zeit ein Lord geworden, dann fühle man mit
Stolz, daß England das einzige Land der Freiheit auf Erden sei.
Nun, Lord Macaulay (er bitte ihm den richtigen Titel zu geben) sei juristisch
vollkommen berechtigt gewesen zu thun, was er gethan, wenn man auch
sagen könne, daß er von seinem Recht einen schändlichen und sogar takt¬
losen Gebrauch gemacht habe. (Beifall.) — Der dicke Hodges. dessen dumpfes
Organ zu seiner abgebrochenen Redeweise paßt, sagt darauf: Weiß nicht Mr.
Vorsitzer, aber am Ende, viel Lärm um nichts. Was sagt er, der Lord
Dingsda? Denke, ganz einfach, ein Gentleman kommt von Neuseeland, oder
Singapore. gleichviel. Londoner Brücke gerade in Reparatur begriffen
(Grumley schüttelt verneinend den Kopf). Se. Paul's eingestürzt — immer
gesagt, diese verwünschten unterirdischen Eisenbahnen — Alles untergraben.
„Der gute Mann." sagt Johnson, „hat die Frage nicht verstanden." —
Der Vorsitzer verliest von Neuem den Gegenstand der Debatte. — „Ah so!"
brummt Hodges. „Vergebung, Gentleman! Will Sie nicht länger auf¬
halten."

Sind dies Eure „großen Kanonen?", wollte ich eben Mink fragen, als


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[0319] klopft mit dem Hammer auf den Tisch, und mit den üblichen Förmlichkeiten eröffnet er die Discussion über die Frage: „War Mr. Macaulay berechtigt, von einer grauen Zukunft zu träumen, in der das Papstthum noch in dem alten Glänze strahlen soll, und von einem Neuseeländers der angeblich in der¬ selben Zukunft auf einem abgebrochenen Bogen der Londoner Brücke stehen wird, um die Ruinen der Se. Paulskirche zu skizziren?" Die ersten Reden sind unbedeutend; wären sie im Parlament zu Westminster gehalten, würde selbst der Telegraph sie nur im Auszuge berichten. Hincks versichert auf Ehrenwort, „diese Geschichte von den Prophezeiungen des Macaulay und den Absichten des Neuseeländers" niemals früher gehört zu haben, und dringt auf schleunige Verstärkung der Armee und Flotte. Poots empfiehlt eine Allianz mit den Magyaren und Tscherkessen. Jennissen,hat eine erschreckende Ueber¬ einstimmung zwischen Macaulay und dem hochwürdigen Cumming ent¬ deckt. Die Greuel der Sabbathschändung nähmen furchtbar überHand; die immer wieder projectirte Sonntagsmusik in Regents Park, bei der ihm die Haare zu Berge stünden, sei allein genug, den Jähzorn des Himmels zu wecken. Anders argumentire der welterfahrene Mr. Johnson. England habe eigentlich Grund, sich Glück zu wünschen zu der Veranlassung dieser Debatte. (Sensation.) Wenn man bedenke, wie ein Bücherschreiber, der so zu sagen den Teufel an die Wand malt, anderswo behandelt würde, wie er in Amerika getheert und gefedert werden könnte, wie er auf dem Continent als ein athemlos keuchender Flüchtling umherlaufen wüßte — von Sibirien, China und Japan gar nicht zu reden — wie er dagegen hier trotzdem und alledem zu seiner Zeit ein Lord geworden, dann fühle man mit Stolz, daß England das einzige Land der Freiheit auf Erden sei. Nun, Lord Macaulay (er bitte ihm den richtigen Titel zu geben) sei juristisch vollkommen berechtigt gewesen zu thun, was er gethan, wenn man auch sagen könne, daß er von seinem Recht einen schändlichen und sogar takt¬ losen Gebrauch gemacht habe. (Beifall.) — Der dicke Hodges. dessen dumpfes Organ zu seiner abgebrochenen Redeweise paßt, sagt darauf: Weiß nicht Mr. Vorsitzer, aber am Ende, viel Lärm um nichts. Was sagt er, der Lord Dingsda? Denke, ganz einfach, ein Gentleman kommt von Neuseeland, oder Singapore. gleichviel. Londoner Brücke gerade in Reparatur begriffen (Grumley schüttelt verneinend den Kopf). Se. Paul's eingestürzt — immer gesagt, diese verwünschten unterirdischen Eisenbahnen — Alles untergraben. „Der gute Mann." sagt Johnson, „hat die Frage nicht verstanden." — Der Vorsitzer verliest von Neuem den Gegenstand der Debatte. — „Ah so!" brummt Hodges. „Vergebung, Gentleman! Will Sie nicht länger auf¬ halten." Sind dies Eure „großen Kanonen?", wollte ich eben Mink fragen, als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/319>, abgerufen am 22.07.2024.