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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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mondänen Tyrannei der Bischöfe. Gladstone aber hat gezeigt, daß bei ihm
trotz seiner hohen Begabung das theologische Vorurtheil und die politische
Parteilichkeit stärker sind als der staatsmännische Sinn. Als Sir Röbel Peel
die Dotation des Maynooths-College trotz der Vorurtheile seiner Partei 1844
durchsetzte, äußerte er: "Die Zeit wird kommen, wo es Pflicht des Ministers der
Krone sein wird, dem Parlament die Dotirung der katholischen Kirche in Irland
vorzuschlagen. Aber es wird dem Minister, der diesen Vorschlag macht,
wahrscheinlich sein Amt und seinen Einfluß kosten." Gladstone war nicht ge¬
neigt, dies Opfer zu bringen, er ist Minister geblieben, aber er hat auch die
große Aufgabe wirklicher Ausgleichung der Confessionen in Irland ungelöst
gelassen.




Die Gerichtsverfassung und der norddeutsche Bund.

Vor einiger Zeit enthielt die "Spenersche Zeitung" die Mittheilung,
daß die Bunde s-Civilproceß-Commission dermalen mit der Fest¬
stellung der Grundsätze der künftigen Gerichtsorganisation beschäftigt
sei. Die bekannten guten Verbindungen dieses Blattes gaben dieser Nach¬
richt zunächst den Anschein der Authenticität. Allein schon eine der nächsten
Nummern des "Staatsanzeigers" brachte eine Notiz, 'wonach dieselbe nicht
begründet sein dürfte, und scheint die Commission, welche ihre Berathungen
über das eigentliche Verfahren noch nicht beendigt hat, bis jetzt sich mit den
Organisationsfragen nach nicht beschäftigt zu haben. Aber wenn dies auch
bis jetzt noch nicht geschehen ist, so darf doch wohl nicht daran gezweifelt
werden, daß die Commission auch diesen Gegenstand als in das Gebiet ihres
Maubads gehörig ansehen und denselben zum Gegenstande ihrer Berathungen
nehmen wird. Denn das Proceßverfahren im engeren Sinne, die Normen für
die Procedur, und die Gerichtsorganisation sind zu eng mit einander ver¬
bunden, eines ist zu sehr durch das andere bedingt und dann auch wieder
für das andere maßgebend, als daß nicht die Aufgabe, ein einheitliches Civil¬
proceßverfahren herzustellen, unmittelbar und man darf sagen unabweisbar
auch zu der Aufgabe hindrängt, ja dieselbe in sich schließt, eine einheitliche,
wenigstens in ihren Grundlage einheitliche G erichtsv erfassu n g
herzustellen.

Ja noch mehr. Eine auf gleiche Principien gegründete Gerichtsorganisa¬
tion muß geradezu als das Fundament bezeichnet werden, auf welches nicht


mondänen Tyrannei der Bischöfe. Gladstone aber hat gezeigt, daß bei ihm
trotz seiner hohen Begabung das theologische Vorurtheil und die politische
Parteilichkeit stärker sind als der staatsmännische Sinn. Als Sir Röbel Peel
die Dotation des Maynooths-College trotz der Vorurtheile seiner Partei 1844
durchsetzte, äußerte er: „Die Zeit wird kommen, wo es Pflicht des Ministers der
Krone sein wird, dem Parlament die Dotirung der katholischen Kirche in Irland
vorzuschlagen. Aber es wird dem Minister, der diesen Vorschlag macht,
wahrscheinlich sein Amt und seinen Einfluß kosten." Gladstone war nicht ge¬
neigt, dies Opfer zu bringen, er ist Minister geblieben, aber er hat auch die
große Aufgabe wirklicher Ausgleichung der Confessionen in Irland ungelöst
gelassen.




Die Gerichtsverfassung und der norddeutsche Bund.

Vor einiger Zeit enthielt die „Spenersche Zeitung" die Mittheilung,
daß die Bunde s-Civilproceß-Commission dermalen mit der Fest¬
stellung der Grundsätze der künftigen Gerichtsorganisation beschäftigt
sei. Die bekannten guten Verbindungen dieses Blattes gaben dieser Nach¬
richt zunächst den Anschein der Authenticität. Allein schon eine der nächsten
Nummern des „Staatsanzeigers" brachte eine Notiz, 'wonach dieselbe nicht
begründet sein dürfte, und scheint die Commission, welche ihre Berathungen
über das eigentliche Verfahren noch nicht beendigt hat, bis jetzt sich mit den
Organisationsfragen nach nicht beschäftigt zu haben. Aber wenn dies auch
bis jetzt noch nicht geschehen ist, so darf doch wohl nicht daran gezweifelt
werden, daß die Commission auch diesen Gegenstand als in das Gebiet ihres
Maubads gehörig ansehen und denselben zum Gegenstande ihrer Berathungen
nehmen wird. Denn das Proceßverfahren im engeren Sinne, die Normen für
die Procedur, und die Gerichtsorganisation sind zu eng mit einander ver¬
bunden, eines ist zu sehr durch das andere bedingt und dann auch wieder
für das andere maßgebend, als daß nicht die Aufgabe, ein einheitliches Civil¬
proceßverfahren herzustellen, unmittelbar und man darf sagen unabweisbar
auch zu der Aufgabe hindrängt, ja dieselbe in sich schließt, eine einheitliche,
wenigstens in ihren Grundlage einheitliche G erichtsv erfassu n g
herzustellen.

Ja noch mehr. Eine auf gleiche Principien gegründete Gerichtsorganisa¬
tion muß geradezu als das Fundament bezeichnet werden, auf welches nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/304>, abgerufen am 26.08.2024.