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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Hefen der protestantischen Oberherrschaft (elle äregs o5?rotWwut aseendsve^)
sind noch im Grunde unseres Herzens."

Mit andern Worten gab also die ministerielle Partei zu, daß sie sich
nicht stark genug fühle, den an sich verständigen und billigen Vorschlag des
Oberhauses gegen die Bigotterie der Massen anzunehmen. Die ursprüngliche
Gestalt der Bill ward demgemäß mit großer Majorität hergestellt und in
dieser Fassung dem Oberhause zurückgesandt. Aber dasselbe war durch die
Art, wie seine Amendements im Unterhause behandelt wurden, nicht gestimmt,
ohne weiteres nachzugeben; auf die Beschuldigung Gladstone's, daß die Lords
sich in einem Ballon befänden, antwortete Lord Salisbury wohl etwas ad
irato, es sei des Hauses unwürdig, sich zu beugen nicht vor dem Urtheil der
Nation, sondern vor dem anmaßenden Willen eines Mannes. Nach langer,
heftiger Debatte wurde beschlossen, die Amendements aufrecht zu erhalten,
worauf der ministerielle Führer des Hauses, Lord Granville, erklärte, seine
Vollmachten seien zu Ende, und Vertagung beantragte. Die Lage war
höchst kritisch geworden, der Conflict zwischen den beiden Häusern schien
unvermeidlich. Da trat Disraeli als aeus ex maeluna. auf; sein Lieu¬
tenant Lord Cairns, der Führer der conservativen Majorität, verfügte
sich, von ihm bewogen, am andern Tage zum Grafen Granville
und bot einen Compromißvorschlag an, wonach die Amendements fallen
sollten, wenn die Regierung der bischöflichen Kirche nach Aufhebung
des staatlichen Charakters derselben noch eine runde Summe von circa
^2 Mill. L. geben wolle. Das Cabinet trat sofort zur Berathung zusam¬
men, alle seine Mitglieder außer Gladstone, Löwe und dem Herzog von Ar-
gyll waren für die Annahme. Der Herzog hegt gegen Irland und die iri¬
schen Katholiken alle Vorurtheile eines schottischen Presbyterianers, Löwe als
Utilitarier sieht jede Ausstattung einer Kirche als Uebel an, Gladstone konnte
die Demüthigung nicht verwinden, sich zu fügen und fürchtete das Mi߬
vergnügen der Dissenters. Aber diese kleine Minorität, ward überstimmt von
den Freunden der Mäßigung, unter denen die Lords Clarendon und Gran¬
ville besonders ihre Stimme geltend machten und zu denen sich diesmal auch
Bright offen gesellte. Nachdem so die Verständigung zwischen den Führern
hergestellt war, ratificirte das Haus den Compromiß in den nächsten Tagen
ohne weiteres und damit war der große Kampf beendet.

Man darf sich Glück wünschen, daß der Conflict zwischen beiden Häu¬
sern vermieden ist, aber dies kann nicht hindern, einzugestehen, daß die Ver¬
werfung der beiden sich compensirenden Amendements des Oberhauses be¬
dauerlich bleibt, namentlich die Verwerfung des zweiten, wodurch die Lage
des niedern katholischen Klerus erheblich verbessert worden wäre. Je mehr man
denselben materiell unabhängig stellt, desto mehr entzieht man ihn der Ultra-


Hefen der protestantischen Oberherrschaft (elle äregs o5?rotWwut aseendsve^)
sind noch im Grunde unseres Herzens."

Mit andern Worten gab also die ministerielle Partei zu, daß sie sich
nicht stark genug fühle, den an sich verständigen und billigen Vorschlag des
Oberhauses gegen die Bigotterie der Massen anzunehmen. Die ursprüngliche
Gestalt der Bill ward demgemäß mit großer Majorität hergestellt und in
dieser Fassung dem Oberhause zurückgesandt. Aber dasselbe war durch die
Art, wie seine Amendements im Unterhause behandelt wurden, nicht gestimmt,
ohne weiteres nachzugeben; auf die Beschuldigung Gladstone's, daß die Lords
sich in einem Ballon befänden, antwortete Lord Salisbury wohl etwas ad
irato, es sei des Hauses unwürdig, sich zu beugen nicht vor dem Urtheil der
Nation, sondern vor dem anmaßenden Willen eines Mannes. Nach langer,
heftiger Debatte wurde beschlossen, die Amendements aufrecht zu erhalten,
worauf der ministerielle Führer des Hauses, Lord Granville, erklärte, seine
Vollmachten seien zu Ende, und Vertagung beantragte. Die Lage war
höchst kritisch geworden, der Conflict zwischen den beiden Häusern schien
unvermeidlich. Da trat Disraeli als aeus ex maeluna. auf; sein Lieu¬
tenant Lord Cairns, der Führer der conservativen Majorität, verfügte
sich, von ihm bewogen, am andern Tage zum Grafen Granville
und bot einen Compromißvorschlag an, wonach die Amendements fallen
sollten, wenn die Regierung der bischöflichen Kirche nach Aufhebung
des staatlichen Charakters derselben noch eine runde Summe von circa
^2 Mill. L. geben wolle. Das Cabinet trat sofort zur Berathung zusam¬
men, alle seine Mitglieder außer Gladstone, Löwe und dem Herzog von Ar-
gyll waren für die Annahme. Der Herzog hegt gegen Irland und die iri¬
schen Katholiken alle Vorurtheile eines schottischen Presbyterianers, Löwe als
Utilitarier sieht jede Ausstattung einer Kirche als Uebel an, Gladstone konnte
die Demüthigung nicht verwinden, sich zu fügen und fürchtete das Mi߬
vergnügen der Dissenters. Aber diese kleine Minorität, ward überstimmt von
den Freunden der Mäßigung, unter denen die Lords Clarendon und Gran¬
ville besonders ihre Stimme geltend machten und zu denen sich diesmal auch
Bright offen gesellte. Nachdem so die Verständigung zwischen den Führern
hergestellt war, ratificirte das Haus den Compromiß in den nächsten Tagen
ohne weiteres und damit war der große Kampf beendet.

Man darf sich Glück wünschen, daß der Conflict zwischen beiden Häu¬
sern vermieden ist, aber dies kann nicht hindern, einzugestehen, daß die Ver¬
werfung der beiden sich compensirenden Amendements des Oberhauses be¬
dauerlich bleibt, namentlich die Verwerfung des zweiten, wodurch die Lage
des niedern katholischen Klerus erheblich verbessert worden wäre. Je mehr man
denselben materiell unabhängig stellt, desto mehr entzieht man ihn der Ultra-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/303>, abgerufen am 23.07.2024.