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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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die es für katholische Priester in Irland hat, Wohnungen zu finden. Neun
Zehntel der Grundeigenthümör sind protestantisch und haben das Vorurtheil,
daß die Priester Unzufriedenheit gegen sie predigen. Dieselben wohnen denn
gewöhnlich in elenden Hütten, meist bei ihren Pfarrkindern, theilen deren
Entbehrungen und Erbitterung und stacheln die allgemeine Unzufriedenheit.
Ihnen Wohnungen zu geben, wäre nicht einmal als eine Ausstattung der
katholischen Kirche anzusehen gewesen, wie Sir Robert Peel sie mit Gefahr
seiner Popularität und seines Amtes durchsetzte, als er eine dauernde Do¬
tation des Maynooth-College beantragte. Es wäre nur ein Act der Ge¬
rechtigkeit, die Abstellung eines schreienden Uebels gewesen, und Gladstone
konnte sich dem so wenig verschließen wie seine Collegen. Aber ein erheblicher
Theil der mächtigen Majorität, welche ihn zur Macht erhoben, besteht aus
dem Dissenter oder nonconformistischen Element in den Wahlflecken, das alle
Dotirungen und namentlich die des katholischen Klerus auss lebhafteste ver¬
abscheut. Trotzdem wäre es seiner Autorität leicht gewesen, die beiden
Amendements des Oberhauses bei den Gemeinen durchzusetzen, wenn er es
ernstlich gewollt hätte, aber es verletzte seinen Stolz zu stark, eine derartige tief¬
greifende Amendirung sich von den Lords für eine Maßregel dictiren zu lassen,
die er im besonderen Grade als seine eigenste betrachtete. Er nahm also
sofort eine außerparlamentarische Gelegenheit, um zu erklären, "daß die Re¬
gierung I. M., vor Allem darauf bedacht, den Erfolg der großen Maßregel
zu sichern, für welche sie die Verantwortlichkeit übernommen hat, sich nicht
einlassen wird auf irgend einen directen Vorschlag gleichzeitiger Ausstattung
aller Kirchen, ebenso wenig auf eine Aussetzung jener Bestimmungen der Bill,
welche sich auf die schließliche Verwendung des überschüssigen Vermögens der
irischen Staatskirche beziehen. Die Regierung betrachte eine solche Aus¬
setzung als fast gleichlautend mit künftiger gleichzeitiger Ausstattung (oon-
eurrsut euclowiliöllt) der Kirchen, abgesehen von dem Unheil, das es ver¬
ursachen müßte, die Controverse sich auf unbestimmte Zeit fortspinnen zu
lassen."

Demgemäß beantragte Gladstone im Unterhause die Verwerfung der
Amendements der Lords, die sich nicht auf fester Erde, sondern in einem Luft¬
ballon befänden. Bei dieser Gelegenheit erklärte Bright mit charakteristischer
Offenheit, die Macht des populärsten englischen Ministers, der wagte, eine
Ausstattung der katholischen Kirche zu beantragen, würde brechen und
Splittern wie Glas. Und in gleichem Sinne bemerkte Sir Ronndell Palmer,
die britische Nation sei zur gegenwärtigen Zeit noch nicht vorurtheils-
frei genug geworden, um den Katholiken irgend etwas zuzuwenden; das
Volk würde Mr. Gladstone einen Papisten nennen, wenn er es thäte; "die


die es für katholische Priester in Irland hat, Wohnungen zu finden. Neun
Zehntel der Grundeigenthümör sind protestantisch und haben das Vorurtheil,
daß die Priester Unzufriedenheit gegen sie predigen. Dieselben wohnen denn
gewöhnlich in elenden Hütten, meist bei ihren Pfarrkindern, theilen deren
Entbehrungen und Erbitterung und stacheln die allgemeine Unzufriedenheit.
Ihnen Wohnungen zu geben, wäre nicht einmal als eine Ausstattung der
katholischen Kirche anzusehen gewesen, wie Sir Robert Peel sie mit Gefahr
seiner Popularität und seines Amtes durchsetzte, als er eine dauernde Do¬
tation des Maynooth-College beantragte. Es wäre nur ein Act der Ge¬
rechtigkeit, die Abstellung eines schreienden Uebels gewesen, und Gladstone
konnte sich dem so wenig verschließen wie seine Collegen. Aber ein erheblicher
Theil der mächtigen Majorität, welche ihn zur Macht erhoben, besteht aus
dem Dissenter oder nonconformistischen Element in den Wahlflecken, das alle
Dotirungen und namentlich die des katholischen Klerus auss lebhafteste ver¬
abscheut. Trotzdem wäre es seiner Autorität leicht gewesen, die beiden
Amendements des Oberhauses bei den Gemeinen durchzusetzen, wenn er es
ernstlich gewollt hätte, aber es verletzte seinen Stolz zu stark, eine derartige tief¬
greifende Amendirung sich von den Lords für eine Maßregel dictiren zu lassen,
die er im besonderen Grade als seine eigenste betrachtete. Er nahm also
sofort eine außerparlamentarische Gelegenheit, um zu erklären, „daß die Re¬
gierung I. M., vor Allem darauf bedacht, den Erfolg der großen Maßregel
zu sichern, für welche sie die Verantwortlichkeit übernommen hat, sich nicht
einlassen wird auf irgend einen directen Vorschlag gleichzeitiger Ausstattung
aller Kirchen, ebenso wenig auf eine Aussetzung jener Bestimmungen der Bill,
welche sich auf die schließliche Verwendung des überschüssigen Vermögens der
irischen Staatskirche beziehen. Die Regierung betrachte eine solche Aus¬
setzung als fast gleichlautend mit künftiger gleichzeitiger Ausstattung (oon-
eurrsut euclowiliöllt) der Kirchen, abgesehen von dem Unheil, das es ver¬
ursachen müßte, die Controverse sich auf unbestimmte Zeit fortspinnen zu
lassen."

Demgemäß beantragte Gladstone im Unterhause die Verwerfung der
Amendements der Lords, die sich nicht auf fester Erde, sondern in einem Luft¬
ballon befänden. Bei dieser Gelegenheit erklärte Bright mit charakteristischer
Offenheit, die Macht des populärsten englischen Ministers, der wagte, eine
Ausstattung der katholischen Kirche zu beantragen, würde brechen und
Splittern wie Glas. Und in gleichem Sinne bemerkte Sir Ronndell Palmer,
die britische Nation sei zur gegenwärtigen Zeit noch nicht vorurtheils-
frei genug geworden, um den Katholiken irgend etwas zuzuwenden; das
Volk würde Mr. Gladstone einen Papisten nennen, wenn er es thäte; „die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/302>, abgerufen am 23.07.2024.