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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Erwiederung an die Petenten die Sache endgiltig entschieden worden sei, da
nach Artikel 76 der Bundesverfassung in Verfassungsstreitigkeiten, wenn die
gütliche Ausgleichung nicht gelingt oder keinen Erfolg verspricht, die Ent¬
scheidung im Wege der Bundesgesetzgebung erfolgt.

Den Feudalen selbst ist die UnHaltbarkeit des mecklenburgischen Ver¬
fassungszustandes nicht entgangen und auch auf ihrer Seite wird bereits, wenn
auch nur leise und vereinzelt, von der Nothwendigkeit einer Fortbildung der
Verfassung gesprochen. Der mecklenburgische Bevollmächtigte im Bundesrath
bemühte sich sogar, in der Verhandlung des Reichstages über die mecklen¬
burgische Verfassungsfrage, am 12. Mai dieses Jahres die großherzogliche
Regierung als eine dem Fortschritt huldigende darzustellen, und bezeichnete
als das diesem Streben nach Fortbildung entgegenwirkende Haupthinderniß
die Agitation gegen den Rechtsboden. Indessen hat es doch, in Folge des
von der Regierung geübten polizeilichen Druckes, an solcher Agitation lange
Jahre hindurch gänzlich gefehlt, ohne daß die Fortschrittsneigung der Re¬
gierung sich in dem unbedeutendsten Zeichen angekündigt hätte, und jeden¬
falls handelt es sich bei dieser angeblichen Fortschrittstendenz nicht um die
Verfassung und Vertretung selbst, sondern um verhältnißmäßig untergeordnete
Dinge, also um etwas ganz Anderes als um den Uebergang zu constitutio-
nellen Staatseinrichtungen.

Neuerdings hat man hie und da der Vererbpachtungsmaßregel ein po¬
litisches Colorit zu geben und derselben den Plan zu Grunde zu legen ver¬
sucht, durch Schaffung eines kräftigen und unabhängigen Bauernstandes einen
dritten Stand zur Einfügung in die Landesvertretung zu gewinnen. In
erster Reihe aber ist die Maßregel jedenfalls eine financielle, darauf berech¬
net, das landesfürstliche Vermögen um ein nutzbringendes Capital von viel¬
leicht zehn Millionen Thalern zu vermehren. Sodann ist es ein Irrthum,
daß auf dem eingeschlagenen Wege ein kräftiger und unabhängiger Bauern¬
stand geschaffen werden könne. Denn die Bedingungen sind der Art, daß
sie den in einen Erbpächter sich verwandelnden Bauern unter einen financiellen
Druck bringen, welcher voraussichtlich eine große Anzahl dieser Leute, denen
nur die Wahl gelassen wird, entweder auf jene Bedingungen einzugehen oder
sich von Haus und Hof zu trennen, dem wirthschaftlichen Untergange über¬
liefern, einen großen Theil der übrigen aber in einen schweren Kampf um
die wirthschaftliche Existenz verwickeln wird. Ein kräftiger und unabhängiger
Bauernstand wird also aus den neuen Erbpächtern in wirthschaftlicher Be¬
ziehung nicht erstehen, ebensowenig in politischer Beziehung, da es noch mit
keiner Silbe ausgesprochen ist, daß der Großherzog auf sein unbeschränktes
Gesetzgebungs- und Besteuerungsrecht in den Domainen zu verzichten und
den Erbpächtern eine Mitwirkung bei der Gesetzgebung und Besteuerung ein-


Erwiederung an die Petenten die Sache endgiltig entschieden worden sei, da
nach Artikel 76 der Bundesverfassung in Verfassungsstreitigkeiten, wenn die
gütliche Ausgleichung nicht gelingt oder keinen Erfolg verspricht, die Ent¬
scheidung im Wege der Bundesgesetzgebung erfolgt.

Den Feudalen selbst ist die UnHaltbarkeit des mecklenburgischen Ver¬
fassungszustandes nicht entgangen und auch auf ihrer Seite wird bereits, wenn
auch nur leise und vereinzelt, von der Nothwendigkeit einer Fortbildung der
Verfassung gesprochen. Der mecklenburgische Bevollmächtigte im Bundesrath
bemühte sich sogar, in der Verhandlung des Reichstages über die mecklen¬
burgische Verfassungsfrage, am 12. Mai dieses Jahres die großherzogliche
Regierung als eine dem Fortschritt huldigende darzustellen, und bezeichnete
als das diesem Streben nach Fortbildung entgegenwirkende Haupthinderniß
die Agitation gegen den Rechtsboden. Indessen hat es doch, in Folge des
von der Regierung geübten polizeilichen Druckes, an solcher Agitation lange
Jahre hindurch gänzlich gefehlt, ohne daß die Fortschrittsneigung der Re¬
gierung sich in dem unbedeutendsten Zeichen angekündigt hätte, und jeden¬
falls handelt es sich bei dieser angeblichen Fortschrittstendenz nicht um die
Verfassung und Vertretung selbst, sondern um verhältnißmäßig untergeordnete
Dinge, also um etwas ganz Anderes als um den Uebergang zu constitutio-
nellen Staatseinrichtungen.

Neuerdings hat man hie und da der Vererbpachtungsmaßregel ein po¬
litisches Colorit zu geben und derselben den Plan zu Grunde zu legen ver¬
sucht, durch Schaffung eines kräftigen und unabhängigen Bauernstandes einen
dritten Stand zur Einfügung in die Landesvertretung zu gewinnen. In
erster Reihe aber ist die Maßregel jedenfalls eine financielle, darauf berech¬
net, das landesfürstliche Vermögen um ein nutzbringendes Capital von viel¬
leicht zehn Millionen Thalern zu vermehren. Sodann ist es ein Irrthum,
daß auf dem eingeschlagenen Wege ein kräftiger und unabhängiger Bauern¬
stand geschaffen werden könne. Denn die Bedingungen sind der Art, daß
sie den in einen Erbpächter sich verwandelnden Bauern unter einen financiellen
Druck bringen, welcher voraussichtlich eine große Anzahl dieser Leute, denen
nur die Wahl gelassen wird, entweder auf jene Bedingungen einzugehen oder
sich von Haus und Hof zu trennen, dem wirthschaftlichen Untergange über¬
liefern, einen großen Theil der übrigen aber in einen schweren Kampf um
die wirthschaftliche Existenz verwickeln wird. Ein kräftiger und unabhängiger
Bauernstand wird also aus den neuen Erbpächtern in wirthschaftlicher Be¬
ziehung nicht erstehen, ebensowenig in politischer Beziehung, da es noch mit
keiner Silbe ausgesprochen ist, daß der Großherzog auf sein unbeschränktes
Gesetzgebungs- und Besteuerungsrecht in den Domainen zu verzichten und
den Erbpächtern eine Mitwirkung bei der Gesetzgebung und Besteuerung ein-


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[0274] Erwiederung an die Petenten die Sache endgiltig entschieden worden sei, da nach Artikel 76 der Bundesverfassung in Verfassungsstreitigkeiten, wenn die gütliche Ausgleichung nicht gelingt oder keinen Erfolg verspricht, die Ent¬ scheidung im Wege der Bundesgesetzgebung erfolgt. Den Feudalen selbst ist die UnHaltbarkeit des mecklenburgischen Ver¬ fassungszustandes nicht entgangen und auch auf ihrer Seite wird bereits, wenn auch nur leise und vereinzelt, von der Nothwendigkeit einer Fortbildung der Verfassung gesprochen. Der mecklenburgische Bevollmächtigte im Bundesrath bemühte sich sogar, in der Verhandlung des Reichstages über die mecklen¬ burgische Verfassungsfrage, am 12. Mai dieses Jahres die großherzogliche Regierung als eine dem Fortschritt huldigende darzustellen, und bezeichnete als das diesem Streben nach Fortbildung entgegenwirkende Haupthinderniß die Agitation gegen den Rechtsboden. Indessen hat es doch, in Folge des von der Regierung geübten polizeilichen Druckes, an solcher Agitation lange Jahre hindurch gänzlich gefehlt, ohne daß die Fortschrittsneigung der Re¬ gierung sich in dem unbedeutendsten Zeichen angekündigt hätte, und jeden¬ falls handelt es sich bei dieser angeblichen Fortschrittstendenz nicht um die Verfassung und Vertretung selbst, sondern um verhältnißmäßig untergeordnete Dinge, also um etwas ganz Anderes als um den Uebergang zu constitutio- nellen Staatseinrichtungen. Neuerdings hat man hie und da der Vererbpachtungsmaßregel ein po¬ litisches Colorit zu geben und derselben den Plan zu Grunde zu legen ver¬ sucht, durch Schaffung eines kräftigen und unabhängigen Bauernstandes einen dritten Stand zur Einfügung in die Landesvertretung zu gewinnen. In erster Reihe aber ist die Maßregel jedenfalls eine financielle, darauf berech¬ net, das landesfürstliche Vermögen um ein nutzbringendes Capital von viel¬ leicht zehn Millionen Thalern zu vermehren. Sodann ist es ein Irrthum, daß auf dem eingeschlagenen Wege ein kräftiger und unabhängiger Bauern¬ stand geschaffen werden könne. Denn die Bedingungen sind der Art, daß sie den in einen Erbpächter sich verwandelnden Bauern unter einen financiellen Druck bringen, welcher voraussichtlich eine große Anzahl dieser Leute, denen nur die Wahl gelassen wird, entweder auf jene Bedingungen einzugehen oder sich von Haus und Hof zu trennen, dem wirthschaftlichen Untergange über¬ liefern, einen großen Theil der übrigen aber in einen schweren Kampf um die wirthschaftliche Existenz verwickeln wird. Ein kräftiger und unabhängiger Bauernstand wird also aus den neuen Erbpächtern in wirthschaftlicher Be¬ ziehung nicht erstehen, ebensowenig in politischer Beziehung, da es noch mit keiner Silbe ausgesprochen ist, daß der Großherzog auf sein unbeschränktes Gesetzgebungs- und Besteuerungsrecht in den Domainen zu verzichten und den Erbpächtern eine Mitwirkung bei der Gesetzgebung und Besteuerung ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/274>, abgerufen am 03.07.2024.