Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

zwar nachzurühmen, daß sie den Folgen jener Neuerungen durch Ergänzung
der Lehrkräfte von vornherein vorzubeugen bemüht gewesen ist, jedoch ohne
irgend einen Erfolg. Ja selbst in den Kreisen der Hochschule haben Un"
geduld und' Entmuthigung Platz gegriffen; der Wunsch, die Universität nach
Hamburg verlegt zu sehen, zählt grade unter den academischen Lehrern zahl¬
reiche Anhänger.

Zum Schluß seien einige Bemerkungen über die Ausführung dieses Planes
gestattet. Zunächst darf man sich Glück wünschen, daß der in den Herzog-
thümern angesammelte Fonds von 72,000 Thalern für den Bau eines Univer¬
sitätsgebäudes noch nicht verwendet worden ist. Ferner dürfte das Budget
der Kieler Universität mit dem des Hamburger academischen Gymnasiums
und der verbundenen Anstalten zu vereinigen und aus dem Gesammtbetrage
von ca. 130,000 Thlrn. jährlich als einem Normalbudget die in Hamburg
zu gründende Universität zu dotiren sein. Die weiteren Kosten sür Anstel¬
lungen oder Bauten u. s. w. wären nach einem festzusetzenden Verhältnisse,
etwa der Bevölkerungszahl Hamburgs und der Provinz Schleswig-Holstein
zwischen Preußen und Hamburg zu theilen. Die Ausgaben würden von der
Hamburgischen Bürgerschaft und dem preußischen Landtage bewilligt. Diese
Vorschläge mögen Manchem ungenügend und schwerfällig erscheinen, was
gern zugegeben sein soll; indeß darf auf ein gewisses Wohlwollen beider Re¬
präsentationen gegenüber der jungen Schöpfung sicher gerechnet werden. An¬
dererseits ist zu erwarten, daß wenn nur erst einmal angefangen ist, das Be¬
dürfniß neue und bessere Organisationen herbeiführen würde. Die Ueber-
tragung aller Universitätsangelegenheiten auf den norddeutschen Bund, welche
neuerdings befürwortet worden ist, braucht nicht vorauszugehen, umgekehrt
würde eine Preußen und Hamburg gemeinschaftliche Universität solche befördern.

Nächst der Budgetangelegenheit ist die Frage der Stellenbesetzung er¬
heblich. Die Berufungen könnten jedesmaliger freier Vereinbarung zwischen
Hamburg und Preußen überlassen sein, oder etwa von Jahr zu Jahr alter-
niren, oder auch so geordnet werden, daß unter Berücksichtigung der Facul-
tätsvorschlage die Oberschulbehörde Hamburgs der preußischen Krone eine
Anzahl Candidaten für jede Vacanz präsentirte. Möge nun Solches oder
Anderes beliebt werden -- kommt nur die Hamburger Universität überhaupt
zu Stande, so wird jede irgend vernünftige Einrichtung, mag sie auch im
Einzelnen noch Wünsche übrig lassen, mit Freuden begrüßt werden. Zum
ersten Male wäre einem großen städtischen Gemeinwesen selbstthätiger
Antheil an dem Wohl und Wehe einer deutschen Hochschule ver¬
liehen. Freilich kann nicht davon die Rede sein, kleinen Universitätsstädten



") Nach der Zciblung vom December 1867 hatte Hamburg inclusive das Landgebict 30ö,196
El"w" Schleswig-Holstein 981,718 Einw.

zwar nachzurühmen, daß sie den Folgen jener Neuerungen durch Ergänzung
der Lehrkräfte von vornherein vorzubeugen bemüht gewesen ist, jedoch ohne
irgend einen Erfolg. Ja selbst in den Kreisen der Hochschule haben Un»
geduld und' Entmuthigung Platz gegriffen; der Wunsch, die Universität nach
Hamburg verlegt zu sehen, zählt grade unter den academischen Lehrern zahl¬
reiche Anhänger.

Zum Schluß seien einige Bemerkungen über die Ausführung dieses Planes
gestattet. Zunächst darf man sich Glück wünschen, daß der in den Herzog-
thümern angesammelte Fonds von 72,000 Thalern für den Bau eines Univer¬
sitätsgebäudes noch nicht verwendet worden ist. Ferner dürfte das Budget
der Kieler Universität mit dem des Hamburger academischen Gymnasiums
und der verbundenen Anstalten zu vereinigen und aus dem Gesammtbetrage
von ca. 130,000 Thlrn. jährlich als einem Normalbudget die in Hamburg
zu gründende Universität zu dotiren sein. Die weiteren Kosten sür Anstel¬
lungen oder Bauten u. s. w. wären nach einem festzusetzenden Verhältnisse,
etwa der Bevölkerungszahl Hamburgs und der Provinz Schleswig-Holstein
zwischen Preußen und Hamburg zu theilen. Die Ausgaben würden von der
Hamburgischen Bürgerschaft und dem preußischen Landtage bewilligt. Diese
Vorschläge mögen Manchem ungenügend und schwerfällig erscheinen, was
gern zugegeben sein soll; indeß darf auf ein gewisses Wohlwollen beider Re¬
präsentationen gegenüber der jungen Schöpfung sicher gerechnet werden. An¬
dererseits ist zu erwarten, daß wenn nur erst einmal angefangen ist, das Be¬
dürfniß neue und bessere Organisationen herbeiführen würde. Die Ueber-
tragung aller Universitätsangelegenheiten auf den norddeutschen Bund, welche
neuerdings befürwortet worden ist, braucht nicht vorauszugehen, umgekehrt
würde eine Preußen und Hamburg gemeinschaftliche Universität solche befördern.

Nächst der Budgetangelegenheit ist die Frage der Stellenbesetzung er¬
heblich. Die Berufungen könnten jedesmaliger freier Vereinbarung zwischen
Hamburg und Preußen überlassen sein, oder etwa von Jahr zu Jahr alter-
niren, oder auch so geordnet werden, daß unter Berücksichtigung der Facul-
tätsvorschlage die Oberschulbehörde Hamburgs der preußischen Krone eine
Anzahl Candidaten für jede Vacanz präsentirte. Möge nun Solches oder
Anderes beliebt werden — kommt nur die Hamburger Universität überhaupt
zu Stande, so wird jede irgend vernünftige Einrichtung, mag sie auch im
Einzelnen noch Wünsche übrig lassen, mit Freuden begrüßt werden. Zum
ersten Male wäre einem großen städtischen Gemeinwesen selbstthätiger
Antheil an dem Wohl und Wehe einer deutschen Hochschule ver¬
liehen. Freilich kann nicht davon die Rede sein, kleinen Universitätsstädten



") Nach der Zciblung vom December 1867 hatte Hamburg inclusive das Landgebict 30ö,196
El»w„ Schleswig-Holstein 981,718 Einw.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0149" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121370"/>
            <p xml:id="ID_474" prev="#ID_473"> zwar nachzurühmen, daß sie den Folgen jener Neuerungen durch Ergänzung<lb/>
der Lehrkräfte von vornherein vorzubeugen bemüht gewesen ist, jedoch ohne<lb/>
irgend einen Erfolg. Ja selbst in den Kreisen der Hochschule haben Un»<lb/>
geduld und' Entmuthigung Platz gegriffen; der Wunsch, die Universität nach<lb/>
Hamburg verlegt zu sehen, zählt grade unter den academischen Lehrern zahl¬<lb/>
reiche Anhänger.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_475"> Zum Schluß seien einige Bemerkungen über die Ausführung dieses Planes<lb/>
gestattet. Zunächst darf man sich Glück wünschen, daß der in den Herzog-<lb/>
thümern angesammelte Fonds von 72,000 Thalern für den Bau eines Univer¬<lb/>
sitätsgebäudes noch nicht verwendet worden ist. Ferner dürfte das Budget<lb/>
der Kieler Universität mit dem des Hamburger academischen Gymnasiums<lb/>
und der verbundenen Anstalten zu vereinigen und aus dem Gesammtbetrage<lb/>
von ca. 130,000 Thlrn. jährlich als einem Normalbudget die in Hamburg<lb/>
zu gründende Universität zu dotiren sein. Die weiteren Kosten sür Anstel¬<lb/>
lungen oder Bauten u. s. w. wären nach einem festzusetzenden Verhältnisse,<lb/>
etwa der Bevölkerungszahl Hamburgs und der Provinz Schleswig-Holstein<lb/>
zwischen Preußen und Hamburg zu theilen. Die Ausgaben würden von der<lb/>
Hamburgischen Bürgerschaft und dem preußischen Landtage bewilligt. Diese<lb/>
Vorschläge mögen Manchem ungenügend und schwerfällig erscheinen, was<lb/>
gern zugegeben sein soll; indeß darf auf ein gewisses Wohlwollen beider Re¬<lb/>
präsentationen gegenüber der jungen Schöpfung sicher gerechnet werden. An¬<lb/>
dererseits ist zu erwarten, daß wenn nur erst einmal angefangen ist, das Be¬<lb/>
dürfniß neue und bessere Organisationen herbeiführen würde. Die Ueber-<lb/>
tragung aller Universitätsangelegenheiten auf den norddeutschen Bund, welche<lb/>
neuerdings befürwortet worden ist, braucht nicht vorauszugehen, umgekehrt<lb/>
würde eine Preußen und Hamburg gemeinschaftliche Universität solche befördern.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_476" next="#ID_477"> Nächst der Budgetangelegenheit ist die Frage der Stellenbesetzung er¬<lb/>
heblich. Die Berufungen könnten jedesmaliger freier Vereinbarung zwischen<lb/>
Hamburg und Preußen überlassen sein, oder etwa von Jahr zu Jahr alter-<lb/>
niren, oder auch so geordnet werden, daß unter Berücksichtigung der Facul-<lb/>
tätsvorschlage die Oberschulbehörde Hamburgs der preußischen Krone eine<lb/>
Anzahl Candidaten für jede Vacanz präsentirte. Möge nun Solches oder<lb/>
Anderes beliebt werden &#x2014; kommt nur die Hamburger Universität überhaupt<lb/>
zu Stande, so wird jede irgend vernünftige Einrichtung, mag sie auch im<lb/>
Einzelnen noch Wünsche übrig lassen, mit Freuden begrüßt werden. Zum<lb/>
ersten Male wäre einem großen städtischen Gemeinwesen selbstthätiger<lb/>
Antheil an dem Wohl und Wehe einer deutschen Hochschule ver¬<lb/>
liehen.  Freilich kann nicht davon die Rede sein, kleinen Universitätsstädten</p><lb/>
            <note xml:id="FID_20" place="foot"> ") Nach der Zciblung vom December 1867 hatte Hamburg inclusive das Landgebict 30ö,196<lb/>
El»w&#x201E; Schleswig-Holstein 981,718 Einw.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0149] zwar nachzurühmen, daß sie den Folgen jener Neuerungen durch Ergänzung der Lehrkräfte von vornherein vorzubeugen bemüht gewesen ist, jedoch ohne irgend einen Erfolg. Ja selbst in den Kreisen der Hochschule haben Un» geduld und' Entmuthigung Platz gegriffen; der Wunsch, die Universität nach Hamburg verlegt zu sehen, zählt grade unter den academischen Lehrern zahl¬ reiche Anhänger. Zum Schluß seien einige Bemerkungen über die Ausführung dieses Planes gestattet. Zunächst darf man sich Glück wünschen, daß der in den Herzog- thümern angesammelte Fonds von 72,000 Thalern für den Bau eines Univer¬ sitätsgebäudes noch nicht verwendet worden ist. Ferner dürfte das Budget der Kieler Universität mit dem des Hamburger academischen Gymnasiums und der verbundenen Anstalten zu vereinigen und aus dem Gesammtbetrage von ca. 130,000 Thlrn. jährlich als einem Normalbudget die in Hamburg zu gründende Universität zu dotiren sein. Die weiteren Kosten sür Anstel¬ lungen oder Bauten u. s. w. wären nach einem festzusetzenden Verhältnisse, etwa der Bevölkerungszahl Hamburgs und der Provinz Schleswig-Holstein zwischen Preußen und Hamburg zu theilen. Die Ausgaben würden von der Hamburgischen Bürgerschaft und dem preußischen Landtage bewilligt. Diese Vorschläge mögen Manchem ungenügend und schwerfällig erscheinen, was gern zugegeben sein soll; indeß darf auf ein gewisses Wohlwollen beider Re¬ präsentationen gegenüber der jungen Schöpfung sicher gerechnet werden. An¬ dererseits ist zu erwarten, daß wenn nur erst einmal angefangen ist, das Be¬ dürfniß neue und bessere Organisationen herbeiführen würde. Die Ueber- tragung aller Universitätsangelegenheiten auf den norddeutschen Bund, welche neuerdings befürwortet worden ist, braucht nicht vorauszugehen, umgekehrt würde eine Preußen und Hamburg gemeinschaftliche Universität solche befördern. Nächst der Budgetangelegenheit ist die Frage der Stellenbesetzung er¬ heblich. Die Berufungen könnten jedesmaliger freier Vereinbarung zwischen Hamburg und Preußen überlassen sein, oder etwa von Jahr zu Jahr alter- niren, oder auch so geordnet werden, daß unter Berücksichtigung der Facul- tätsvorschlage die Oberschulbehörde Hamburgs der preußischen Krone eine Anzahl Candidaten für jede Vacanz präsentirte. Möge nun Solches oder Anderes beliebt werden — kommt nur die Hamburger Universität überhaupt zu Stande, so wird jede irgend vernünftige Einrichtung, mag sie auch im Einzelnen noch Wünsche übrig lassen, mit Freuden begrüßt werden. Zum ersten Male wäre einem großen städtischen Gemeinwesen selbstthätiger Antheil an dem Wohl und Wehe einer deutschen Hochschule ver¬ liehen. Freilich kann nicht davon die Rede sein, kleinen Universitätsstädten ") Nach der Zciblung vom December 1867 hatte Hamburg inclusive das Landgebict 30ö,196 El»w„ Schleswig-Holstein 981,718 Einw.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/149
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/149>, abgerufen am 22.07.2024.