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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Die schweizerische Demokratie und ihre Fortentwicklung.
Korrespondenz aus der Schweiz.

Va. lalliodst, äsmoer-leis smssiz et son Evolution aetuslls. --I. Dubs,
die schweizerische Demokratie in ihrer Fortentwickelung. -- Hilty, Theoretiker und
Idealisten der Demokratie. -- Gengel, die Erweiterung der Volksrechte.

Die Schweiz hat das eigenthümliche Vorrecht, politische Ideen ohne
große Gefahr für ihre eigene Entwickelung leicht und schnell praktisch zu ver¬
werthen und politische Versuche zu machen, die den großen Nachbarstaaten,
wenn sie Aehnliches wagten, schon mehr als einmal theuer zu stehen kamen,
während diese von jenen Versuchen mit ihren Erfolgen und Mißerfolgen
vieles lernen können, ohne für das jeweilige Lehrgeld mithaftbar zu sein.
Die Ideen und Bestrebungen, welche in größeren Staaten sich oft nur mit
Mühe entwickeln und Bahn brechen, arbeiten sich in der kleinen Schweiz
leichter heraus und werden zu Thatsachen, durch die ihre wahre Bedeutung
und Tragweite erst recht an den Tag tritt. So spiegelte das Vaterland
der Teilen trotz seines eigenen gesunden nationalen Lebens oft die innersten
Geistesregungen der Nachbarländer auf seinem Boden wieder und wurde,
besonders in Zeiten der Krisis, schon mehrmals zu einem Höhenmesser des
politischen Lebens in Europa.

In unserem Jahrhundert erfüllt die Schweiz diesen Beruf der internatio¬
nalen Versuchsstation erst seit 1830. Bis damals hinderten sie die Fesseln
des alten Bundesvertrags von 1814 an jeder freien eigenen Bewegung. Die
französische Julirevolution hatte für die Schweiz fast noch mehr als für
Deutschland die Befreiung aus längst unerträglich gewordenen Zuständen
zur Folge. Ein neues Leben entfaltete sich nach allen Richtungen und durch
eine Reihe von mehr und weniger bedeutenden Revolutionen fand in den
verschiedenen Cantonen eine Umgestaltung der staatlichen Verhältnisse statt.
Gleichzeitig empfing die Schweiz aber gerade auch in jenen Jahren bedeutende
Einflüsse von Deutschland her durch die Masse politischer Flüchtlinge, welche


Grenzboten III. 1869 16
Die schweizerische Demokratie und ihre Fortentwicklung.
Korrespondenz aus der Schweiz.

Va. lalliodst, äsmoer-leis smssiz et son Evolution aetuslls. —I. Dubs,
die schweizerische Demokratie in ihrer Fortentwickelung. — Hilty, Theoretiker und
Idealisten der Demokratie. — Gengel, die Erweiterung der Volksrechte.

Die Schweiz hat das eigenthümliche Vorrecht, politische Ideen ohne
große Gefahr für ihre eigene Entwickelung leicht und schnell praktisch zu ver¬
werthen und politische Versuche zu machen, die den großen Nachbarstaaten,
wenn sie Aehnliches wagten, schon mehr als einmal theuer zu stehen kamen,
während diese von jenen Versuchen mit ihren Erfolgen und Mißerfolgen
vieles lernen können, ohne für das jeweilige Lehrgeld mithaftbar zu sein.
Die Ideen und Bestrebungen, welche in größeren Staaten sich oft nur mit
Mühe entwickeln und Bahn brechen, arbeiten sich in der kleinen Schweiz
leichter heraus und werden zu Thatsachen, durch die ihre wahre Bedeutung
und Tragweite erst recht an den Tag tritt. So spiegelte das Vaterland
der Teilen trotz seines eigenen gesunden nationalen Lebens oft die innersten
Geistesregungen der Nachbarländer auf seinem Boden wieder und wurde,
besonders in Zeiten der Krisis, schon mehrmals zu einem Höhenmesser des
politischen Lebens in Europa.

In unserem Jahrhundert erfüllt die Schweiz diesen Beruf der internatio¬
nalen Versuchsstation erst seit 1830. Bis damals hinderten sie die Fesseln
des alten Bundesvertrags von 1814 an jeder freien eigenen Bewegung. Die
französische Julirevolution hatte für die Schweiz fast noch mehr als für
Deutschland die Befreiung aus längst unerträglich gewordenen Zuständen
zur Folge. Ein neues Leben entfaltete sich nach allen Richtungen und durch
eine Reihe von mehr und weniger bedeutenden Revolutionen fand in den
verschiedenen Cantonen eine Umgestaltung der staatlichen Verhältnisse statt.
Gleichzeitig empfing die Schweiz aber gerade auch in jenen Jahren bedeutende
Einflüsse von Deutschland her durch die Masse politischer Flüchtlinge, welche


Grenzboten III. 1869 16
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[0129] Die schweizerische Demokratie und ihre Fortentwicklung. Korrespondenz aus der Schweiz. Va. lalliodst, äsmoer-leis smssiz et son Evolution aetuslls. —I. Dubs, die schweizerische Demokratie in ihrer Fortentwickelung. — Hilty, Theoretiker und Idealisten der Demokratie. — Gengel, die Erweiterung der Volksrechte. Die Schweiz hat das eigenthümliche Vorrecht, politische Ideen ohne große Gefahr für ihre eigene Entwickelung leicht und schnell praktisch zu ver¬ werthen und politische Versuche zu machen, die den großen Nachbarstaaten, wenn sie Aehnliches wagten, schon mehr als einmal theuer zu stehen kamen, während diese von jenen Versuchen mit ihren Erfolgen und Mißerfolgen vieles lernen können, ohne für das jeweilige Lehrgeld mithaftbar zu sein. Die Ideen und Bestrebungen, welche in größeren Staaten sich oft nur mit Mühe entwickeln und Bahn brechen, arbeiten sich in der kleinen Schweiz leichter heraus und werden zu Thatsachen, durch die ihre wahre Bedeutung und Tragweite erst recht an den Tag tritt. So spiegelte das Vaterland der Teilen trotz seines eigenen gesunden nationalen Lebens oft die innersten Geistesregungen der Nachbarländer auf seinem Boden wieder und wurde, besonders in Zeiten der Krisis, schon mehrmals zu einem Höhenmesser des politischen Lebens in Europa. In unserem Jahrhundert erfüllt die Schweiz diesen Beruf der internatio¬ nalen Versuchsstation erst seit 1830. Bis damals hinderten sie die Fesseln des alten Bundesvertrags von 1814 an jeder freien eigenen Bewegung. Die französische Julirevolution hatte für die Schweiz fast noch mehr als für Deutschland die Befreiung aus längst unerträglich gewordenen Zuständen zur Folge. Ein neues Leben entfaltete sich nach allen Richtungen und durch eine Reihe von mehr und weniger bedeutenden Revolutionen fand in den verschiedenen Cantonen eine Umgestaltung der staatlichen Verhältnisse statt. Gleichzeitig empfing die Schweiz aber gerade auch in jenen Jahren bedeutende Einflüsse von Deutschland her durch die Masse politischer Flüchtlinge, welche Grenzboten III. 1869 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/129>, abgerufen am 22.07.2024.