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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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den selbst das preußische Volkslied feierte, haben sich beide so mühsam durch¬
arbeiten müssen, daß wer sie pries, zugleich das alte Oestreich anklagte.

Trotz der Beliebtheit, deren Laudon sich in diesem wie im vorigen Jahr¬
hundert bei Freund und Feind erfreute und trotz der exceptionellen Rolle,
die er in der östreichschen Kriegsgeschichte spielt, hat es bis jetzt keine wirk¬
liche Biographie dieses berühmten Kriegsmannes gegeben. Die zeitgenössischen
Schriften von Pezzl (1790) und Krsovitz (1783) sind längst veraltet und selbst
in den Tagen ihrer Jugend ziemlich mittelmäßig gewesen, die späteren, für
den Handgebrauch k. k. Officiere und loyaler Civilpatrioten bestimmten Auf¬
sätze Hormayrs, Kunitschs, Schweigerds u. s. w,, bloße Compüationen, die aus
den älteren Quellen zum größten Theil wörtlich abgeschrieben waren. Das
vorliegende Buch dagegen ist mit Benutzung der Staatsarchive und von
einem gebildeten Manne geschrieben, dem es wirklich um die Feststellung der
Wahrheit zu thun war und der die Wissenschaft wenigstens um eine Anzahl
neuer Aufschlüsse bereichert hat. Auf das Janko'sche Buch näher einzugehen,
erscheint schon aus diesem Grunde geboten.

Was den eigentlich biographischen Theil, d. h. Laudons persönliche Ge¬
schicke anlangt, so sind allerdings einige Irrthümer und Lücken zu constatiren,
zum Theil solche, welche der Verf. hätte vermeiden können, wenn er sich die
Mühe genommen hätte, eine Skizze über Laudon anzusehen, welche der Referent
vor Jahresfrist publicirte, und die Herr v. Janko, wahrscheinlich ohne sie gelesen
zu haben, in der "Neuen freien Presse" kurzer Hand abfertigte. Laudons Ju¬
gendgeschichte und Herkunft ist, trotz des Interesses, welches sie bietet, in dem
vorliegenden Buch auf kaum drei Seiten abgehandelt und diese drei Seiten
enthalten vier nachweisbare Irrthümer. Erstens wird für ausgemacht an¬
gesehen, daß die Laudon von schottischer Abstammung sind; die Annahme be¬
ruht auf einem Geschlechtsregister, das der Mdmarschall aus Edinburg
kommen ließ und in welchem behauptet war, Matthäus Lowdoun, der
Sohn des Grasen von Air, sei Ende des 16. Jahrhunderts nach Livland
ausgewandert. nachweislich wurde aber schon 1432 ein Otto von Laudohn
(sie) von dem Rigaschen Erzbischof Henning mit dem Gute Tootzen belehnt.
JankosAngabe,daß Matthäus v. Laudon in den Dienst des Schwertbrüderordens
getreten sei, ist vollständig unrichtig, denn das Edinburger Document, wel¬
ches die einzige Quelle für die schottische Genealogie bildet, sagt ausdrücklich,
des Matthäus Bruder Hugo sei im Jahre 1622 gestorben, der Schwert¬
brüderorden aber existirte seit dem ersten Viertel des dreizehnten Jahrhunderts
nicht mehr, da er im Jahre 1237 zu Viterbo in den Orden der deutschen
Herren aufgegangen war. Zweitens hieß des Feldmarschalls Mutter nicht Bor¬
nemund (wie Janko behauptet), sondern Bornemann; drittens ist der Feld¬
marschall nicht am 10. October 1716, sondern wie die bezügliche Notiz des


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den selbst das preußische Volkslied feierte, haben sich beide so mühsam durch¬
arbeiten müssen, daß wer sie pries, zugleich das alte Oestreich anklagte.

Trotz der Beliebtheit, deren Laudon sich in diesem wie im vorigen Jahr¬
hundert bei Freund und Feind erfreute und trotz der exceptionellen Rolle,
die er in der östreichschen Kriegsgeschichte spielt, hat es bis jetzt keine wirk¬
liche Biographie dieses berühmten Kriegsmannes gegeben. Die zeitgenössischen
Schriften von Pezzl (1790) und Krsovitz (1783) sind längst veraltet und selbst
in den Tagen ihrer Jugend ziemlich mittelmäßig gewesen, die späteren, für
den Handgebrauch k. k. Officiere und loyaler Civilpatrioten bestimmten Auf¬
sätze Hormayrs, Kunitschs, Schweigerds u. s. w,, bloße Compüationen, die aus
den älteren Quellen zum größten Theil wörtlich abgeschrieben waren. Das
vorliegende Buch dagegen ist mit Benutzung der Staatsarchive und von
einem gebildeten Manne geschrieben, dem es wirklich um die Feststellung der
Wahrheit zu thun war und der die Wissenschaft wenigstens um eine Anzahl
neuer Aufschlüsse bereichert hat. Auf das Janko'sche Buch näher einzugehen,
erscheint schon aus diesem Grunde geboten.

Was den eigentlich biographischen Theil, d. h. Laudons persönliche Ge¬
schicke anlangt, so sind allerdings einige Irrthümer und Lücken zu constatiren,
zum Theil solche, welche der Verf. hätte vermeiden können, wenn er sich die
Mühe genommen hätte, eine Skizze über Laudon anzusehen, welche der Referent
vor Jahresfrist publicirte, und die Herr v. Janko, wahrscheinlich ohne sie gelesen
zu haben, in der „Neuen freien Presse" kurzer Hand abfertigte. Laudons Ju¬
gendgeschichte und Herkunft ist, trotz des Interesses, welches sie bietet, in dem
vorliegenden Buch auf kaum drei Seiten abgehandelt und diese drei Seiten
enthalten vier nachweisbare Irrthümer. Erstens wird für ausgemacht an¬
gesehen, daß die Laudon von schottischer Abstammung sind; die Annahme be¬
ruht auf einem Geschlechtsregister, das der Mdmarschall aus Edinburg
kommen ließ und in welchem behauptet war, Matthäus Lowdoun, der
Sohn des Grasen von Air, sei Ende des 16. Jahrhunderts nach Livland
ausgewandert. nachweislich wurde aber schon 1432 ein Otto von Laudohn
(sie) von dem Rigaschen Erzbischof Henning mit dem Gute Tootzen belehnt.
JankosAngabe,daß Matthäus v. Laudon in den Dienst des Schwertbrüderordens
getreten sei, ist vollständig unrichtig, denn das Edinburger Document, wel¬
ches die einzige Quelle für die schottische Genealogie bildet, sagt ausdrücklich,
des Matthäus Bruder Hugo sei im Jahre 1622 gestorben, der Schwert¬
brüderorden aber existirte seit dem ersten Viertel des dreizehnten Jahrhunderts
nicht mehr, da er im Jahre 1237 zu Viterbo in den Orden der deutschen
Herren aufgegangen war. Zweitens hieß des Feldmarschalls Mutter nicht Bor¬
nemund (wie Janko behauptet), sondern Bornemann; drittens ist der Feld¬
marschall nicht am 10. October 1716, sondern wie die bezügliche Notiz des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/123>, abgerufen am 25.08.2024.