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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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nungen seiner Zeit in Widerspruch gerathen mußte. So scheint er in einem
Gedichten der übertriebenen Wanderlust nach Palästina, wenn nicht in offe¬
ner, so doch in kaum zu verkennender Weise entgegentreten zu wollen. Er
hat es dabei verstanden, diese Opposition, welche ihm leicht als Gottlosigkeit
ausgelegt werden konnte, in das Gewand lieblich idyllischer Dichtung zu
hüllen. Die Romanze, in welcher dies geschieht, ist eine Perle der Trobador
Poesie, und ich kann mir nicht versagen, hier den Versuch einer metrischen
Uebertragung folgen zu lassen, welche allerdings den melodischen Fall pro"
venzalischer Verse nicht erreichen wird.


^ Is, kontan", ack verzier --
Im Garten an der Quelle klar,
Die dicht mit Grün umschattet war,
Am Baume, den das junge Jahr
Mit Weißen Blüthen überstreut
Und mit der Vöglein muntrer Schaar,
Da nahm ich ohne Freund gewahr
Sie. die verschmäht mein scherzend Wort. Ein Fräulein lieblich anzusehn,
Des Burgherrn Tochter jung und schön.
Ihr, dacht ich, wird die Lust erhob'n
Das Grün, die Vöglein sangerfreut
Der jungen Knospen Neuerstehn,
Und freundlich wird sie Rede stehn.
Den Irrthum doch sah ich sofort. Die Thränen flössen in den Bach,
Ein tiefer Seufzer hallte nach.
"O Jesus. Herr der Welt -- sie sprach --
..Durch Euch erwächst mir großer Schmerz
"Mit Leid erfüllt mich Eure Schmach,
"Der besten Männer Zierde, ach!
"Hat Eurem Dienste sich geweiht." "Für Euch verließ mein Liebster mich
"Vor Allen schön und tugendlich
"In bittrem Jammer klage ich,
In banger Sehnsucht schlägt mein Herz.
"Leid treffe König Ludewig,
"Daß er im Kreuzesheer auch Dich
"Entführte in die Ferne weit.- Da ich so klagen sie gehört
Hab ich mich schnell ihr zugekehrt.

nungen seiner Zeit in Widerspruch gerathen mußte. So scheint er in einem
Gedichten der übertriebenen Wanderlust nach Palästina, wenn nicht in offe¬
ner, so doch in kaum zu verkennender Weise entgegentreten zu wollen. Er
hat es dabei verstanden, diese Opposition, welche ihm leicht als Gottlosigkeit
ausgelegt werden konnte, in das Gewand lieblich idyllischer Dichtung zu
hüllen. Die Romanze, in welcher dies geschieht, ist eine Perle der Trobador
Poesie, und ich kann mir nicht versagen, hier den Versuch einer metrischen
Uebertragung folgen zu lassen, welche allerdings den melodischen Fall pro»
venzalischer Verse nicht erreichen wird.


^ Is, kontan», ack verzier —
Im Garten an der Quelle klar,
Die dicht mit Grün umschattet war,
Am Baume, den das junge Jahr
Mit Weißen Blüthen überstreut
Und mit der Vöglein muntrer Schaar,
Da nahm ich ohne Freund gewahr
Sie. die verschmäht mein scherzend Wort. Ein Fräulein lieblich anzusehn,
Des Burgherrn Tochter jung und schön.
Ihr, dacht ich, wird die Lust erhob'n
Das Grün, die Vöglein sangerfreut
Der jungen Knospen Neuerstehn,
Und freundlich wird sie Rede stehn.
Den Irrthum doch sah ich sofort. Die Thränen flössen in den Bach,
Ein tiefer Seufzer hallte nach.
„O Jesus. Herr der Welt — sie sprach —
..Durch Euch erwächst mir großer Schmerz
„Mit Leid erfüllt mich Eure Schmach,
„Der besten Männer Zierde, ach!
„Hat Eurem Dienste sich geweiht." „Für Euch verließ mein Liebster mich
„Vor Allen schön und tugendlich
„In bittrem Jammer klage ich,
In banger Sehnsucht schlägt mein Herz.
„Leid treffe König Ludewig,
„Daß er im Kreuzesheer auch Dich
„Entführte in die Ferne weit.- Da ich so klagen sie gehört
Hab ich mich schnell ihr zugekehrt.

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[0060] nungen seiner Zeit in Widerspruch gerathen mußte. So scheint er in einem Gedichten der übertriebenen Wanderlust nach Palästina, wenn nicht in offe¬ ner, so doch in kaum zu verkennender Weise entgegentreten zu wollen. Er hat es dabei verstanden, diese Opposition, welche ihm leicht als Gottlosigkeit ausgelegt werden konnte, in das Gewand lieblich idyllischer Dichtung zu hüllen. Die Romanze, in welcher dies geschieht, ist eine Perle der Trobador Poesie, und ich kann mir nicht versagen, hier den Versuch einer metrischen Uebertragung folgen zu lassen, welche allerdings den melodischen Fall pro» venzalischer Verse nicht erreichen wird. ^ Is, kontan», ack verzier — Im Garten an der Quelle klar, Die dicht mit Grün umschattet war, Am Baume, den das junge Jahr Mit Weißen Blüthen überstreut Und mit der Vöglein muntrer Schaar, Da nahm ich ohne Freund gewahr Sie. die verschmäht mein scherzend Wort. Ein Fräulein lieblich anzusehn, Des Burgherrn Tochter jung und schön. Ihr, dacht ich, wird die Lust erhob'n Das Grün, die Vöglein sangerfreut Der jungen Knospen Neuerstehn, Und freundlich wird sie Rede stehn. Den Irrthum doch sah ich sofort. Die Thränen flössen in den Bach, Ein tiefer Seufzer hallte nach. „O Jesus. Herr der Welt — sie sprach — ..Durch Euch erwächst mir großer Schmerz „Mit Leid erfüllt mich Eure Schmach, „Der besten Männer Zierde, ach! „Hat Eurem Dienste sich geweiht." „Für Euch verließ mein Liebster mich „Vor Allen schön und tugendlich „In bittrem Jammer klage ich, In banger Sehnsucht schlägt mein Herz. „Leid treffe König Ludewig, „Daß er im Kreuzesheer auch Dich „Entführte in die Ferne weit.- Da ich so klagen sie gehört Hab ich mich schnell ihr zugekehrt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/60>, abgerufen am 24.07.2024.