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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Schweden zu verdanken, der in seinem Allianzvertrage mit der Türkei den
evangelischen Christen sowohl in Constantinopel wie in Bukarest freie Reli¬
gionsübung und die Erlaubniß zum Kirchenbau ausbedang. Daher blieb
auch die Bukarester deutsche Gemeinde, obwohl sie überwiegend aus einge-
wanderten "Sachsen" aus Siebenbürgen bestand, von dieser Zeit an (die ge¬
nauere Zeit der Begründung ist nicht mehr zu ermitteln) bis 1839 unter
schwedischen Schutz, und wir können (mit dem Verfasser) der schwedischen Ge-
sandtschaft in Constantinopel das Zeugniß nicht versagen, daß sie sich lebhaft
für ihre evangelischen Glaubensbrüder interessirt hat. Das erste fürstliche
Privileg für die Gemeinde, das uns der Verfasser nebst allen folgenden im
Anhange in rumänischer und deutscher Sprache mittheilt, datirt zwar erst
aus dem Jahre 1751, doch ist schon früher die Existenz eines Pfarrers Wagner
beglaubigt. Dieser stammte, wie fast alle seine Nachfolger und auch der Ver¬
fasser der vorliegenden Schrift, aus Siebenbürgen, und es wird demnach nicht
ausfallen, daß im Laufe der Zeit mehrmals, aber immer vergeblich der Ver¬
such gemacht wurde, die Bukarester Gemeinde in eine Filiale der Superin-
tendentur zu Kronstäbe zu verwandeln. Sicherlich lag der Grund zur Ab¬
weisung der von Bukarest ausgehenden Gesuche in der Furcht der Kron¬
städter Kirchenbehörde, sich dadurch auch ewe Verpflichtung zum Unterhalt
der Kirche und des Pfarrers aufladen zu müssen. Die Gemeinde war keines¬
wegs reich, sie bestand und besteht größtentheils aus Handwerkern, neben
diesen scheint die Zahl der Kowines literati im weiteren Sinne, die der Kauf¬
leute zu überflügeln.

Ueberhaupt bietet die Geschichte der Gemeinde mehr einen Beweis für
die passive Energie, als etwa für die glänzende Leistungsfähigkeit des deut¬
schen Volks. Die Gemeinde hatte immer mit Noth Und Elend zu kämpfen
und schwebte beharrlich in einem Zustande zwischen Leben und Sterben, ob¬
wohl sie 1734 bereits 75 Familien zählte. Die Erlaubniß zum Bau einer
Kirche war schon 1751 von dem Fürsten der Wallachei bewilligt aber wegen
der folgenden Kriegszeiten nicht benützt worden; 1774 aber bestimmte Artikel
16 des Friedens von Kutschuck-Kainardschi von Neuem, daß die Pforte in
beiden Donaufürstenthümern die freie Ausübung der christlichen Religion,
sowie die Erbauung neuer und Herstellung alter Kirchen gestatte. Bald
darauf ward auch der Kirchenbau in Angriff genommen. Es war ein Glück
für die Gemeinde, daß sie in Johann Glöckner einen Mann fand, der an-
fangs als Informator, dann als Pfarrer, endlich mit dem Titel eines Supe-
rintendenten bei den Gemeinden zu Bukarest und Jassy 49 Jahre lang in
dürftiger, schwieriger, ja gefährlicher Stellung ausharrte. Als er 1778 nach
Bukarest kam. war er noch nicht zum Geistlichen ordinirt, und da die Ge.
meinte keine Mittel besaß, ihn zur Ordinarien nach Deutschland oder etwa


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Schweden zu verdanken, der in seinem Allianzvertrage mit der Türkei den
evangelischen Christen sowohl in Constantinopel wie in Bukarest freie Reli¬
gionsübung und die Erlaubniß zum Kirchenbau ausbedang. Daher blieb
auch die Bukarester deutsche Gemeinde, obwohl sie überwiegend aus einge-
wanderten „Sachsen" aus Siebenbürgen bestand, von dieser Zeit an (die ge¬
nauere Zeit der Begründung ist nicht mehr zu ermitteln) bis 1839 unter
schwedischen Schutz, und wir können (mit dem Verfasser) der schwedischen Ge-
sandtschaft in Constantinopel das Zeugniß nicht versagen, daß sie sich lebhaft
für ihre evangelischen Glaubensbrüder interessirt hat. Das erste fürstliche
Privileg für die Gemeinde, das uns der Verfasser nebst allen folgenden im
Anhange in rumänischer und deutscher Sprache mittheilt, datirt zwar erst
aus dem Jahre 1751, doch ist schon früher die Existenz eines Pfarrers Wagner
beglaubigt. Dieser stammte, wie fast alle seine Nachfolger und auch der Ver¬
fasser der vorliegenden Schrift, aus Siebenbürgen, und es wird demnach nicht
ausfallen, daß im Laufe der Zeit mehrmals, aber immer vergeblich der Ver¬
such gemacht wurde, die Bukarester Gemeinde in eine Filiale der Superin-
tendentur zu Kronstäbe zu verwandeln. Sicherlich lag der Grund zur Ab¬
weisung der von Bukarest ausgehenden Gesuche in der Furcht der Kron¬
städter Kirchenbehörde, sich dadurch auch ewe Verpflichtung zum Unterhalt
der Kirche und des Pfarrers aufladen zu müssen. Die Gemeinde war keines¬
wegs reich, sie bestand und besteht größtentheils aus Handwerkern, neben
diesen scheint die Zahl der Kowines literati im weiteren Sinne, die der Kauf¬
leute zu überflügeln.

Ueberhaupt bietet die Geschichte der Gemeinde mehr einen Beweis für
die passive Energie, als etwa für die glänzende Leistungsfähigkeit des deut¬
schen Volks. Die Gemeinde hatte immer mit Noth Und Elend zu kämpfen
und schwebte beharrlich in einem Zustande zwischen Leben und Sterben, ob¬
wohl sie 1734 bereits 75 Familien zählte. Die Erlaubniß zum Bau einer
Kirche war schon 1751 von dem Fürsten der Wallachei bewilligt aber wegen
der folgenden Kriegszeiten nicht benützt worden; 1774 aber bestimmte Artikel
16 des Friedens von Kutschuck-Kainardschi von Neuem, daß die Pforte in
beiden Donaufürstenthümern die freie Ausübung der christlichen Religion,
sowie die Erbauung neuer und Herstellung alter Kirchen gestatte. Bald
darauf ward auch der Kirchenbau in Angriff genommen. Es war ein Glück
für die Gemeinde, daß sie in Johann Glöckner einen Mann fand, der an-
fangs als Informator, dann als Pfarrer, endlich mit dem Titel eines Supe-
rintendenten bei den Gemeinden zu Bukarest und Jassy 49 Jahre lang in
dürftiger, schwieriger, ja gefährlicher Stellung ausharrte. Als er 1778 nach
Bukarest kam. war er noch nicht zum Geistlichen ordinirt, und da die Ge.
meinte keine Mittel besaß, ihn zur Ordinarien nach Deutschland oder etwa


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[0515] Schweden zu verdanken, der in seinem Allianzvertrage mit der Türkei den evangelischen Christen sowohl in Constantinopel wie in Bukarest freie Reli¬ gionsübung und die Erlaubniß zum Kirchenbau ausbedang. Daher blieb auch die Bukarester deutsche Gemeinde, obwohl sie überwiegend aus einge- wanderten „Sachsen" aus Siebenbürgen bestand, von dieser Zeit an (die ge¬ nauere Zeit der Begründung ist nicht mehr zu ermitteln) bis 1839 unter schwedischen Schutz, und wir können (mit dem Verfasser) der schwedischen Ge- sandtschaft in Constantinopel das Zeugniß nicht versagen, daß sie sich lebhaft für ihre evangelischen Glaubensbrüder interessirt hat. Das erste fürstliche Privileg für die Gemeinde, das uns der Verfasser nebst allen folgenden im Anhange in rumänischer und deutscher Sprache mittheilt, datirt zwar erst aus dem Jahre 1751, doch ist schon früher die Existenz eines Pfarrers Wagner beglaubigt. Dieser stammte, wie fast alle seine Nachfolger und auch der Ver¬ fasser der vorliegenden Schrift, aus Siebenbürgen, und es wird demnach nicht ausfallen, daß im Laufe der Zeit mehrmals, aber immer vergeblich der Ver¬ such gemacht wurde, die Bukarester Gemeinde in eine Filiale der Superin- tendentur zu Kronstäbe zu verwandeln. Sicherlich lag der Grund zur Ab¬ weisung der von Bukarest ausgehenden Gesuche in der Furcht der Kron¬ städter Kirchenbehörde, sich dadurch auch ewe Verpflichtung zum Unterhalt der Kirche und des Pfarrers aufladen zu müssen. Die Gemeinde war keines¬ wegs reich, sie bestand und besteht größtentheils aus Handwerkern, neben diesen scheint die Zahl der Kowines literati im weiteren Sinne, die der Kauf¬ leute zu überflügeln. Ueberhaupt bietet die Geschichte der Gemeinde mehr einen Beweis für die passive Energie, als etwa für die glänzende Leistungsfähigkeit des deut¬ schen Volks. Die Gemeinde hatte immer mit Noth Und Elend zu kämpfen und schwebte beharrlich in einem Zustande zwischen Leben und Sterben, ob¬ wohl sie 1734 bereits 75 Familien zählte. Die Erlaubniß zum Bau einer Kirche war schon 1751 von dem Fürsten der Wallachei bewilligt aber wegen der folgenden Kriegszeiten nicht benützt worden; 1774 aber bestimmte Artikel 16 des Friedens von Kutschuck-Kainardschi von Neuem, daß die Pforte in beiden Donaufürstenthümern die freie Ausübung der christlichen Religion, sowie die Erbauung neuer und Herstellung alter Kirchen gestatte. Bald darauf ward auch der Kirchenbau in Angriff genommen. Es war ein Glück für die Gemeinde, daß sie in Johann Glöckner einen Mann fand, der an- fangs als Informator, dann als Pfarrer, endlich mit dem Titel eines Supe- rintendenten bei den Gemeinden zu Bukarest und Jassy 49 Jahre lang in dürftiger, schwieriger, ja gefährlicher Stellung ausharrte. Als er 1778 nach Bukarest kam. war er noch nicht zum Geistlichen ordinirt, und da die Ge. meinte keine Mittel besaß, ihn zur Ordinarien nach Deutschland oder etwa 64*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/515>, abgerufen am 24.07.2024.