Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.nach Constantinopel zum schwedischen Gesandtschaftsprediger zu schicken, so Seit 1783 hält Oestreich in Bukarest einen Consularagenten, was von nach Constantinopel zum schwedischen Gesandtschaftsprediger zu schicken, so Seit 1783 hält Oestreich in Bukarest einen Consularagenten, was von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0516" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121203"/> <p xml:id="ID_1546" prev="#ID_1545"> nach Constantinopel zum schwedischen Gesandtschaftsprediger zu schicken, so<lb/> ordinirte sie ihn selbst durch ihren Vorstand. Als er dann im folgenden<lb/> Jahre heirathete und weder ein katholischer noch ein griechischer Geistlicher<lb/> die Copulation vornehmen wollte, traute er sich selbst.</p><lb/> <p xml:id="ID_1547" next="#ID_1548"> Seit 1783 hält Oestreich in Bukarest einen Consularagenten, was von<lb/> Seiten Siebenbürgens schon längst gewünscht war. Es bestand neben der<lb/> evangelischen Gemeinde auch eine katholische, die ebenfalls überwiegend öst¬<lb/> reichische Unterthanen zählte. Ueber erstere äußerte sich der östreichische Haupt¬<lb/> mann Sulzer, der eben seine „Geschichte des transalpinischen Daciens" (Wien<lb/> 1782. 3 Bände) verfaßt hatte, in einem Gutachten über die Errichtung einer<lb/> k. k. Consular-Agentur: „Ich möchte den Lutheranern diesen kaiserlichen Schutz<lb/> um so lieber vergönnen, nicht blos, weil es nach meiner Ansicht sich nicht<lb/> schicket, daß die lutherisch-evangelische Gemeinde der siebenbürger Sachsen<lb/> unter dem schwedischen Residenten in Constantinopel steht, als vielmehr,<lb/> weil diese Leute, abgesehen von ihrem Gewerbfleiß, auch zur Landwnthschast<lb/> im transalpinischen Dacier aufgelegt sind, welche dem siebenbürgischen und<lb/> dem östreichisch-ungarischen Handel überhaupt ungemein zu Statten kommen<lb/> würde." Indeß der bald- darauf ausbrechende russisch-östreichische Krieg gegen<lb/> die Türkei brachte unsere Gemeinde eben durch ihr Verhältniß zu Oestreich<lb/> in die größte Gefahr. Da die meisten Mitglieder noch im östreichischen Unter-<lb/> thanenverbande standen, so mußten sie auf einen Befehl ihrer Regierung<lb/> das Land verlassen, unterwegs wurden sie aufgegriffen, und nur der energi¬<lb/> schen Berufung des Pfarrers Glöckner darauf, daß er und die Gemeinde<lb/> unter königlisch'schwedischen Schutze stehe, verdankten die meisten, daß sie der<lb/> Sclaverei oder dem Gefängniß entgingen. Der schwedische Gesandte in Constan¬<lb/> tinopel hatte zwar sofort zu Gunsten seiner Schutzbefohlenen intervenirt, aber<lb/> zwei großherrliche Fermans schlug der Hospodar in den Wind, erst auf den<lb/> dritten ließ er seine Gefangenen frei. Mit der Eroberung Bukarests durch<lb/> die Oestreicher kehrten die Deutschen zurück, und nach dem Frieden erhielten<lb/> sie in dem k. k. Consular-Agenten Merkelius, einen evangelischen sieben¬<lb/> bürger, einen treuen Beschützer, obwohl die kirchliche Gemeinde als solche<lb/> nach wie vor auf den schwedischen Schutz angewiesen blieb. Im Uebrigen<lb/> nahm die Zahl der Deutschen zu. Der Graf Batthyany, der im Anfang<lb/> unseres Jahrhunderts das damals 80,000 Einwohner zählende Bukarest be¬<lb/> schreibt, sagt in seinem Bericht: „Die vorzüglichsten Classen ihrer Bewohner<lb/> sind griechische und türkische Handelsleute, deutsche Handwerker und eine große<lb/> Zahl von Bojaren." Aber auch in den ersten Jahrzehnten unseres Jahr¬<lb/> hunderts litten die Stadt und die deutsche Gemeinde durch wiederholten Krieg,<lb/> durch Erdbeben und durch die Pest, doch befanden sich in der russischen Armee,<lb/> die 1812 die Stadt besetzte, viele protestantische Officiere, die sich der Ge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0516]
nach Constantinopel zum schwedischen Gesandtschaftsprediger zu schicken, so
ordinirte sie ihn selbst durch ihren Vorstand. Als er dann im folgenden
Jahre heirathete und weder ein katholischer noch ein griechischer Geistlicher
die Copulation vornehmen wollte, traute er sich selbst.
Seit 1783 hält Oestreich in Bukarest einen Consularagenten, was von
Seiten Siebenbürgens schon längst gewünscht war. Es bestand neben der
evangelischen Gemeinde auch eine katholische, die ebenfalls überwiegend öst¬
reichische Unterthanen zählte. Ueber erstere äußerte sich der östreichische Haupt¬
mann Sulzer, der eben seine „Geschichte des transalpinischen Daciens" (Wien
1782. 3 Bände) verfaßt hatte, in einem Gutachten über die Errichtung einer
k. k. Consular-Agentur: „Ich möchte den Lutheranern diesen kaiserlichen Schutz
um so lieber vergönnen, nicht blos, weil es nach meiner Ansicht sich nicht
schicket, daß die lutherisch-evangelische Gemeinde der siebenbürger Sachsen
unter dem schwedischen Residenten in Constantinopel steht, als vielmehr,
weil diese Leute, abgesehen von ihrem Gewerbfleiß, auch zur Landwnthschast
im transalpinischen Dacier aufgelegt sind, welche dem siebenbürgischen und
dem östreichisch-ungarischen Handel überhaupt ungemein zu Statten kommen
würde." Indeß der bald- darauf ausbrechende russisch-östreichische Krieg gegen
die Türkei brachte unsere Gemeinde eben durch ihr Verhältniß zu Oestreich
in die größte Gefahr. Da die meisten Mitglieder noch im östreichischen Unter-
thanenverbande standen, so mußten sie auf einen Befehl ihrer Regierung
das Land verlassen, unterwegs wurden sie aufgegriffen, und nur der energi¬
schen Berufung des Pfarrers Glöckner darauf, daß er und die Gemeinde
unter königlisch'schwedischen Schutze stehe, verdankten die meisten, daß sie der
Sclaverei oder dem Gefängniß entgingen. Der schwedische Gesandte in Constan¬
tinopel hatte zwar sofort zu Gunsten seiner Schutzbefohlenen intervenirt, aber
zwei großherrliche Fermans schlug der Hospodar in den Wind, erst auf den
dritten ließ er seine Gefangenen frei. Mit der Eroberung Bukarests durch
die Oestreicher kehrten die Deutschen zurück, und nach dem Frieden erhielten
sie in dem k. k. Consular-Agenten Merkelius, einen evangelischen sieben¬
bürger, einen treuen Beschützer, obwohl die kirchliche Gemeinde als solche
nach wie vor auf den schwedischen Schutz angewiesen blieb. Im Uebrigen
nahm die Zahl der Deutschen zu. Der Graf Batthyany, der im Anfang
unseres Jahrhunderts das damals 80,000 Einwohner zählende Bukarest be¬
schreibt, sagt in seinem Bericht: „Die vorzüglichsten Classen ihrer Bewohner
sind griechische und türkische Handelsleute, deutsche Handwerker und eine große
Zahl von Bojaren." Aber auch in den ersten Jahrzehnten unseres Jahr¬
hunderts litten die Stadt und die deutsche Gemeinde durch wiederholten Krieg,
durch Erdbeben und durch die Pest, doch befanden sich in der russischen Armee,
die 1812 die Stadt besetzte, viele protestantische Officiere, die sich der Ge-
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