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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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aus der Stadt wegholen, während das mangelnde Verhältniß zwischen der
Bremer Goldwährung und der Silberwährung des umgebenden Gebiets die
Ergänzung aus den unerschöpflichen Vorräthen des letzteren hindert.

Einheitliches Münzwesen ist demnach das erste aller Erfordernisse, die
bei der Reform ins Auge zu fassen sind. Das nächste ist die Durchführung
des modernen Decimalsystems, wie im Maß und Gewicht, so nun auch in
der Münze. Ob die Zehntheilung streng bis auf die unterste Stufe durch-
zuführen sei, darüber scheiden sich allerdings noch die Ansichten. namhafte
Stimmen halten hier im Interesse des kleinsten Verkehrs an der Zwölftheilung
fest. Allein daß oben und in der Mitte Zehn die Theilungsziffer sein müsse,
nicht 30 wie in Norddeutschland, oder 60 wie in Süddeutschland, oder 40
wie in Hamburg und Lübeck, und gar 72 wie in Bremen, darüber sind Alle
einverstanden.

Das dritte, ebenfalls nur noch vereinzelt bestrittene Erforderniß für die
Münzreform ist der Uebergang zur Goldwährung. Der volkswirtschaftliche
Congreß in Hamburg 1867 hat diesen einhellig verlangt; daß hinterdrein
ein paar seiner bedeutendsten Mitglieder, die zugleich in der volkswirthschaft-
lichen Gesellschaft zu Berlin den Ton angeben, von der reinen Goldwährung
ab- und der Doppelwährungs-Theorie Wolowski's zugefallen sind, darf man
vielleicht als eine Art ideeller Maskirung der nothgedrungenen Unthätigkeit
ansehen, in welcher das Bundeskanzleramt bisher zu der Sache verharrte.
Ernsthaftere Folgen wird es schwerlich nach sich ziehen, zumal Dr. Faucher
im neuesten Bande seiner Vierteljahrsschrift diese Velleitäten seinerseits
desavouirt hat, indem er sich mit Herrn Weibezahn, dem münzverständigen
Secretair der Kölner Handelskammer, für den Anschluß an das französische
Goldwährungssystem in der Form des Goldguldens (-- 2^2 Franken Gold)
ausspricht. -- Dr. Soetbeer verweilt in seiner neuesten Denkschrift nicht lange
bei den allgemeinen und immergültigen Gründen für die Goldwährung. Er
erörtert hauptsächlich diejenigen Gründe, welche für einen möglichst baldigen
Uebergang Deutschlands zu ihr sprechen. Als solche betrachtet er theils die
zunehmende Jsolirung der an der Silberwährung Hangenden Länder, theils
die voraussichtlich zunehmende Entwerthung des Silbers. Ueber die letztere
freilich urtheilt er mit der den Meister bezeichnenden Vorsicht. Er gibt zu,
daß sich eine so verwickelte Zukunftssrage mit Sicherheit nicht vorab ent¬
scheiden lasse; darum aber dürfen die Anzeichen, welche auf eine bestimmte
Lösung hindeuten, doch nicht übersehen werden. Es ist vor Allem die ins
Unabsehbare wachsende Herrschaft der Goldwährung, welche die Nachfrage nach
Silber vermindert, die Nachfrage nach Gold vermehrt, folglich den Werth des
ersteren im Verhältniß zu dem Werth des letzteren drücken muß. Wirkliche
Silberwährung haben jetzt außer Deutschland nur noch die Niederlande und


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aus der Stadt wegholen, während das mangelnde Verhältniß zwischen der
Bremer Goldwährung und der Silberwährung des umgebenden Gebiets die
Ergänzung aus den unerschöpflichen Vorräthen des letzteren hindert.

Einheitliches Münzwesen ist demnach das erste aller Erfordernisse, die
bei der Reform ins Auge zu fassen sind. Das nächste ist die Durchführung
des modernen Decimalsystems, wie im Maß und Gewicht, so nun auch in
der Münze. Ob die Zehntheilung streng bis auf die unterste Stufe durch-
zuführen sei, darüber scheiden sich allerdings noch die Ansichten. namhafte
Stimmen halten hier im Interesse des kleinsten Verkehrs an der Zwölftheilung
fest. Allein daß oben und in der Mitte Zehn die Theilungsziffer sein müsse,
nicht 30 wie in Norddeutschland, oder 60 wie in Süddeutschland, oder 40
wie in Hamburg und Lübeck, und gar 72 wie in Bremen, darüber sind Alle
einverstanden.

Das dritte, ebenfalls nur noch vereinzelt bestrittene Erforderniß für die
Münzreform ist der Uebergang zur Goldwährung. Der volkswirtschaftliche
Congreß in Hamburg 1867 hat diesen einhellig verlangt; daß hinterdrein
ein paar seiner bedeutendsten Mitglieder, die zugleich in der volkswirthschaft-
lichen Gesellschaft zu Berlin den Ton angeben, von der reinen Goldwährung
ab- und der Doppelwährungs-Theorie Wolowski's zugefallen sind, darf man
vielleicht als eine Art ideeller Maskirung der nothgedrungenen Unthätigkeit
ansehen, in welcher das Bundeskanzleramt bisher zu der Sache verharrte.
Ernsthaftere Folgen wird es schwerlich nach sich ziehen, zumal Dr. Faucher
im neuesten Bande seiner Vierteljahrsschrift diese Velleitäten seinerseits
desavouirt hat, indem er sich mit Herrn Weibezahn, dem münzverständigen
Secretair der Kölner Handelskammer, für den Anschluß an das französische
Goldwährungssystem in der Form des Goldguldens (— 2^2 Franken Gold)
ausspricht. — Dr. Soetbeer verweilt in seiner neuesten Denkschrift nicht lange
bei den allgemeinen und immergültigen Gründen für die Goldwährung. Er
erörtert hauptsächlich diejenigen Gründe, welche für einen möglichst baldigen
Uebergang Deutschlands zu ihr sprechen. Als solche betrachtet er theils die
zunehmende Jsolirung der an der Silberwährung Hangenden Länder, theils
die voraussichtlich zunehmende Entwerthung des Silbers. Ueber die letztere
freilich urtheilt er mit der den Meister bezeichnenden Vorsicht. Er gibt zu,
daß sich eine so verwickelte Zukunftssrage mit Sicherheit nicht vorab ent¬
scheiden lasse; darum aber dürfen die Anzeichen, welche auf eine bestimmte
Lösung hindeuten, doch nicht übersehen werden. Es ist vor Allem die ins
Unabsehbare wachsende Herrschaft der Goldwährung, welche die Nachfrage nach
Silber vermindert, die Nachfrage nach Gold vermehrt, folglich den Werth des
ersteren im Verhältniß zu dem Werth des letzteren drücken muß. Wirkliche
Silberwährung haben jetzt außer Deutschland nur noch die Niederlande und


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[0491] aus der Stadt wegholen, während das mangelnde Verhältniß zwischen der Bremer Goldwährung und der Silberwährung des umgebenden Gebiets die Ergänzung aus den unerschöpflichen Vorräthen des letzteren hindert. Einheitliches Münzwesen ist demnach das erste aller Erfordernisse, die bei der Reform ins Auge zu fassen sind. Das nächste ist die Durchführung des modernen Decimalsystems, wie im Maß und Gewicht, so nun auch in der Münze. Ob die Zehntheilung streng bis auf die unterste Stufe durch- zuführen sei, darüber scheiden sich allerdings noch die Ansichten. namhafte Stimmen halten hier im Interesse des kleinsten Verkehrs an der Zwölftheilung fest. Allein daß oben und in der Mitte Zehn die Theilungsziffer sein müsse, nicht 30 wie in Norddeutschland, oder 60 wie in Süddeutschland, oder 40 wie in Hamburg und Lübeck, und gar 72 wie in Bremen, darüber sind Alle einverstanden. Das dritte, ebenfalls nur noch vereinzelt bestrittene Erforderniß für die Münzreform ist der Uebergang zur Goldwährung. Der volkswirtschaftliche Congreß in Hamburg 1867 hat diesen einhellig verlangt; daß hinterdrein ein paar seiner bedeutendsten Mitglieder, die zugleich in der volkswirthschaft- lichen Gesellschaft zu Berlin den Ton angeben, von der reinen Goldwährung ab- und der Doppelwährungs-Theorie Wolowski's zugefallen sind, darf man vielleicht als eine Art ideeller Maskirung der nothgedrungenen Unthätigkeit ansehen, in welcher das Bundeskanzleramt bisher zu der Sache verharrte. Ernsthaftere Folgen wird es schwerlich nach sich ziehen, zumal Dr. Faucher im neuesten Bande seiner Vierteljahrsschrift diese Velleitäten seinerseits desavouirt hat, indem er sich mit Herrn Weibezahn, dem münzverständigen Secretair der Kölner Handelskammer, für den Anschluß an das französische Goldwährungssystem in der Form des Goldguldens (— 2^2 Franken Gold) ausspricht. — Dr. Soetbeer verweilt in seiner neuesten Denkschrift nicht lange bei den allgemeinen und immergültigen Gründen für die Goldwährung. Er erörtert hauptsächlich diejenigen Gründe, welche für einen möglichst baldigen Uebergang Deutschlands zu ihr sprechen. Als solche betrachtet er theils die zunehmende Jsolirung der an der Silberwährung Hangenden Länder, theils die voraussichtlich zunehmende Entwerthung des Silbers. Ueber die letztere freilich urtheilt er mit der den Meister bezeichnenden Vorsicht. Er gibt zu, daß sich eine so verwickelte Zukunftssrage mit Sicherheit nicht vorab ent¬ scheiden lasse; darum aber dürfen die Anzeichen, welche auf eine bestimmte Lösung hindeuten, doch nicht übersehen werden. Es ist vor Allem die ins Unabsehbare wachsende Herrschaft der Goldwährung, welche die Nachfrage nach Silber vermindert, die Nachfrage nach Gold vermehrt, folglich den Werth des ersteren im Verhältniß zu dem Werth des letzteren drücken muß. Wirkliche Silberwährung haben jetzt außer Deutschland nur noch die Niederlande und 61*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/491>, abgerufen am 04.07.2024.