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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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die skandinavischen Staaten; letztere heben den Fuß schon auf, um in das
Lager der Goldwährung überzugehen. Aber auch Frankreich, das gesetzlich
noch Gold- und Silberwährung neben einander hat, wenn auch thatsächlich
seit 1830 weit mehr Gold- als Silberwährung, schickt sich an, der Silber¬
währung endgültig Valet (oder vielmehr Valuit) zu sagen. Dann wird die
Frage: wohin mit unserem überschüssigen Silbergelde, welche jetzt kurzsichtige
unentschlossene Praktiker abschreckt, die Münzreform überhaupt ins Auge zu
fassen, eine verhängnißvolle Bedeutung erlangen, und in dem Maße, wie die
Schwierigkeit wächst, auch in den Kreisen der jetzt noch widerstrebenden
Finanzmänner der Drang, ihr zu entrinnen, wachsen.

Der Verkehr auf seinen höheren Stufen erheischt Goldmünzen; darüber
ist so ziemlich alle Welt einig. Die kleinen Papiergeldzettel und Banknoten,
welche gegenwärtig in Deutschland ihre Stelle vertreten, sind nur ein mangel¬
haftes und bedenkliches Surrogat, dessen man sich sobald als möglich zu ent¬
äußern trachten muß. Goldmünzen aber in hinlänglicher Fülle und stetig,
keit im Umlauf zu erhalten, erlaubt nur die Goldwährung, nicht die Silber¬
währung. Der letzte in Deutschland angestellte Versuch, bei fortbestehender
Silberwährung den Verkehr mit den ihm nöthigen Goldmünzen zu speisen,
die Goldkronen des Wiener Münzvertrags von 1857, ist bekanntlich vom ersten
Tage an fehlgeschlagen. An sich hatte die Krone ihre Vorzüge, sie stand in
einem einfachen Gewichtsverhältniß zu dem Zollpfund oder dem Kilogramm
feinen Goldes, was zwar wichtiger für die Münzstätten und den Edelmetall-
Handel als für den Verkehr im Allgemeinen ist, in unserer Zeit aber doch
einem gewissen principiellen Ideal entspricht. Wir sehen daher auch nicht
nur Michel Chevalier bei jeder neuen Discussion der Frage auf diese ein¬
fache Gewichtsableitung der Normalmünze aus dem Kilogramm Gold zurück¬
kommen, sondern neuerdings sogar die Krone selbst in Amerika zur Grund¬
lage eines frischen Weltmünzplanes werden. Diese Auferstehung im Geiste
wird sie nun allerdings von ihrem fleischlichen Untergange diesseits des atlan¬
tischen Meeres nicht retten. Sie ist nicht geworden, was sie werden sollte:
die Handelsgoldmünze Deutschlands und Oestreichs. Sie hat weiter keine
wesentliche wirthschaftliche Bedeutung erlangt, als daß sie in dem Umfange,
wie sie überhaupt ausgeprägt worden, statt der ausgegangenen Louisd'ors
oder Pistolen der Bremer Bank als Metalldeckung für ihre Noten dient, die
ihrerseits dem Bremer Geldwesen das einstweilige Festhalten an seinem ganz
isolirten Goldwährungssystem ermöglichen. Von Bremen fließen die deutschen
Kronen, soweit man sie da nicht festhält, nicht etwa ins innere Deutschland
zurück, sondern nach Straßburg in den französischen Münztiegel, um zu
Napoleonsd'ors umgeschmolzen zu werden.

Das alte Preußen hatte bis Ende 1867 überhaupt nur 91,811 Kronen


die skandinavischen Staaten; letztere heben den Fuß schon auf, um in das
Lager der Goldwährung überzugehen. Aber auch Frankreich, das gesetzlich
noch Gold- und Silberwährung neben einander hat, wenn auch thatsächlich
seit 1830 weit mehr Gold- als Silberwährung, schickt sich an, der Silber¬
währung endgültig Valet (oder vielmehr Valuit) zu sagen. Dann wird die
Frage: wohin mit unserem überschüssigen Silbergelde, welche jetzt kurzsichtige
unentschlossene Praktiker abschreckt, die Münzreform überhaupt ins Auge zu
fassen, eine verhängnißvolle Bedeutung erlangen, und in dem Maße, wie die
Schwierigkeit wächst, auch in den Kreisen der jetzt noch widerstrebenden
Finanzmänner der Drang, ihr zu entrinnen, wachsen.

Der Verkehr auf seinen höheren Stufen erheischt Goldmünzen; darüber
ist so ziemlich alle Welt einig. Die kleinen Papiergeldzettel und Banknoten,
welche gegenwärtig in Deutschland ihre Stelle vertreten, sind nur ein mangel¬
haftes und bedenkliches Surrogat, dessen man sich sobald als möglich zu ent¬
äußern trachten muß. Goldmünzen aber in hinlänglicher Fülle und stetig,
keit im Umlauf zu erhalten, erlaubt nur die Goldwährung, nicht die Silber¬
währung. Der letzte in Deutschland angestellte Versuch, bei fortbestehender
Silberwährung den Verkehr mit den ihm nöthigen Goldmünzen zu speisen,
die Goldkronen des Wiener Münzvertrags von 1857, ist bekanntlich vom ersten
Tage an fehlgeschlagen. An sich hatte die Krone ihre Vorzüge, sie stand in
einem einfachen Gewichtsverhältniß zu dem Zollpfund oder dem Kilogramm
feinen Goldes, was zwar wichtiger für die Münzstätten und den Edelmetall-
Handel als für den Verkehr im Allgemeinen ist, in unserer Zeit aber doch
einem gewissen principiellen Ideal entspricht. Wir sehen daher auch nicht
nur Michel Chevalier bei jeder neuen Discussion der Frage auf diese ein¬
fache Gewichtsableitung der Normalmünze aus dem Kilogramm Gold zurück¬
kommen, sondern neuerdings sogar die Krone selbst in Amerika zur Grund¬
lage eines frischen Weltmünzplanes werden. Diese Auferstehung im Geiste
wird sie nun allerdings von ihrem fleischlichen Untergange diesseits des atlan¬
tischen Meeres nicht retten. Sie ist nicht geworden, was sie werden sollte:
die Handelsgoldmünze Deutschlands und Oestreichs. Sie hat weiter keine
wesentliche wirthschaftliche Bedeutung erlangt, als daß sie in dem Umfange,
wie sie überhaupt ausgeprägt worden, statt der ausgegangenen Louisd'ors
oder Pistolen der Bremer Bank als Metalldeckung für ihre Noten dient, die
ihrerseits dem Bremer Geldwesen das einstweilige Festhalten an seinem ganz
isolirten Goldwährungssystem ermöglichen. Von Bremen fließen die deutschen
Kronen, soweit man sie da nicht festhält, nicht etwa ins innere Deutschland
zurück, sondern nach Straßburg in den französischen Münztiegel, um zu
Napoleonsd'ors umgeschmolzen zu werden.

Das alte Preußen hatte bis Ende 1867 überhaupt nur 91,811 Kronen


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[0492] die skandinavischen Staaten; letztere heben den Fuß schon auf, um in das Lager der Goldwährung überzugehen. Aber auch Frankreich, das gesetzlich noch Gold- und Silberwährung neben einander hat, wenn auch thatsächlich seit 1830 weit mehr Gold- als Silberwährung, schickt sich an, der Silber¬ währung endgültig Valet (oder vielmehr Valuit) zu sagen. Dann wird die Frage: wohin mit unserem überschüssigen Silbergelde, welche jetzt kurzsichtige unentschlossene Praktiker abschreckt, die Münzreform überhaupt ins Auge zu fassen, eine verhängnißvolle Bedeutung erlangen, und in dem Maße, wie die Schwierigkeit wächst, auch in den Kreisen der jetzt noch widerstrebenden Finanzmänner der Drang, ihr zu entrinnen, wachsen. Der Verkehr auf seinen höheren Stufen erheischt Goldmünzen; darüber ist so ziemlich alle Welt einig. Die kleinen Papiergeldzettel und Banknoten, welche gegenwärtig in Deutschland ihre Stelle vertreten, sind nur ein mangel¬ haftes und bedenkliches Surrogat, dessen man sich sobald als möglich zu ent¬ äußern trachten muß. Goldmünzen aber in hinlänglicher Fülle und stetig, keit im Umlauf zu erhalten, erlaubt nur die Goldwährung, nicht die Silber¬ währung. Der letzte in Deutschland angestellte Versuch, bei fortbestehender Silberwährung den Verkehr mit den ihm nöthigen Goldmünzen zu speisen, die Goldkronen des Wiener Münzvertrags von 1857, ist bekanntlich vom ersten Tage an fehlgeschlagen. An sich hatte die Krone ihre Vorzüge, sie stand in einem einfachen Gewichtsverhältniß zu dem Zollpfund oder dem Kilogramm feinen Goldes, was zwar wichtiger für die Münzstätten und den Edelmetall- Handel als für den Verkehr im Allgemeinen ist, in unserer Zeit aber doch einem gewissen principiellen Ideal entspricht. Wir sehen daher auch nicht nur Michel Chevalier bei jeder neuen Discussion der Frage auf diese ein¬ fache Gewichtsableitung der Normalmünze aus dem Kilogramm Gold zurück¬ kommen, sondern neuerdings sogar die Krone selbst in Amerika zur Grund¬ lage eines frischen Weltmünzplanes werden. Diese Auferstehung im Geiste wird sie nun allerdings von ihrem fleischlichen Untergange diesseits des atlan¬ tischen Meeres nicht retten. Sie ist nicht geworden, was sie werden sollte: die Handelsgoldmünze Deutschlands und Oestreichs. Sie hat weiter keine wesentliche wirthschaftliche Bedeutung erlangt, als daß sie in dem Umfange, wie sie überhaupt ausgeprägt worden, statt der ausgegangenen Louisd'ors oder Pistolen der Bremer Bank als Metalldeckung für ihre Noten dient, die ihrerseits dem Bremer Geldwesen das einstweilige Festhalten an seinem ganz isolirten Goldwährungssystem ermöglichen. Von Bremen fließen die deutschen Kronen, soweit man sie da nicht festhält, nicht etwa ins innere Deutschland zurück, sondern nach Straßburg in den französischen Münztiegel, um zu Napoleonsd'ors umgeschmolzen zu werden. Das alte Preußen hatte bis Ende 1867 überhaupt nur 91,811 Kronen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/492>, abgerufen am 24.07.2024.