Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Weise geändert. Erstens ist zu der seemännischen Bevölkerung Preußens der
bedeutende Zuwachs aus den neuen Provinzen und dann auch derjenige der
Hansestädte und des ganzen übrigen Norddeutschlands hinzugekommen. So¬
dann hat die Erfahrung, daß in den Seegefechten die Kriegsschiffe sich nicht
mehr unter Segel schlagen, alle die Mannschaften überflüssig gemacht, welche
in den früheren Seeschlachten ausschließlich die Takelage zu bedienen hatten.
Auch für die übrigbleibenden Geschützmannschaften ist durch die Einführung
großer Caliber mit mechanischen Vorrichtungen zur Bedienung und durch die
Verminderung der Zahl der Schiffsgeschütze eine bedeutende Verringerung der
Zahl der Leute eingetreten, und endlich bewirkt das Aufkommen der Panzer¬
schiffe, daß sehr viel weniger Verluste eintreten, mithin weniger Leute ge¬
braucht werden. In den großen Schlachtflotten sind so an die Stelle der
früheren Linienschiffe mit 800, 900 und 1000 Mann Besatzung Panzer¬
fregatten mit 4--600 Mann Besatzung getreten; selbst die größten Panzer¬
schiffe, welche die früheren Dreidecker von 1200--1300 Mann bedeutend über¬
treffen, haben nur 700 Mann Besatzung nöthig. Und wenn auch diejenigen
Flotten, welche, wie früher die englische, in der zahlreichen Bemannung ihrer
Handelsmarine, also dem zahlreichen disponibeln Material seegeübter Mann¬
schaften das Hauptübergewicht über ihre Gegner besaßen, durch diesen Um¬
schwung wesentlich verloren haben, so sind doch auch sie damit zufrieden; die
Engländer sparen dadurch bei ihrem kostspieligen Werbesystem ganz bedeutend,
und den Franzosen hilft die große Zahl ihrer durch die inseriptiou maritime
disponiblen Seeleute auch nicht mehr viel.

Am meisten Ursache, mit diesem Umschwung der Verhältnisse zufrieden zu
sein, hat Deutschland; bei unserer immerhin beschränkten Matrosenzahl haben
wir so die Aussicht, im Kriegsfalle eine bedeutendere Flotte bemannen zu
können, und im Frieden können wir die Handelsmarine um so mehr schonen.
Nach den jetzt geltenden gesetzlichen Verordnungen ist nun die gesammte see¬
männische Bevölkerung des norddeutschen Bundes vom Dienst im Landheer
befreit, dagegen zum Dienst in der Kriegsmarine verpflichtet. Zur seemänni¬
schen Bevölkerung werden gerechnet: Seeleute von Beruf, d. h. Personen,
welche mindestens ein Jahr aus norddeutschen See-, Küsten- oder Hafffahr¬
zeugen oder Booten gefahren sind; See-, Küsten- und Hafffischer, welche
die Fischerei mindestens ein Jahr gewerbsmäßig betrieben haben; Schiffs¬
zimmerleute, welche nachweislich zur See gefahren sind, und Maschinisten,
Maschinistenassistenten und Heizer von See- und Flußdampfern. Nach den
Berechnungen unseres Fachmannes haben die norddeutschen Küstenstaaten .
40,000 wirkliche Seeleute, und zwar Mecklenburg 3000, die Hansestädte
10,000, Preußen 10,000, Schleswig-Holstein 8000 und Hannover und Olden¬
burg zusammen 8000, sodaß hiernach das jetzige Preußen etwa 24,000, die


Weise geändert. Erstens ist zu der seemännischen Bevölkerung Preußens der
bedeutende Zuwachs aus den neuen Provinzen und dann auch derjenige der
Hansestädte und des ganzen übrigen Norddeutschlands hinzugekommen. So¬
dann hat die Erfahrung, daß in den Seegefechten die Kriegsschiffe sich nicht
mehr unter Segel schlagen, alle die Mannschaften überflüssig gemacht, welche
in den früheren Seeschlachten ausschließlich die Takelage zu bedienen hatten.
Auch für die übrigbleibenden Geschützmannschaften ist durch die Einführung
großer Caliber mit mechanischen Vorrichtungen zur Bedienung und durch die
Verminderung der Zahl der Schiffsgeschütze eine bedeutende Verringerung der
Zahl der Leute eingetreten, und endlich bewirkt das Aufkommen der Panzer¬
schiffe, daß sehr viel weniger Verluste eintreten, mithin weniger Leute ge¬
braucht werden. In den großen Schlachtflotten sind so an die Stelle der
früheren Linienschiffe mit 800, 900 und 1000 Mann Besatzung Panzer¬
fregatten mit 4—600 Mann Besatzung getreten; selbst die größten Panzer¬
schiffe, welche die früheren Dreidecker von 1200—1300 Mann bedeutend über¬
treffen, haben nur 700 Mann Besatzung nöthig. Und wenn auch diejenigen
Flotten, welche, wie früher die englische, in der zahlreichen Bemannung ihrer
Handelsmarine, also dem zahlreichen disponibeln Material seegeübter Mann¬
schaften das Hauptübergewicht über ihre Gegner besaßen, durch diesen Um¬
schwung wesentlich verloren haben, so sind doch auch sie damit zufrieden; die
Engländer sparen dadurch bei ihrem kostspieligen Werbesystem ganz bedeutend,
und den Franzosen hilft die große Zahl ihrer durch die inseriptiou maritime
disponiblen Seeleute auch nicht mehr viel.

Am meisten Ursache, mit diesem Umschwung der Verhältnisse zufrieden zu
sein, hat Deutschland; bei unserer immerhin beschränkten Matrosenzahl haben
wir so die Aussicht, im Kriegsfalle eine bedeutendere Flotte bemannen zu
können, und im Frieden können wir die Handelsmarine um so mehr schonen.
Nach den jetzt geltenden gesetzlichen Verordnungen ist nun die gesammte see¬
männische Bevölkerung des norddeutschen Bundes vom Dienst im Landheer
befreit, dagegen zum Dienst in der Kriegsmarine verpflichtet. Zur seemänni¬
schen Bevölkerung werden gerechnet: Seeleute von Beruf, d. h. Personen,
welche mindestens ein Jahr aus norddeutschen See-, Küsten- oder Hafffahr¬
zeugen oder Booten gefahren sind; See-, Küsten- und Hafffischer, welche
die Fischerei mindestens ein Jahr gewerbsmäßig betrieben haben; Schiffs¬
zimmerleute, welche nachweislich zur See gefahren sind, und Maschinisten,
Maschinistenassistenten und Heizer von See- und Flußdampfern. Nach den
Berechnungen unseres Fachmannes haben die norddeutschen Küstenstaaten .
40,000 wirkliche Seeleute, und zwar Mecklenburg 3000, die Hansestädte
10,000, Preußen 10,000, Schleswig-Holstein 8000 und Hannover und Olden¬
burg zusammen 8000, sodaß hiernach das jetzige Preußen etwa 24,000, die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0470" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121157"/>
            <p xml:id="ID_1421" prev="#ID_1420"> Weise geändert. Erstens ist zu der seemännischen Bevölkerung Preußens der<lb/>
bedeutende Zuwachs aus den neuen Provinzen und dann auch derjenige der<lb/>
Hansestädte und des ganzen übrigen Norddeutschlands hinzugekommen. So¬<lb/>
dann hat die Erfahrung, daß in den Seegefechten die Kriegsschiffe sich nicht<lb/>
mehr unter Segel schlagen, alle die Mannschaften überflüssig gemacht, welche<lb/>
in den früheren Seeschlachten ausschließlich die Takelage zu bedienen hatten.<lb/>
Auch für die übrigbleibenden Geschützmannschaften ist durch die Einführung<lb/>
großer Caliber mit mechanischen Vorrichtungen zur Bedienung und durch die<lb/>
Verminderung der Zahl der Schiffsgeschütze eine bedeutende Verringerung der<lb/>
Zahl der Leute eingetreten, und endlich bewirkt das Aufkommen der Panzer¬<lb/>
schiffe, daß sehr viel weniger Verluste eintreten, mithin weniger Leute ge¬<lb/>
braucht werden. In den großen Schlachtflotten sind so an die Stelle der<lb/>
früheren Linienschiffe mit 800, 900 und 1000 Mann Besatzung Panzer¬<lb/>
fregatten mit 4&#x2014;600 Mann Besatzung getreten; selbst die größten Panzer¬<lb/>
schiffe, welche die früheren Dreidecker von 1200&#x2014;1300 Mann bedeutend über¬<lb/>
treffen, haben nur 700 Mann Besatzung nöthig. Und wenn auch diejenigen<lb/>
Flotten, welche, wie früher die englische, in der zahlreichen Bemannung ihrer<lb/>
Handelsmarine, also dem zahlreichen disponibeln Material seegeübter Mann¬<lb/>
schaften das Hauptübergewicht über ihre Gegner besaßen, durch diesen Um¬<lb/>
schwung wesentlich verloren haben, so sind doch auch sie damit zufrieden; die<lb/>
Engländer sparen dadurch bei ihrem kostspieligen Werbesystem ganz bedeutend,<lb/>
und den Franzosen hilft die große Zahl ihrer durch die inseriptiou maritime<lb/>
disponiblen Seeleute auch nicht mehr viel.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1422" next="#ID_1423"> Am meisten Ursache, mit diesem Umschwung der Verhältnisse zufrieden zu<lb/>
sein, hat Deutschland; bei unserer immerhin beschränkten Matrosenzahl haben<lb/>
wir so die Aussicht, im Kriegsfalle eine bedeutendere Flotte bemannen zu<lb/>
können, und im Frieden können wir die Handelsmarine um so mehr schonen.<lb/>
Nach den jetzt geltenden gesetzlichen Verordnungen ist nun die gesammte see¬<lb/>
männische Bevölkerung des norddeutschen Bundes vom Dienst im Landheer<lb/>
befreit, dagegen zum Dienst in der Kriegsmarine verpflichtet. Zur seemänni¬<lb/>
schen Bevölkerung werden gerechnet: Seeleute von Beruf, d. h. Personen,<lb/>
welche mindestens ein Jahr aus norddeutschen See-, Küsten- oder Hafffahr¬<lb/>
zeugen oder Booten gefahren sind; See-, Küsten- und Hafffischer, welche<lb/>
die Fischerei mindestens ein Jahr gewerbsmäßig betrieben haben; Schiffs¬<lb/>
zimmerleute, welche nachweislich zur See gefahren sind, und Maschinisten,<lb/>
Maschinistenassistenten und Heizer von See- und Flußdampfern. Nach den<lb/>
Berechnungen unseres Fachmannes haben die norddeutschen Küstenstaaten .<lb/>
40,000 wirkliche Seeleute, und zwar Mecklenburg 3000, die Hansestädte<lb/>
10,000, Preußen 10,000, Schleswig-Holstein 8000 und Hannover und Olden¬<lb/>
burg zusammen 8000, sodaß hiernach das jetzige Preußen etwa 24,000, die</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0470] Weise geändert. Erstens ist zu der seemännischen Bevölkerung Preußens der bedeutende Zuwachs aus den neuen Provinzen und dann auch derjenige der Hansestädte und des ganzen übrigen Norddeutschlands hinzugekommen. So¬ dann hat die Erfahrung, daß in den Seegefechten die Kriegsschiffe sich nicht mehr unter Segel schlagen, alle die Mannschaften überflüssig gemacht, welche in den früheren Seeschlachten ausschließlich die Takelage zu bedienen hatten. Auch für die übrigbleibenden Geschützmannschaften ist durch die Einführung großer Caliber mit mechanischen Vorrichtungen zur Bedienung und durch die Verminderung der Zahl der Schiffsgeschütze eine bedeutende Verringerung der Zahl der Leute eingetreten, und endlich bewirkt das Aufkommen der Panzer¬ schiffe, daß sehr viel weniger Verluste eintreten, mithin weniger Leute ge¬ braucht werden. In den großen Schlachtflotten sind so an die Stelle der früheren Linienschiffe mit 800, 900 und 1000 Mann Besatzung Panzer¬ fregatten mit 4—600 Mann Besatzung getreten; selbst die größten Panzer¬ schiffe, welche die früheren Dreidecker von 1200—1300 Mann bedeutend über¬ treffen, haben nur 700 Mann Besatzung nöthig. Und wenn auch diejenigen Flotten, welche, wie früher die englische, in der zahlreichen Bemannung ihrer Handelsmarine, also dem zahlreichen disponibeln Material seegeübter Mann¬ schaften das Hauptübergewicht über ihre Gegner besaßen, durch diesen Um¬ schwung wesentlich verloren haben, so sind doch auch sie damit zufrieden; die Engländer sparen dadurch bei ihrem kostspieligen Werbesystem ganz bedeutend, und den Franzosen hilft die große Zahl ihrer durch die inseriptiou maritime disponiblen Seeleute auch nicht mehr viel. Am meisten Ursache, mit diesem Umschwung der Verhältnisse zufrieden zu sein, hat Deutschland; bei unserer immerhin beschränkten Matrosenzahl haben wir so die Aussicht, im Kriegsfalle eine bedeutendere Flotte bemannen zu können, und im Frieden können wir die Handelsmarine um so mehr schonen. Nach den jetzt geltenden gesetzlichen Verordnungen ist nun die gesammte see¬ männische Bevölkerung des norddeutschen Bundes vom Dienst im Landheer befreit, dagegen zum Dienst in der Kriegsmarine verpflichtet. Zur seemänni¬ schen Bevölkerung werden gerechnet: Seeleute von Beruf, d. h. Personen, welche mindestens ein Jahr aus norddeutschen See-, Küsten- oder Hafffahr¬ zeugen oder Booten gefahren sind; See-, Küsten- und Hafffischer, welche die Fischerei mindestens ein Jahr gewerbsmäßig betrieben haben; Schiffs¬ zimmerleute, welche nachweislich zur See gefahren sind, und Maschinisten, Maschinistenassistenten und Heizer von See- und Flußdampfern. Nach den Berechnungen unseres Fachmannes haben die norddeutschen Küstenstaaten . 40,000 wirkliche Seeleute, und zwar Mecklenburg 3000, die Hansestädte 10,000, Preußen 10,000, Schleswig-Holstein 8000 und Hannover und Olden¬ burg zusammen 8000, sodaß hiernach das jetzige Preußen etwa 24,000, die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/470
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/470>, abgerufen am 04.07.2024.