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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Petition verwandt zu werden, und nur wenn diese Chance zu den Selten¬
heiten gehört, wenn der an ungebunderes Leben gewöhnte Matrose nicht
mehr zu fürchten braucht, drei Jahre im strengen und für tüchtige Leute
nicht sonderlich bezahlten Kriegsschiffsdienst festgehalten zu werden, wird er
sich gern zur Erfüllung seiner Dienstpflicht stellen. Ferner vermindert sich
das Bedürfniß der präsent zu haltenden, aus der Handelsmarine eingezoge¬
nen Matrosen; sowohl die Zahl der eingezogenen Individuen als die Dauer
ihrer Dienstzeit kann vermindert werden. Außerdem ist die Heranbildung
möglichst zahlreicher Stammmannschaften noch aus dem Grunde wünschens-
werth, weil nur bet großer Stärke derselben die Flotte im Stande ist, zu
jeder Zeit alle Schiffe genügend zu bemannen. Wollte man sich in dieser
Beziehung blos auf die einzuziehenden Mannschaften der Handelsmanne ver¬
lassen, so würde, wenn im Frühjahr nach Aufgang der Schifffahrt ein Krieg
ausbricht, die Flotte nicht ordentlich bemannt werden können. Denn dann
wäre der größte Theil der Matrosen in fernen Ländern, aus denen sie ent¬
weder nur mit großem Zeitverlust, oder aber während des Krieges garnicht
heimkehren könnten. Endlich sollte man auch die Uebungszeit möglichst bequem
zu legen suchen, wie wir oben im Einzelnen ausführten, d. h. den ersten Theil
der Ausbildung mit dem Gewehr und am Geschütz im Winter vornehmen.
Wo der Matrose wegen Stillliegens der Schifffahrt doch müßig ist, sodaß er,
wenn sein Schiff in See kommt, schon alle Vorbildung hat und nur einen
Sommer in Dienst gehalten zu werden braucht. Durch diese Maßregel würde
man der Abneigung, welche zum Theil auf der Handelsmarine gegen den
Kriegsschiffsdienst herrscht, völlig die Spitze abbrechen, .und die Fälle, wo die
Kauffahrteimatrosen sich der Dienstpflicht entziehen, selten machen. Es ist
also namentlich der Erlaß einer Königlichen Verordnung zu wünschen,
des Inhalts, daß die Matrosen, wo nicht besondere Verhältnisse wie Mohn,
machungen eintreten, nur 16 Monate dienen. Im Kriegsfall aber würde der
Handel die übrigen eingezogenen Matrosen nicht entbehren, da doch nur die¬
jenigen einziehbar sind, welche in unseren Häfen liegen, der Schiffsverkehr in
diesen Häfen dann eben des Krieges wegen ruht.

Unter diesen Bedingungen wird denn auch Deutschland im Stande sein,
nicht blos eine Flotte von der Größe zu bemannen, wie sie nach den Vor¬
lagen der Regierung an den Reichstag in Aussicht genommen ist. sondern
es wird späterhin mit Leichtigkeit möglich sein, eine noch viel größere Flotte
ZU bemannen. Bei den Verhandlungen im preußischen Abgeordnetenhause in
den Jahren 1862 und 1863 wurde von Seiten der Opposition namentlich
betont, daß Preußen nicht die genügende Anzahl Matrosen liefern könne, um
die damals projectirte Flotte zu bemannen, und es lag in dieser Behauptung
ein Theil Wahrheit. ' Jetzt haben sich aber die Verhältnisse in günstigster


Petition verwandt zu werden, und nur wenn diese Chance zu den Selten¬
heiten gehört, wenn der an ungebunderes Leben gewöhnte Matrose nicht
mehr zu fürchten braucht, drei Jahre im strengen und für tüchtige Leute
nicht sonderlich bezahlten Kriegsschiffsdienst festgehalten zu werden, wird er
sich gern zur Erfüllung seiner Dienstpflicht stellen. Ferner vermindert sich
das Bedürfniß der präsent zu haltenden, aus der Handelsmarine eingezoge¬
nen Matrosen; sowohl die Zahl der eingezogenen Individuen als die Dauer
ihrer Dienstzeit kann vermindert werden. Außerdem ist die Heranbildung
möglichst zahlreicher Stammmannschaften noch aus dem Grunde wünschens-
werth, weil nur bet großer Stärke derselben die Flotte im Stande ist, zu
jeder Zeit alle Schiffe genügend zu bemannen. Wollte man sich in dieser
Beziehung blos auf die einzuziehenden Mannschaften der Handelsmanne ver¬
lassen, so würde, wenn im Frühjahr nach Aufgang der Schifffahrt ein Krieg
ausbricht, die Flotte nicht ordentlich bemannt werden können. Denn dann
wäre der größte Theil der Matrosen in fernen Ländern, aus denen sie ent¬
weder nur mit großem Zeitverlust, oder aber während des Krieges garnicht
heimkehren könnten. Endlich sollte man auch die Uebungszeit möglichst bequem
zu legen suchen, wie wir oben im Einzelnen ausführten, d. h. den ersten Theil
der Ausbildung mit dem Gewehr und am Geschütz im Winter vornehmen.
Wo der Matrose wegen Stillliegens der Schifffahrt doch müßig ist, sodaß er,
wenn sein Schiff in See kommt, schon alle Vorbildung hat und nur einen
Sommer in Dienst gehalten zu werden braucht. Durch diese Maßregel würde
man der Abneigung, welche zum Theil auf der Handelsmarine gegen den
Kriegsschiffsdienst herrscht, völlig die Spitze abbrechen, .und die Fälle, wo die
Kauffahrteimatrosen sich der Dienstpflicht entziehen, selten machen. Es ist
also namentlich der Erlaß einer Königlichen Verordnung zu wünschen,
des Inhalts, daß die Matrosen, wo nicht besondere Verhältnisse wie Mohn,
machungen eintreten, nur 16 Monate dienen. Im Kriegsfall aber würde der
Handel die übrigen eingezogenen Matrosen nicht entbehren, da doch nur die¬
jenigen einziehbar sind, welche in unseren Häfen liegen, der Schiffsverkehr in
diesen Häfen dann eben des Krieges wegen ruht.

Unter diesen Bedingungen wird denn auch Deutschland im Stande sein,
nicht blos eine Flotte von der Größe zu bemannen, wie sie nach den Vor¬
lagen der Regierung an den Reichstag in Aussicht genommen ist. sondern
es wird späterhin mit Leichtigkeit möglich sein, eine noch viel größere Flotte
ZU bemannen. Bei den Verhandlungen im preußischen Abgeordnetenhause in
den Jahren 1862 und 1863 wurde von Seiten der Opposition namentlich
betont, daß Preußen nicht die genügende Anzahl Matrosen liefern könne, um
die damals projectirte Flotte zu bemannen, und es lag in dieser Behauptung
ein Theil Wahrheit. ' Jetzt haben sich aber die Verhältnisse in günstigster


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/469>, abgerufen am 25.07.2024.