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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Ausbildung noch fehlen sollte, das wird reichlich durch einen anderen un¬
schätzbaren Vorzug aufgewogen, durch die Gewöhnung in Disciplin zu leben
und diesen "strammen Zug" des Dienstes, die Subordination und das
prompte Wesen, auch bei Anderen aufrecht zu erhalten. Nach dem Urtheil
erfahrener Fachmänner, die die Handels- und Kriegsmarine aus eigenem Dienst
genau kennen, wäre ohne dieses "fixe" Element ein promptes Manövriren gar
. nicht möglich, namentlich wenn im Kriege ein großer Theil der Besatzung aus
den lockeren Elementen neu eingetretener Reserve und Seewehr besteht. Ebenso
kann nur mehrjährige Gewöhnung im Zielen auf See brauchbare Geschütz-
eommandeure^ geben, deren Function heute um so wichtiger ist, als bei den
schweren, wenig zahlreichen Kanonen auf den einzelnen Schuß viel mehr an¬
kommt als früher. Der öfter von uns erwähnte "Fachmann" spricht sich
über die Nothwendigkeit tüchtiger Stammmannschasten im Wesentlichen fol¬
gendermaßen aus. Für den Dienst als Unterofficier und Hauptnummer am
Geschütz sind sowohl technische Ausbildung als gewisse Körper - und Charak¬
tereigenschaften erforderlich, die nicht bei Jedermann zu finden sind. Ein
gutes Corps von Unterofficieren und Geschützeommandeuren ist, nach den
Seeofsicieren und den Maschinisten, der wichtigste Theil der Schiffsbesatzung,
und diesen Theil muß sich die Kriegsmarine zu sichern suchen. Dies thut sie
durch Stammmannschaften, deren Zahl so groß bemessen ist, daß im Frieden
der nöthige Bestand vorhanden ist und im Kriegsfall jedes Schiff in aus¬
reichender Zahl solche Stammmannschaften erhalten kann. Diese Stamm¬
mannschaft bildet sich jede Marine auf ihren Schulschiffen aus, und in Preu¬
ßen ist es seit 1849 durch das Schiffsjungeninstitut ("Mercur") geschehen.
Das letztere nimmt Knaben von 14--16 Jahren (mit ganz elementarer Vor¬
bildung) auf, deren vollständige Erziehung der Staat übernimmt, während
sie drei Jahre im Institut verbleiben und dort zwei Jahre als Zöglinge, nicht
als Soldaten behandelt werden. An Bord des Uebungsschiffs werden diese
zu Unterofficieren bestimmten jungen Leute übrigens nicht blos praktisch aus¬
gebildet, sondern auch theoretisch. Für jedes Jahr müssen sie nachher dem
Staat noch drei Jahre dienen und außerdem ihrer dreijährigen Dienstpflicht
genügen, sie sind also im Ganzen Is Jahre im Dienst. Während dieser Zeit
werden sie meistens Unterofficiere und können bis zum Deckofficier I. Classe
mit 600 Thlr. Gehalt ausrücken (die im Range höher stehenden Unterlieute¬
nants zur See erhalten 400 Thlr.). Die Stammmannschaften der preußi-
schen Marine zählten 1864 schon 1300 Mann; für die norddeutsche Marine
wird sie aber noch bedeutend vermehrt werden mSssen. Glücklicherweise ist,
ganz im Gegensatz zu der ungenügenden Capitulantenzahl für die Unter-
officierstellen der Armee, der Zudrang zum Schiffsjungeninstitut überaus be-
deutend, und gegenwärtig decken, nach einer kürzlich erfolgten Bekanntmachung


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Ausbildung noch fehlen sollte, das wird reichlich durch einen anderen un¬
schätzbaren Vorzug aufgewogen, durch die Gewöhnung in Disciplin zu leben
und diesen „strammen Zug" des Dienstes, die Subordination und das
prompte Wesen, auch bei Anderen aufrecht zu erhalten. Nach dem Urtheil
erfahrener Fachmänner, die die Handels- und Kriegsmarine aus eigenem Dienst
genau kennen, wäre ohne dieses „fixe" Element ein promptes Manövriren gar
. nicht möglich, namentlich wenn im Kriege ein großer Theil der Besatzung aus
den lockeren Elementen neu eingetretener Reserve und Seewehr besteht. Ebenso
kann nur mehrjährige Gewöhnung im Zielen auf See brauchbare Geschütz-
eommandeure^ geben, deren Function heute um so wichtiger ist, als bei den
schweren, wenig zahlreichen Kanonen auf den einzelnen Schuß viel mehr an¬
kommt als früher. Der öfter von uns erwähnte „Fachmann" spricht sich
über die Nothwendigkeit tüchtiger Stammmannschasten im Wesentlichen fol¬
gendermaßen aus. Für den Dienst als Unterofficier und Hauptnummer am
Geschütz sind sowohl technische Ausbildung als gewisse Körper - und Charak¬
tereigenschaften erforderlich, die nicht bei Jedermann zu finden sind. Ein
gutes Corps von Unterofficieren und Geschützeommandeuren ist, nach den
Seeofsicieren und den Maschinisten, der wichtigste Theil der Schiffsbesatzung,
und diesen Theil muß sich die Kriegsmarine zu sichern suchen. Dies thut sie
durch Stammmannschaften, deren Zahl so groß bemessen ist, daß im Frieden
der nöthige Bestand vorhanden ist und im Kriegsfall jedes Schiff in aus¬
reichender Zahl solche Stammmannschaften erhalten kann. Diese Stamm¬
mannschaft bildet sich jede Marine auf ihren Schulschiffen aus, und in Preu¬
ßen ist es seit 1849 durch das Schiffsjungeninstitut („Mercur") geschehen.
Das letztere nimmt Knaben von 14—16 Jahren (mit ganz elementarer Vor¬
bildung) auf, deren vollständige Erziehung der Staat übernimmt, während
sie drei Jahre im Institut verbleiben und dort zwei Jahre als Zöglinge, nicht
als Soldaten behandelt werden. An Bord des Uebungsschiffs werden diese
zu Unterofficieren bestimmten jungen Leute übrigens nicht blos praktisch aus¬
gebildet, sondern auch theoretisch. Für jedes Jahr müssen sie nachher dem
Staat noch drei Jahre dienen und außerdem ihrer dreijährigen Dienstpflicht
genügen, sie sind also im Ganzen Is Jahre im Dienst. Während dieser Zeit
werden sie meistens Unterofficiere und können bis zum Deckofficier I. Classe
mit 600 Thlr. Gehalt ausrücken (die im Range höher stehenden Unterlieute¬
nants zur See erhalten 400 Thlr.). Die Stammmannschaften der preußi-
schen Marine zählten 1864 schon 1300 Mann; für die norddeutsche Marine
wird sie aber noch bedeutend vermehrt werden mSssen. Glücklicherweise ist,
ganz im Gegensatz zu der ungenügenden Capitulantenzahl für die Unter-
officierstellen der Armee, der Zudrang zum Schiffsjungeninstitut überaus be-
deutend, und gegenwärtig decken, nach einer kürzlich erfolgten Bekanntmachung


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[0467] Ausbildung noch fehlen sollte, das wird reichlich durch einen anderen un¬ schätzbaren Vorzug aufgewogen, durch die Gewöhnung in Disciplin zu leben und diesen „strammen Zug" des Dienstes, die Subordination und das prompte Wesen, auch bei Anderen aufrecht zu erhalten. Nach dem Urtheil erfahrener Fachmänner, die die Handels- und Kriegsmarine aus eigenem Dienst genau kennen, wäre ohne dieses „fixe" Element ein promptes Manövriren gar . nicht möglich, namentlich wenn im Kriege ein großer Theil der Besatzung aus den lockeren Elementen neu eingetretener Reserve und Seewehr besteht. Ebenso kann nur mehrjährige Gewöhnung im Zielen auf See brauchbare Geschütz- eommandeure^ geben, deren Function heute um so wichtiger ist, als bei den schweren, wenig zahlreichen Kanonen auf den einzelnen Schuß viel mehr an¬ kommt als früher. Der öfter von uns erwähnte „Fachmann" spricht sich über die Nothwendigkeit tüchtiger Stammmannschasten im Wesentlichen fol¬ gendermaßen aus. Für den Dienst als Unterofficier und Hauptnummer am Geschütz sind sowohl technische Ausbildung als gewisse Körper - und Charak¬ tereigenschaften erforderlich, die nicht bei Jedermann zu finden sind. Ein gutes Corps von Unterofficieren und Geschützeommandeuren ist, nach den Seeofsicieren und den Maschinisten, der wichtigste Theil der Schiffsbesatzung, und diesen Theil muß sich die Kriegsmarine zu sichern suchen. Dies thut sie durch Stammmannschaften, deren Zahl so groß bemessen ist, daß im Frieden der nöthige Bestand vorhanden ist und im Kriegsfall jedes Schiff in aus¬ reichender Zahl solche Stammmannschaften erhalten kann. Diese Stamm¬ mannschaft bildet sich jede Marine auf ihren Schulschiffen aus, und in Preu¬ ßen ist es seit 1849 durch das Schiffsjungeninstitut („Mercur") geschehen. Das letztere nimmt Knaben von 14—16 Jahren (mit ganz elementarer Vor¬ bildung) auf, deren vollständige Erziehung der Staat übernimmt, während sie drei Jahre im Institut verbleiben und dort zwei Jahre als Zöglinge, nicht als Soldaten behandelt werden. An Bord des Uebungsschiffs werden diese zu Unterofficieren bestimmten jungen Leute übrigens nicht blos praktisch aus¬ gebildet, sondern auch theoretisch. Für jedes Jahr müssen sie nachher dem Staat noch drei Jahre dienen und außerdem ihrer dreijährigen Dienstpflicht genügen, sie sind also im Ganzen Is Jahre im Dienst. Während dieser Zeit werden sie meistens Unterofficiere und können bis zum Deckofficier I. Classe mit 600 Thlr. Gehalt ausrücken (die im Range höher stehenden Unterlieute¬ nants zur See erhalten 400 Thlr.). Die Stammmannschaften der preußi- schen Marine zählten 1864 schon 1300 Mann; für die norddeutsche Marine wird sie aber noch bedeutend vermehrt werden mSssen. Glücklicherweise ist, ganz im Gegensatz zu der ungenügenden Capitulantenzahl für die Unter- officierstellen der Armee, der Zudrang zum Schiffsjungeninstitut überaus be- deutend, und gegenwärtig decken, nach einer kürzlich erfolgten Bekanntmachung 58*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/467>, abgerufen am 04.07.2024.