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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Endlich soll, um dies nicht unerwähnt zu lassen, die für viele Seeleute
sehr erwünschte Maßregel getroffen werden, daß die'unter den Tropen zu¬
gebrachten Dienstjahre als Kriegsjahre, d. h. doppelt gerechnet werden, da
der Dienst in jenen Gegenden der Gesundheit so gefährlich ist, daß die Schiffe
genau doppelt so viel Leute durch Krankheit verlieren als in den heimischen
Gewässern.

Mit Recht wird es von den erfahrensten Seeofficieren betont, daß die
Flotte dahin streben müsse, möglichst viel Stammmannschaften heranzuziehen,
wenigstens soviel, daß die Hälfte jeder Schiffsbesatzung aus ihnen gebildet
werden kann, und noch eine beträchtliche Reserve bleibt. Zwar kann man
von Seeleuten der Handelsmarine oft hören, daß diese meist aus Binnen¬
ländern, den Schiffsjungen hervorgegangenen Leute bei Weitem nicht die
seemännische Gewöhnung und Selbständigkeit hätten, wie die Matrosen aus
der Handelsmarine und dies ist bis zu einem gewissen Grade richtig; da beim
Kauffahrteischiff ein Mann sich allein helfen muß, auf den Kriegsschiffen für
jede größere Dienstleistung stets eine ganze Anzahl von Leuten verwandt
wird, weil die Sache schnell ausgeführt werden soll und bei der zahlreichen
Bemannung viele Leute zu Gebote stehn. Andererseits aber spricht bei solchen
Urtheilen doch etwas Rivalität der Handelsmatrosen mit, und dann hatte
dieser Tadel doch nur zu jener Zeit eine wesentliche Berechtigung, als Preußen
noch keine Schiffsjungenbriggs besaß, und die Schiffsjungen nur auf den
selten in Dienst gestellten großen Fregatten - mit ihrer aus Binnen¬
ländern bestehenden unbehülflichen Matrosenbesatzung -- eingeschifft wurden, oft
aber während ihrer dreijähigen Dienstzeit nicht über die Danziger Bucht hin¬
auskamen. "Frauenlob" und "Hela" genügten leider nicht für eine tüchtige
Ausbildung der Jungen, und wie schwach es damals mit den großen Schiffen
aussah, zeigt das Beispiel der "Gazelle", welche 1862 in ihrer Besatzung
kaum 2/10, befahrene Matrosen hatte, während für "Gefion" sogar fremde
Matrosen geheuert werden mußten. Die ostasiatische Expedition hatte außer
463 Matrosen 29 Cadetten und 70 Jungen, die "Hela" 20 Jungen an
Bord: aber 27 Cadetten und 167 Jungen waren 1862 noch übrig und
konnten nicht praktisch ausgebildet werden.

Es fehlten hierzu kleinere Segelschiffe, die allein dafür geeignet sind,
wie auch England besonders traming' brigs für die do^s verwendet. Jetzt hat
Norddeutschland seine Schiffsjungen jeden Winter auf zwei (nächstens drei)
schönen Briggs im atlantischen Ocean. Die Jungen werden gründlich in allen
Verhältnissen mit der See vertraut, und außerdem sind die Fahrzeuge nicht
groß, sodaß die Ausbildung der Jungen viel individueller und der auf Han¬
delsschiffen ähnlicher wird. Die 34 Matrosen auf jeder Brigg sollen nur
die Sicherheit des Schiffs in gefährlichen Lagen garantiren. Was dann ihrer


Endlich soll, um dies nicht unerwähnt zu lassen, die für viele Seeleute
sehr erwünschte Maßregel getroffen werden, daß die'unter den Tropen zu¬
gebrachten Dienstjahre als Kriegsjahre, d. h. doppelt gerechnet werden, da
der Dienst in jenen Gegenden der Gesundheit so gefährlich ist, daß die Schiffe
genau doppelt so viel Leute durch Krankheit verlieren als in den heimischen
Gewässern.

Mit Recht wird es von den erfahrensten Seeofficieren betont, daß die
Flotte dahin streben müsse, möglichst viel Stammmannschaften heranzuziehen,
wenigstens soviel, daß die Hälfte jeder Schiffsbesatzung aus ihnen gebildet
werden kann, und noch eine beträchtliche Reserve bleibt. Zwar kann man
von Seeleuten der Handelsmarine oft hören, daß diese meist aus Binnen¬
ländern, den Schiffsjungen hervorgegangenen Leute bei Weitem nicht die
seemännische Gewöhnung und Selbständigkeit hätten, wie die Matrosen aus
der Handelsmarine und dies ist bis zu einem gewissen Grade richtig; da beim
Kauffahrteischiff ein Mann sich allein helfen muß, auf den Kriegsschiffen für
jede größere Dienstleistung stets eine ganze Anzahl von Leuten verwandt
wird, weil die Sache schnell ausgeführt werden soll und bei der zahlreichen
Bemannung viele Leute zu Gebote stehn. Andererseits aber spricht bei solchen
Urtheilen doch etwas Rivalität der Handelsmatrosen mit, und dann hatte
dieser Tadel doch nur zu jener Zeit eine wesentliche Berechtigung, als Preußen
noch keine Schiffsjungenbriggs besaß, und die Schiffsjungen nur auf den
selten in Dienst gestellten großen Fregatten - mit ihrer aus Binnen¬
ländern bestehenden unbehülflichen Matrosenbesatzung — eingeschifft wurden, oft
aber während ihrer dreijähigen Dienstzeit nicht über die Danziger Bucht hin¬
auskamen. „Frauenlob" und „Hela" genügten leider nicht für eine tüchtige
Ausbildung der Jungen, und wie schwach es damals mit den großen Schiffen
aussah, zeigt das Beispiel der „Gazelle", welche 1862 in ihrer Besatzung
kaum 2/10, befahrene Matrosen hatte, während für „Gefion" sogar fremde
Matrosen geheuert werden mußten. Die ostasiatische Expedition hatte außer
463 Matrosen 29 Cadetten und 70 Jungen, die „Hela" 20 Jungen an
Bord: aber 27 Cadetten und 167 Jungen waren 1862 noch übrig und
konnten nicht praktisch ausgebildet werden.

Es fehlten hierzu kleinere Segelschiffe, die allein dafür geeignet sind,
wie auch England besonders traming' brigs für die do^s verwendet. Jetzt hat
Norddeutschland seine Schiffsjungen jeden Winter auf zwei (nächstens drei)
schönen Briggs im atlantischen Ocean. Die Jungen werden gründlich in allen
Verhältnissen mit der See vertraut, und außerdem sind die Fahrzeuge nicht
groß, sodaß die Ausbildung der Jungen viel individueller und der auf Han¬
delsschiffen ähnlicher wird. Die 34 Matrosen auf jeder Brigg sollen nur
die Sicherheit des Schiffs in gefährlichen Lagen garantiren. Was dann ihrer


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[0466] Endlich soll, um dies nicht unerwähnt zu lassen, die für viele Seeleute sehr erwünschte Maßregel getroffen werden, daß die'unter den Tropen zu¬ gebrachten Dienstjahre als Kriegsjahre, d. h. doppelt gerechnet werden, da der Dienst in jenen Gegenden der Gesundheit so gefährlich ist, daß die Schiffe genau doppelt so viel Leute durch Krankheit verlieren als in den heimischen Gewässern. Mit Recht wird es von den erfahrensten Seeofficieren betont, daß die Flotte dahin streben müsse, möglichst viel Stammmannschaften heranzuziehen, wenigstens soviel, daß die Hälfte jeder Schiffsbesatzung aus ihnen gebildet werden kann, und noch eine beträchtliche Reserve bleibt. Zwar kann man von Seeleuten der Handelsmarine oft hören, daß diese meist aus Binnen¬ ländern, den Schiffsjungen hervorgegangenen Leute bei Weitem nicht die seemännische Gewöhnung und Selbständigkeit hätten, wie die Matrosen aus der Handelsmarine und dies ist bis zu einem gewissen Grade richtig; da beim Kauffahrteischiff ein Mann sich allein helfen muß, auf den Kriegsschiffen für jede größere Dienstleistung stets eine ganze Anzahl von Leuten verwandt wird, weil die Sache schnell ausgeführt werden soll und bei der zahlreichen Bemannung viele Leute zu Gebote stehn. Andererseits aber spricht bei solchen Urtheilen doch etwas Rivalität der Handelsmatrosen mit, und dann hatte dieser Tadel doch nur zu jener Zeit eine wesentliche Berechtigung, als Preußen noch keine Schiffsjungenbriggs besaß, und die Schiffsjungen nur auf den selten in Dienst gestellten großen Fregatten - mit ihrer aus Binnen¬ ländern bestehenden unbehülflichen Matrosenbesatzung — eingeschifft wurden, oft aber während ihrer dreijähigen Dienstzeit nicht über die Danziger Bucht hin¬ auskamen. „Frauenlob" und „Hela" genügten leider nicht für eine tüchtige Ausbildung der Jungen, und wie schwach es damals mit den großen Schiffen aussah, zeigt das Beispiel der „Gazelle", welche 1862 in ihrer Besatzung kaum 2/10, befahrene Matrosen hatte, während für „Gefion" sogar fremde Matrosen geheuert werden mußten. Die ostasiatische Expedition hatte außer 463 Matrosen 29 Cadetten und 70 Jungen, die „Hela" 20 Jungen an Bord: aber 27 Cadetten und 167 Jungen waren 1862 noch übrig und konnten nicht praktisch ausgebildet werden. Es fehlten hierzu kleinere Segelschiffe, die allein dafür geeignet sind, wie auch England besonders traming' brigs für die do^s verwendet. Jetzt hat Norddeutschland seine Schiffsjungen jeden Winter auf zwei (nächstens drei) schönen Briggs im atlantischen Ocean. Die Jungen werden gründlich in allen Verhältnissen mit der See vertraut, und außerdem sind die Fahrzeuge nicht groß, sodaß die Ausbildung der Jungen viel individueller und der auf Han¬ delsschiffen ähnlicher wird. Die 34 Matrosen auf jeder Brigg sollen nur die Sicherheit des Schiffs in gefährlichen Lagen garantiren. Was dann ihrer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/466>, abgerufen am 04.07.2024.