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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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herablassenden Verkehr mit allen Dorfgrößen die Gesinnung seiner An¬
hänger zu befestigen. Die Ovationen bei seiner Heimreise, bei welcher aus
allen Halteplätzen der Eisenbahn die Menge seiner Erscheinung harrte, er¬
litten Mir einige Störungen durch den Muthwillen zufällig mitreisender Musen¬
söhne, die ihrerseits ihrer Hochachtung für den ercommunicirten Bürger¬
meister Strohmeyer lauten Ausdruck verliehen und bei dem Fackelzuge nach
seiner Ankunft in Freiburg betheiligte sich nur ein verschwindender Theil der
Bürgerschaft. Dafür ging aber die am 17. Mai in Freiburg veranstaltete
Volksversammlung noch glänzend von statten. Die Zuhörer zeigten weit
lebhaftere Theilnahme, als acht Tage vorher die schwerfälligen Bruchsaler
und die Redner tobten noch weit heftiger. Zu den Bruchsaler Acteurs,
welche auch hier wieder auftraten, gesellte sich ein k. k. östreichischer Lieute¬
nant Freiherr von Rink, der "für seine Ueberzeugung, daß dem altehrwür¬
digen Hause Habsburg die Führerschaft in Deutschland historisch und recht¬
lich gebühre, gern auf dem Schlachtfelde von Königgrätz geblutet hätte"
und jetzt zu der weniger gefährlichen Beschäftigung, bei einer Besserung der
kirchlichen und politischen Mißverhältnisse in Baden mitzuhelfen, überge¬
gangen war, Herr Lindau aber debütirte als Interpret des Syllabus und er¬
läuterte seinen ländlichen Zuhörern, weshalb sie Feinde des modernen Staates
sein müßten. -- Die dritte Aufführung sollte am 23. Mai in Engen im See¬
kreise stattfinden, gestaltete sich aber unverhofft zu einem Zwischenspiel in
einem weit größeren Schauspiele. Die. Liberalen hatten nämlich gleichfalls
zur Betheiligung an dieser Versammlung aufgefordert, damit einmal offen¬
kundig festgestellt werde, welchen Ansichten die Bevölkerung jenes Landes¬
theiles huldige. Zwar vereitelten die Clericalen die ihnen vorgeschlagene ge¬
meinsame Berathung, indem sie rechtzeitig das Versammlungslocal mit ihren
Anhängern besetzten. Vor diesem aber tagten im Freien in zehnfacher Mehr¬
heit, 3000 Köpfe stark, die aus allen Orten herbeigeeilten Anhänger der
national-liberalen Sache und erklärten den dort gefaßten Beschlüssen gegen¬
über, daß die gegen die Regierung hervorgerufene Agitation ungerechtfertigt
und verwerflich und mit allen gesetzlichen Mitteln zu bekämpfen sei.

Von weit größerer Bedeutung war aber die am gleichen Tage in Offen¬
burg abgehaltene liberale Versammlung. Hatte man anfänglich nur eine
vertrauliche Berathung einflußreicher Parteimitglieder im Auge gehabt, so
zeigte sich bald, daß die Versammlung von über 2000 Männern besucht,
und jeder Landestheil durch besonders hierzu gewählte Abgeordnete und die
beinahe vollzählig erschienenen Mitglieder der zweiten Kammer vertreten war.
Noch erfreulicher aber war die Wahrnehmung, daß überall eine vollständige
Uebereinstimmung der Ansichten herrschte und daß man sich auf allen Seiten
bemühte, persönliche Rücksichten zurücktreten zu lassen, um mit vereinten Kräften


herablassenden Verkehr mit allen Dorfgrößen die Gesinnung seiner An¬
hänger zu befestigen. Die Ovationen bei seiner Heimreise, bei welcher aus
allen Halteplätzen der Eisenbahn die Menge seiner Erscheinung harrte, er¬
litten Mir einige Störungen durch den Muthwillen zufällig mitreisender Musen¬
söhne, die ihrerseits ihrer Hochachtung für den ercommunicirten Bürger¬
meister Strohmeyer lauten Ausdruck verliehen und bei dem Fackelzuge nach
seiner Ankunft in Freiburg betheiligte sich nur ein verschwindender Theil der
Bürgerschaft. Dafür ging aber die am 17. Mai in Freiburg veranstaltete
Volksversammlung noch glänzend von statten. Die Zuhörer zeigten weit
lebhaftere Theilnahme, als acht Tage vorher die schwerfälligen Bruchsaler
und die Redner tobten noch weit heftiger. Zu den Bruchsaler Acteurs,
welche auch hier wieder auftraten, gesellte sich ein k. k. östreichischer Lieute¬
nant Freiherr von Rink, der „für seine Ueberzeugung, daß dem altehrwür¬
digen Hause Habsburg die Führerschaft in Deutschland historisch und recht¬
lich gebühre, gern auf dem Schlachtfelde von Königgrätz geblutet hätte"
und jetzt zu der weniger gefährlichen Beschäftigung, bei einer Besserung der
kirchlichen und politischen Mißverhältnisse in Baden mitzuhelfen, überge¬
gangen war, Herr Lindau aber debütirte als Interpret des Syllabus und er¬
läuterte seinen ländlichen Zuhörern, weshalb sie Feinde des modernen Staates
sein müßten. — Die dritte Aufführung sollte am 23. Mai in Engen im See¬
kreise stattfinden, gestaltete sich aber unverhofft zu einem Zwischenspiel in
einem weit größeren Schauspiele. Die. Liberalen hatten nämlich gleichfalls
zur Betheiligung an dieser Versammlung aufgefordert, damit einmal offen¬
kundig festgestellt werde, welchen Ansichten die Bevölkerung jenes Landes¬
theiles huldige. Zwar vereitelten die Clericalen die ihnen vorgeschlagene ge¬
meinsame Berathung, indem sie rechtzeitig das Versammlungslocal mit ihren
Anhängern besetzten. Vor diesem aber tagten im Freien in zehnfacher Mehr¬
heit, 3000 Köpfe stark, die aus allen Orten herbeigeeilten Anhänger der
national-liberalen Sache und erklärten den dort gefaßten Beschlüssen gegen¬
über, daß die gegen die Regierung hervorgerufene Agitation ungerechtfertigt
und verwerflich und mit allen gesetzlichen Mitteln zu bekämpfen sei.

Von weit größerer Bedeutung war aber die am gleichen Tage in Offen¬
burg abgehaltene liberale Versammlung. Hatte man anfänglich nur eine
vertrauliche Berathung einflußreicher Parteimitglieder im Auge gehabt, so
zeigte sich bald, daß die Versammlung von über 2000 Männern besucht,
und jeder Landestheil durch besonders hierzu gewählte Abgeordnete und die
beinahe vollzählig erschienenen Mitglieder der zweiten Kammer vertreten war.
Noch erfreulicher aber war die Wahrnehmung, daß überall eine vollständige
Uebereinstimmung der Ansichten herrschte und daß man sich auf allen Seiten
bemühte, persönliche Rücksichten zurücktreten zu lassen, um mit vereinten Kräften


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[0436] herablassenden Verkehr mit allen Dorfgrößen die Gesinnung seiner An¬ hänger zu befestigen. Die Ovationen bei seiner Heimreise, bei welcher aus allen Halteplätzen der Eisenbahn die Menge seiner Erscheinung harrte, er¬ litten Mir einige Störungen durch den Muthwillen zufällig mitreisender Musen¬ söhne, die ihrerseits ihrer Hochachtung für den ercommunicirten Bürger¬ meister Strohmeyer lauten Ausdruck verliehen und bei dem Fackelzuge nach seiner Ankunft in Freiburg betheiligte sich nur ein verschwindender Theil der Bürgerschaft. Dafür ging aber die am 17. Mai in Freiburg veranstaltete Volksversammlung noch glänzend von statten. Die Zuhörer zeigten weit lebhaftere Theilnahme, als acht Tage vorher die schwerfälligen Bruchsaler und die Redner tobten noch weit heftiger. Zu den Bruchsaler Acteurs, welche auch hier wieder auftraten, gesellte sich ein k. k. östreichischer Lieute¬ nant Freiherr von Rink, der „für seine Ueberzeugung, daß dem altehrwür¬ digen Hause Habsburg die Führerschaft in Deutschland historisch und recht¬ lich gebühre, gern auf dem Schlachtfelde von Königgrätz geblutet hätte" und jetzt zu der weniger gefährlichen Beschäftigung, bei einer Besserung der kirchlichen und politischen Mißverhältnisse in Baden mitzuhelfen, überge¬ gangen war, Herr Lindau aber debütirte als Interpret des Syllabus und er¬ läuterte seinen ländlichen Zuhörern, weshalb sie Feinde des modernen Staates sein müßten. — Die dritte Aufführung sollte am 23. Mai in Engen im See¬ kreise stattfinden, gestaltete sich aber unverhofft zu einem Zwischenspiel in einem weit größeren Schauspiele. Die. Liberalen hatten nämlich gleichfalls zur Betheiligung an dieser Versammlung aufgefordert, damit einmal offen¬ kundig festgestellt werde, welchen Ansichten die Bevölkerung jenes Landes¬ theiles huldige. Zwar vereitelten die Clericalen die ihnen vorgeschlagene ge¬ meinsame Berathung, indem sie rechtzeitig das Versammlungslocal mit ihren Anhängern besetzten. Vor diesem aber tagten im Freien in zehnfacher Mehr¬ heit, 3000 Köpfe stark, die aus allen Orten herbeigeeilten Anhänger der national-liberalen Sache und erklärten den dort gefaßten Beschlüssen gegen¬ über, daß die gegen die Regierung hervorgerufene Agitation ungerechtfertigt und verwerflich und mit allen gesetzlichen Mitteln zu bekämpfen sei. Von weit größerer Bedeutung war aber die am gleichen Tage in Offen¬ burg abgehaltene liberale Versammlung. Hatte man anfänglich nur eine vertrauliche Berathung einflußreicher Parteimitglieder im Auge gehabt, so zeigte sich bald, daß die Versammlung von über 2000 Männern besucht, und jeder Landestheil durch besonders hierzu gewählte Abgeordnete und die beinahe vollzählig erschienenen Mitglieder der zweiten Kammer vertreten war. Noch erfreulicher aber war die Wahrnehmung, daß überall eine vollständige Uebereinstimmung der Ansichten herrschte und daß man sich auf allen Seiten bemühte, persönliche Rücksichten zurücktreten zu lassen, um mit vereinten Kräften

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/436>, abgerufen am 04.07.2024.