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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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allen Himmelsgegenden werde man in das badische Land strömen, um am
Bürgernutzen Theil zu nehmen, besonders werde man aus Altpreußen recht
viele liebe Gäste bekommen. Die Aussicht auf diesen Besuch konnte freilich
nicht wirkungslos bleiben, mit tausendstimmigem Nein wurde die Frage, ob
Jolly das Vertrauen der Versammlung besitze, beantwortet und die Adresse
mit Unterschriften bedeckt. Um ihr die gewünschte allseitige Zustimmung zu
verschaffen, wurden aber noch andere Mittel in Anwendung gebracht, die für
die Kampfweise der ultramontanen Partei bezeichnend genug sind. An alle
katholische Pfarrämter des Landes wurde ein Schreiben folgenden Inhalts
versendet: "Indem wir uns erlauben, Ihnen beifolgenden Kopfbogen der von
der Versammlung in Bruchsal beschlossenen Adresse an S. K. Hoheit den
Großherzog zu übersenden, ersuchen wir Sie, im Interesse der Sache die
Unterzeichnung derselben in Ihrem Orte gefälligst baldigst veranlassen zu
wollen. Nachdem dies geschehen, ist die Adresse per Post an das Großh.
Geheime Cabinet in Karlsruhe abzusenden und bitten wir. Herrn Jakob
Lindau von dem Abgang der Adresse, sowie von der Zahl der Unterschriften
gefälligst Kenntniß geben zu wollen. Heidelberg, den 14. Mai. Namens
der katholischen Volkspartei: Jakob Lindau."

Die Bewegung war also im besten Zuge und der demokratische
Bundesgenosse säumte nicht, dem schwarzen Bruder eifrigst beizuspringen.
Bereits am 14. April hatte die demokratische Partei sich neu constituirt und
in ihre Mitte waren neben Theilnehmern an dem Aufstande von 1849 und
einigen neuen Namen zweifelhaften Klanges die Herren von Berlichingen,
k. k. östreichischer Uhlanenrittmeister a. D., und v. Edelsheim, früher in Kur¬
hessen, dann badischer Gesandter in Wien und als Minister von 1866 der treue
Schildknappe des Freiherrn v. Beust, getreten. Herr v. Edelsheim, der hoch¬
geborene und hochfahrende Baron,° neben dem Sohne aus dem Volke, Herrn
Eichelsdörfer, "Redacteur" in Mannheim! Die Verbindung war so wunder¬
bar, daß man glauben konnte, sie müsse noch vornehmere, viel vornehmere
und mit mächtigeren Mitteln ausgerüstete Genossen zählen.--In einer so selt¬
sam zusammengesetzten Allianz sind, wie sich bald ergab, von Anfang an
kleine Reibungen nicht zu vermeiden. Nachdem man eine Adresse mit der
Bitte um Wahlreform veröffentlicht und mit Entrüstung die Beschuldigung
des Einverständnisses mit den Clericalen zurückgewiesen hatte, wollte man
auch mit Volksversammlungen nicht zurückbleiben. Der Erfolg des ersten in
Mannheim gemachten Versuches war freilich niederschlagend, denn der ohne
Zweifel nicht sehr zeitgemäße Tadel, den ein junger Redner sich gegen Ar¬
beitseinstellungen entschlüpfen ließ, brachte die anwesenden Lassalleaner unter
der Leitung des Studiosus Ricks in solche Erregung, daß dem bewährten
Volksfreunde Eichelsdörfer der Vorsitz entzogen und die Herzen solcher Partei-


allen Himmelsgegenden werde man in das badische Land strömen, um am
Bürgernutzen Theil zu nehmen, besonders werde man aus Altpreußen recht
viele liebe Gäste bekommen. Die Aussicht auf diesen Besuch konnte freilich
nicht wirkungslos bleiben, mit tausendstimmigem Nein wurde die Frage, ob
Jolly das Vertrauen der Versammlung besitze, beantwortet und die Adresse
mit Unterschriften bedeckt. Um ihr die gewünschte allseitige Zustimmung zu
verschaffen, wurden aber noch andere Mittel in Anwendung gebracht, die für
die Kampfweise der ultramontanen Partei bezeichnend genug sind. An alle
katholische Pfarrämter des Landes wurde ein Schreiben folgenden Inhalts
versendet: „Indem wir uns erlauben, Ihnen beifolgenden Kopfbogen der von
der Versammlung in Bruchsal beschlossenen Adresse an S. K. Hoheit den
Großherzog zu übersenden, ersuchen wir Sie, im Interesse der Sache die
Unterzeichnung derselben in Ihrem Orte gefälligst baldigst veranlassen zu
wollen. Nachdem dies geschehen, ist die Adresse per Post an das Großh.
Geheime Cabinet in Karlsruhe abzusenden und bitten wir. Herrn Jakob
Lindau von dem Abgang der Adresse, sowie von der Zahl der Unterschriften
gefälligst Kenntniß geben zu wollen. Heidelberg, den 14. Mai. Namens
der katholischen Volkspartei: Jakob Lindau."

Die Bewegung war also im besten Zuge und der demokratische
Bundesgenosse säumte nicht, dem schwarzen Bruder eifrigst beizuspringen.
Bereits am 14. April hatte die demokratische Partei sich neu constituirt und
in ihre Mitte waren neben Theilnehmern an dem Aufstande von 1849 und
einigen neuen Namen zweifelhaften Klanges die Herren von Berlichingen,
k. k. östreichischer Uhlanenrittmeister a. D., und v. Edelsheim, früher in Kur¬
hessen, dann badischer Gesandter in Wien und als Minister von 1866 der treue
Schildknappe des Freiherrn v. Beust, getreten. Herr v. Edelsheim, der hoch¬
geborene und hochfahrende Baron,° neben dem Sohne aus dem Volke, Herrn
Eichelsdörfer, „Redacteur" in Mannheim! Die Verbindung war so wunder¬
bar, daß man glauben konnte, sie müsse noch vornehmere, viel vornehmere
und mit mächtigeren Mitteln ausgerüstete Genossen zählen.—In einer so selt¬
sam zusammengesetzten Allianz sind, wie sich bald ergab, von Anfang an
kleine Reibungen nicht zu vermeiden. Nachdem man eine Adresse mit der
Bitte um Wahlreform veröffentlicht und mit Entrüstung die Beschuldigung
des Einverständnisses mit den Clericalen zurückgewiesen hatte, wollte man
auch mit Volksversammlungen nicht zurückbleiben. Der Erfolg des ersten in
Mannheim gemachten Versuches war freilich niederschlagend, denn der ohne
Zweifel nicht sehr zeitgemäße Tadel, den ein junger Redner sich gegen Ar¬
beitseinstellungen entschlüpfen ließ, brachte die anwesenden Lassalleaner unter
der Leitung des Studiosus Ricks in solche Erregung, daß dem bewährten
Volksfreunde Eichelsdörfer der Vorsitz entzogen und die Herzen solcher Partei-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/434>, abgerufen am 24.07.2024.