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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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abgelehnt und die Tabaksteuer bis nahe auf den Nullpunkt herabgemindert
hat. Denn was z. B. die geschilderte Noth betrifft, in welche Tabakspflanzer
und Cigarrendreher durch die Tabaksteuer gestürzt werden sollten, so sprach ein
süddeutscher Kenner der Zustände das wahre Sachverhältniß aus. als er trocken
erklärte: wenn die Cigarren theurer werden, so ist unser Entschluß gesaßt,
dann rauchen wir täglich eine Cigarre mehr.

Gleich beim Eintritt in den Sitzungssaal des Zollparlaments klagte
Herr Edmund Joerg von der Trausnitz bei Landshut mit unverkennbarem
Sinn sür das Nebensächliche über die unansehnlichen Räume, in welchen er,
durch das Ständehaus an der Prannergasse verwöhnt, berathen sollte. Nach
der lieblichen Glocke des bayerischen Kammerpräsidenten, Herrn Pözls, sich
sehnend, tönte ihm die Glocke des Dr. Simson als wie Heerdengeläut. Er ver"
mißte ein würdiges Gebäude sür den norddeutschen Reichstag und das Zollpar¬
lament; und wäre das Haus stattlicher gewesen und hätte die preußische Re¬
gierung od"r das norddeutsche Kanzleramt umfassende Einrichtungen getroffen
gehabt, so würde derselbe Mann ohne Zweifel über Verschwendung, be¬
stechenden Glanz und Voreiligkeit geklagt haben. -- Sind die Süddeutschen
so unschuldig daran, daß nicht schon im Jahr 1848 die Baugerüste eines
würdigen deutschen Parlamentspalastes in Frankfurt a. M. emporstiegen?
Erst neunzehn Jahre später haben sie sich bequemt, mit beschränktem Mandat
in Berlin zu erscheinen. Noch immer verdrossen, noch immer unschlüssig
hatten sie sich eingestellt und doch sollte Alles sogleich behaglich und bequem
sein? Wozu sollen die Gehäuse für einheitliche Volksvertretung von 40 Millio¬
nen Deutschen schon jetzt ragen; wir verzichten auf die Symbole so lange
uns die Sache selbst fehlt.

Indeß hat es bei allem Widerstreben unserer süddeutschen Stammes¬
genossen nicht an guten Momenten und gediegenen Worten im Verlauf der
ersten Zollparlamentsverhandlungen gefehlt, an welche wir heute wohl er¬
innern dürfen. Auf süddeutscher Seite wurde anerkannt*), daß die preußische
Regierung das Zollparlament mit viel Tact eröffnet habe. Es wurde von
derselben Seite als ein erhebender Augenblick bezeichnet, daß das Manuseript
der Rede, mit welcher der König von Preußen die Versammlung eröffnen
wollte, aus bayerischer Hand, der des bayerischen Mitglieds des Zollbundes¬
raths, in die Hand des preußischen Ministerpräsidenten überging, um dem
Könige überreicht zu werden. Es wurde mit Genugthuung hervorgehoben,
daß König Wilhelm nicht als Monarch auftrat, sondern einsach als Präsi¬
dent des Zollvireins. Mit schlichter Würde wies derselbe in seiner Eröff¬
nungsrede am 27. April v. I. darauf hin. daß der vor vierzig Jahren aus



") Berge. Allg. Zeitung vom 1. Mai 1868 und ff.

abgelehnt und die Tabaksteuer bis nahe auf den Nullpunkt herabgemindert
hat. Denn was z. B. die geschilderte Noth betrifft, in welche Tabakspflanzer
und Cigarrendreher durch die Tabaksteuer gestürzt werden sollten, so sprach ein
süddeutscher Kenner der Zustände das wahre Sachverhältniß aus. als er trocken
erklärte: wenn die Cigarren theurer werden, so ist unser Entschluß gesaßt,
dann rauchen wir täglich eine Cigarre mehr.

Gleich beim Eintritt in den Sitzungssaal des Zollparlaments klagte
Herr Edmund Joerg von der Trausnitz bei Landshut mit unverkennbarem
Sinn sür das Nebensächliche über die unansehnlichen Räume, in welchen er,
durch das Ständehaus an der Prannergasse verwöhnt, berathen sollte. Nach
der lieblichen Glocke des bayerischen Kammerpräsidenten, Herrn Pözls, sich
sehnend, tönte ihm die Glocke des Dr. Simson als wie Heerdengeläut. Er ver»
mißte ein würdiges Gebäude sür den norddeutschen Reichstag und das Zollpar¬
lament; und wäre das Haus stattlicher gewesen und hätte die preußische Re¬
gierung od«r das norddeutsche Kanzleramt umfassende Einrichtungen getroffen
gehabt, so würde derselbe Mann ohne Zweifel über Verschwendung, be¬
stechenden Glanz und Voreiligkeit geklagt haben. — Sind die Süddeutschen
so unschuldig daran, daß nicht schon im Jahr 1848 die Baugerüste eines
würdigen deutschen Parlamentspalastes in Frankfurt a. M. emporstiegen?
Erst neunzehn Jahre später haben sie sich bequemt, mit beschränktem Mandat
in Berlin zu erscheinen. Noch immer verdrossen, noch immer unschlüssig
hatten sie sich eingestellt und doch sollte Alles sogleich behaglich und bequem
sein? Wozu sollen die Gehäuse für einheitliche Volksvertretung von 40 Millio¬
nen Deutschen schon jetzt ragen; wir verzichten auf die Symbole so lange
uns die Sache selbst fehlt.

Indeß hat es bei allem Widerstreben unserer süddeutschen Stammes¬
genossen nicht an guten Momenten und gediegenen Worten im Verlauf der
ersten Zollparlamentsverhandlungen gefehlt, an welche wir heute wohl er¬
innern dürfen. Auf süddeutscher Seite wurde anerkannt*), daß die preußische
Regierung das Zollparlament mit viel Tact eröffnet habe. Es wurde von
derselben Seite als ein erhebender Augenblick bezeichnet, daß das Manuseript
der Rede, mit welcher der König von Preußen die Versammlung eröffnen
wollte, aus bayerischer Hand, der des bayerischen Mitglieds des Zollbundes¬
raths, in die Hand des preußischen Ministerpräsidenten überging, um dem
Könige überreicht zu werden. Es wurde mit Genugthuung hervorgehoben,
daß König Wilhelm nicht als Monarch auftrat, sondern einsach als Präsi¬
dent des Zollvireins. Mit schlichter Würde wies derselbe in seiner Eröff¬
nungsrede am 27. April v. I. darauf hin. daß der vor vierzig Jahren aus



") Berge. Allg. Zeitung vom 1. Mai 1868 und ff.
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[0336] abgelehnt und die Tabaksteuer bis nahe auf den Nullpunkt herabgemindert hat. Denn was z. B. die geschilderte Noth betrifft, in welche Tabakspflanzer und Cigarrendreher durch die Tabaksteuer gestürzt werden sollten, so sprach ein süddeutscher Kenner der Zustände das wahre Sachverhältniß aus. als er trocken erklärte: wenn die Cigarren theurer werden, so ist unser Entschluß gesaßt, dann rauchen wir täglich eine Cigarre mehr. Gleich beim Eintritt in den Sitzungssaal des Zollparlaments klagte Herr Edmund Joerg von der Trausnitz bei Landshut mit unverkennbarem Sinn sür das Nebensächliche über die unansehnlichen Räume, in welchen er, durch das Ständehaus an der Prannergasse verwöhnt, berathen sollte. Nach der lieblichen Glocke des bayerischen Kammerpräsidenten, Herrn Pözls, sich sehnend, tönte ihm die Glocke des Dr. Simson als wie Heerdengeläut. Er ver» mißte ein würdiges Gebäude sür den norddeutschen Reichstag und das Zollpar¬ lament; und wäre das Haus stattlicher gewesen und hätte die preußische Re¬ gierung od«r das norddeutsche Kanzleramt umfassende Einrichtungen getroffen gehabt, so würde derselbe Mann ohne Zweifel über Verschwendung, be¬ stechenden Glanz und Voreiligkeit geklagt haben. — Sind die Süddeutschen so unschuldig daran, daß nicht schon im Jahr 1848 die Baugerüste eines würdigen deutschen Parlamentspalastes in Frankfurt a. M. emporstiegen? Erst neunzehn Jahre später haben sie sich bequemt, mit beschränktem Mandat in Berlin zu erscheinen. Noch immer verdrossen, noch immer unschlüssig hatten sie sich eingestellt und doch sollte Alles sogleich behaglich und bequem sein? Wozu sollen die Gehäuse für einheitliche Volksvertretung von 40 Millio¬ nen Deutschen schon jetzt ragen; wir verzichten auf die Symbole so lange uns die Sache selbst fehlt. Indeß hat es bei allem Widerstreben unserer süddeutschen Stammes¬ genossen nicht an guten Momenten und gediegenen Worten im Verlauf der ersten Zollparlamentsverhandlungen gefehlt, an welche wir heute wohl er¬ innern dürfen. Auf süddeutscher Seite wurde anerkannt*), daß die preußische Regierung das Zollparlament mit viel Tact eröffnet habe. Es wurde von derselben Seite als ein erhebender Augenblick bezeichnet, daß das Manuseript der Rede, mit welcher der König von Preußen die Versammlung eröffnen wollte, aus bayerischer Hand, der des bayerischen Mitglieds des Zollbundes¬ raths, in die Hand des preußischen Ministerpräsidenten überging, um dem Könige überreicht zu werden. Es wurde mit Genugthuung hervorgehoben, daß König Wilhelm nicht als Monarch auftrat, sondern einsach als Präsi¬ dent des Zollvireins. Mit schlichter Würde wies derselbe in seiner Eröff¬ nungsrede am 27. April v. I. darauf hin. daß der vor vierzig Jahren aus ") Berge. Allg. Zeitung vom 1. Mai 1868 und ff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/336>, abgerufen am 24.07.2024.