Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.richtige Begrenzung des Machtaufwandes für jedes einzelne Staatswesen In einer letzten und besonders bemerkenswerthen Form offenbart sich richtige Begrenzung des Machtaufwandes für jedes einzelne Staatswesen In einer letzten und besonders bemerkenswerthen Form offenbart sich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0032" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/120719"/> <p xml:id="ID_76" prev="#ID_75"> richtige Begrenzung des Machtaufwandes für jedes einzelne Staatswesen<lb/> nach der Natur seiner Kräfte und Interessen und unter Berücksichtigung der<lb/> völkerrechtlichen Entwickelungsziele und der allgemeinen menschlichen Cultur<lb/> aufzufinden und demgemäß auf das nationale Bewußtsein, wo es übertriebene<lb/> Anforderungen stellt, regelnd einzuwirken. Für Deutschland kann man sagen,<lb/> daß es im vollen Gegensatz zur nordamerikanischen Union als derjenige<lb/> Staatsverband zu erachten ist, in welchem der äußere Machtzweck (auf defen¬<lb/> siver Grundlage) am stärksten als gebieterische Nothwendigkeit durch die Natur<lb/> der Nachbarstaaten angedeutet ist. — Der Rechtszweck des Staates, der<lb/> mit vollkommnem Recht auch der Freiheitszweck genannt werden kann, besteht<lb/> in der durch das heutige Bewußtsein der europäischen Nationen geforderten,<lb/> in festen Formen zu bewirkenden Sicherstellung der persönlich freien Ent¬<lb/> wickelung des Menschen innerhalb der ihm zu überlassenden Thätigkeitsgebiete.<lb/> Scheinbar liegt darin eine Abschwächung des Machtzweckes, aber auch nur<lb/> scheinbar, denn in Wirklichkeit trägt der Gedanke des sest geordneten Einzel¬<lb/> rechts die Voraussetzung der zu seinem Schutz nothwendigen Machtmittel in<lb/> sich. Wir können dem Verfasser in die schwierige Untersuchung über die Ab¬<lb/> grenzung des der persönlichen Freiheit zu überlassenden Gebiets nicht folgen<lb/> und bemerken nur, daß als Resultat derselben das Verlangen gestellt wird:<lb/> Anerkennung der Persönlichkeit in ihrer vollen Verfügungsfreiheit innerhalb<lb/> des Privatrechts im Allgemeinen, auf dem wirthschaftlichen Gebiet des Er¬<lb/> werbs, in der Wahl des Staats durch Auswanderung, in dem Reich des<lb/> Gewissens und der Wissenschaft. Nach dieser Bestimmung ist der Rechts¬<lb/> zweck wesentlich Ausfluß der in den europäischen Völkern waltenden Idee<lb/> der Menschlichkeit und der kosmopolitischen Aufgabe der Staatsentwickelung.<lb/> Denn alle die aufgeführten Rechte stehen auch Ausländern und Fremden zu.<lb/> Uebrigens genügt keineswegs eine theoretische Anerkennung dieser mensch¬<lb/> lichen Freiheitsrechte, es kommt vielmehr auch darauf an. ihren praktischen<lb/> Werth zu sichern durch Unterdrückung alles dessen, was als Störung und<lb/> Hemmung sich bethätigen könnte. Auf diese Aufgabe sind vorzugsweise Ge¬<lb/> richtspflege, Polizei und Wirthschaftspolitik berechnet.</p><lb/> <p xml:id="ID_77" next="#ID_78"> In einer letzten und besonders bemerkenswerthen Form offenbart sich<lb/> der Staatszweck endlich als gesellschaftlicher Culturzweck, als derje¬<lb/> nige, der es mit bestimmten Gesellschaftsgruppen zu thun hat, die gewisser¬<lb/> maßen, die Mitte haltend zwischen der nationalen Einheit nach Außen und<lb/> der unendlichen Verschiedenheit des individuellen Lebens, in der Eigenthüm¬<lb/> lichkeit ihrer Bestrebungen und Zwecke eine bestimmte Erkennbarkeit darbieten.<lb/> Hierhin gehören, abgesehen von der ursprünglichsten Gesellschaftsform, der<lb/> Familie, dem Geschlechtsverband u. s. w.. die Berufsgemeinschaften, das Beam-<lb/> tenthum in seinen Abstufungen und Geschäftseintheilungen, die Jdeengemein-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0032]
richtige Begrenzung des Machtaufwandes für jedes einzelne Staatswesen
nach der Natur seiner Kräfte und Interessen und unter Berücksichtigung der
völkerrechtlichen Entwickelungsziele und der allgemeinen menschlichen Cultur
aufzufinden und demgemäß auf das nationale Bewußtsein, wo es übertriebene
Anforderungen stellt, regelnd einzuwirken. Für Deutschland kann man sagen,
daß es im vollen Gegensatz zur nordamerikanischen Union als derjenige
Staatsverband zu erachten ist, in welchem der äußere Machtzweck (auf defen¬
siver Grundlage) am stärksten als gebieterische Nothwendigkeit durch die Natur
der Nachbarstaaten angedeutet ist. — Der Rechtszweck des Staates, der
mit vollkommnem Recht auch der Freiheitszweck genannt werden kann, besteht
in der durch das heutige Bewußtsein der europäischen Nationen geforderten,
in festen Formen zu bewirkenden Sicherstellung der persönlich freien Ent¬
wickelung des Menschen innerhalb der ihm zu überlassenden Thätigkeitsgebiete.
Scheinbar liegt darin eine Abschwächung des Machtzweckes, aber auch nur
scheinbar, denn in Wirklichkeit trägt der Gedanke des sest geordneten Einzel¬
rechts die Voraussetzung der zu seinem Schutz nothwendigen Machtmittel in
sich. Wir können dem Verfasser in die schwierige Untersuchung über die Ab¬
grenzung des der persönlichen Freiheit zu überlassenden Gebiets nicht folgen
und bemerken nur, daß als Resultat derselben das Verlangen gestellt wird:
Anerkennung der Persönlichkeit in ihrer vollen Verfügungsfreiheit innerhalb
des Privatrechts im Allgemeinen, auf dem wirthschaftlichen Gebiet des Er¬
werbs, in der Wahl des Staats durch Auswanderung, in dem Reich des
Gewissens und der Wissenschaft. Nach dieser Bestimmung ist der Rechts¬
zweck wesentlich Ausfluß der in den europäischen Völkern waltenden Idee
der Menschlichkeit und der kosmopolitischen Aufgabe der Staatsentwickelung.
Denn alle die aufgeführten Rechte stehen auch Ausländern und Fremden zu.
Uebrigens genügt keineswegs eine theoretische Anerkennung dieser mensch¬
lichen Freiheitsrechte, es kommt vielmehr auch darauf an. ihren praktischen
Werth zu sichern durch Unterdrückung alles dessen, was als Störung und
Hemmung sich bethätigen könnte. Auf diese Aufgabe sind vorzugsweise Ge¬
richtspflege, Polizei und Wirthschaftspolitik berechnet.
In einer letzten und besonders bemerkenswerthen Form offenbart sich
der Staatszweck endlich als gesellschaftlicher Culturzweck, als derje¬
nige, der es mit bestimmten Gesellschaftsgruppen zu thun hat, die gewisser¬
maßen, die Mitte haltend zwischen der nationalen Einheit nach Außen und
der unendlichen Verschiedenheit des individuellen Lebens, in der Eigenthüm¬
lichkeit ihrer Bestrebungen und Zwecke eine bestimmte Erkennbarkeit darbieten.
Hierhin gehören, abgesehen von der ursprünglichsten Gesellschaftsform, der
Familie, dem Geschlechtsverband u. s. w.. die Berufsgemeinschaften, das Beam-
tenthum in seinen Abstufungen und Geschäftseintheilungen, die Jdeengemein-
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