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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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hafter Elemente immerhin die Vertreter wahrer Civilisation gegenüber einer
übertünchten Barbarei.

Allein die Dinge stehen nicht so, daß nur eine der beiden Alternativen ge¬
wähltwerden muß. Alle Uebelstände würden fast gänzlich gehoben, wenn an die
Stelle der fünfzehn Consulatgerichte ein einziger Consulatgerichtshof träte.
Es gäbe alsdann nur ein Tribunal, nur ein Gesetzbuch. Es wäre nicht mehr
nöthig, sich bei der Verfolgung eines von mehreren Personen begangenen
Vergehens an verschiedene Gerichte zu wenden und in derselben Sache da
Bestrafung, dort Freisprechung zu erleben. Der Regierung wäre ein wesent¬
licher Schutz gegen unberechtigte Ansprüche von Europäern gegeben. Denn
wenn einzelne Vertreter fremder Nationalitäten ihre Stellung direct oder
indirect zu Geschäften und Erpressungen mißbrauchten -- so wäre dies
von einem Collegialgerichte nicht zu erwarten; selbst wenn zweifelhafte Ele¬
mente hineinkämen, würde die collegiale Entscheidung ihnen die selb¬
ständige Macht zu schaden beschränken.

Natürlich müßte das Mögliche geschehen, um dieses Collegium aus
charaktervoller Männern zu bilden, welche durch eine hohe Besoldung auch
äußerlich unabhängig gestellt werden. Wenn England, Frankreich. Preußen,
Oestreich, Rußland, und etwa Italien und Nordamerika die Mitglieder
dieses Gerichtes wählen, so könnte man in Uebereinstimmung mit der ägyp¬
tischen Regierung den übrigen Staaten die Alternative stellen, entweder sich
diesem Gerichtshofe zu unterwerfen, oder der ägyptischen Justiz anheimzu¬
fallen. Daß hierbei ein oder das andere weitergehende Recht verletzt werden
könnte, läßt sich nicht in Abrede stellen. Allein jede Reform, welcher Art
sie auch sei. wird solche vorübergehende Nachtheile in ihrem Gefolge haben,
und jedenfalls würde das hier befürwortete Project ungleich größere Rechts¬
sicherheit gewähren, als jedes andere. Denn es würde die Vortheile der
jetzigen Zustände festhalten, während es gleichzeitig beträchtliche Nachtheile
derselben beseitigte.

An dieses Gericht werden nicht nur die Streitigkeiten verschiedener Na¬
tionalitäten untereinander, sowie sämmtliche Processe, in welchen Euro¬
päer*) als Verklagte auftreten, verwiesen, sondern auch alle Streitigkeiten
von Parteien gleicher Nationalität, sobald der Gegenstand ein? gewisse
von juristischer Seite näher festzusetzende Erheblichkeit hätte. Es dürften also
den einzelnen Consulaten nur die weniger erheblichen Processe zwischen Par¬
teien ihrer eigenen Nationalität überlassen bleiben. Alle übrigen Processe



Der ungenau? Ausdruck "Europäer" ist der Abkürzung wegen gewählt, meint aber natür¬
lich alle fremden Nationalitäten überhaupt. Diese bestehen übrigens in AeMten fast ganz
und gnr aus Europäern.

hafter Elemente immerhin die Vertreter wahrer Civilisation gegenüber einer
übertünchten Barbarei.

Allein die Dinge stehen nicht so, daß nur eine der beiden Alternativen ge¬
wähltwerden muß. Alle Uebelstände würden fast gänzlich gehoben, wenn an die
Stelle der fünfzehn Consulatgerichte ein einziger Consulatgerichtshof träte.
Es gäbe alsdann nur ein Tribunal, nur ein Gesetzbuch. Es wäre nicht mehr
nöthig, sich bei der Verfolgung eines von mehreren Personen begangenen
Vergehens an verschiedene Gerichte zu wenden und in derselben Sache da
Bestrafung, dort Freisprechung zu erleben. Der Regierung wäre ein wesent¬
licher Schutz gegen unberechtigte Ansprüche von Europäern gegeben. Denn
wenn einzelne Vertreter fremder Nationalitäten ihre Stellung direct oder
indirect zu Geschäften und Erpressungen mißbrauchten — so wäre dies
von einem Collegialgerichte nicht zu erwarten; selbst wenn zweifelhafte Ele¬
mente hineinkämen, würde die collegiale Entscheidung ihnen die selb¬
ständige Macht zu schaden beschränken.

Natürlich müßte das Mögliche geschehen, um dieses Collegium aus
charaktervoller Männern zu bilden, welche durch eine hohe Besoldung auch
äußerlich unabhängig gestellt werden. Wenn England, Frankreich. Preußen,
Oestreich, Rußland, und etwa Italien und Nordamerika die Mitglieder
dieses Gerichtes wählen, so könnte man in Uebereinstimmung mit der ägyp¬
tischen Regierung den übrigen Staaten die Alternative stellen, entweder sich
diesem Gerichtshofe zu unterwerfen, oder der ägyptischen Justiz anheimzu¬
fallen. Daß hierbei ein oder das andere weitergehende Recht verletzt werden
könnte, läßt sich nicht in Abrede stellen. Allein jede Reform, welcher Art
sie auch sei. wird solche vorübergehende Nachtheile in ihrem Gefolge haben,
und jedenfalls würde das hier befürwortete Project ungleich größere Rechts¬
sicherheit gewähren, als jedes andere. Denn es würde die Vortheile der
jetzigen Zustände festhalten, während es gleichzeitig beträchtliche Nachtheile
derselben beseitigte.

An dieses Gericht werden nicht nur die Streitigkeiten verschiedener Na¬
tionalitäten untereinander, sowie sämmtliche Processe, in welchen Euro¬
päer*) als Verklagte auftreten, verwiesen, sondern auch alle Streitigkeiten
von Parteien gleicher Nationalität, sobald der Gegenstand ein? gewisse
von juristischer Seite näher festzusetzende Erheblichkeit hätte. Es dürften also
den einzelnen Consulaten nur die weniger erheblichen Processe zwischen Par¬
teien ihrer eigenen Nationalität überlassen bleiben. Alle übrigen Processe



Der ungenau? Ausdruck „Europäer" ist der Abkürzung wegen gewählt, meint aber natür¬
lich alle fremden Nationalitäten überhaupt. Diese bestehen übrigens in AeMten fast ganz
und gnr aus Europäern.
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[0308] hafter Elemente immerhin die Vertreter wahrer Civilisation gegenüber einer übertünchten Barbarei. Allein die Dinge stehen nicht so, daß nur eine der beiden Alternativen ge¬ wähltwerden muß. Alle Uebelstände würden fast gänzlich gehoben, wenn an die Stelle der fünfzehn Consulatgerichte ein einziger Consulatgerichtshof träte. Es gäbe alsdann nur ein Tribunal, nur ein Gesetzbuch. Es wäre nicht mehr nöthig, sich bei der Verfolgung eines von mehreren Personen begangenen Vergehens an verschiedene Gerichte zu wenden und in derselben Sache da Bestrafung, dort Freisprechung zu erleben. Der Regierung wäre ein wesent¬ licher Schutz gegen unberechtigte Ansprüche von Europäern gegeben. Denn wenn einzelne Vertreter fremder Nationalitäten ihre Stellung direct oder indirect zu Geschäften und Erpressungen mißbrauchten — so wäre dies von einem Collegialgerichte nicht zu erwarten; selbst wenn zweifelhafte Ele¬ mente hineinkämen, würde die collegiale Entscheidung ihnen die selb¬ ständige Macht zu schaden beschränken. Natürlich müßte das Mögliche geschehen, um dieses Collegium aus charaktervoller Männern zu bilden, welche durch eine hohe Besoldung auch äußerlich unabhängig gestellt werden. Wenn England, Frankreich. Preußen, Oestreich, Rußland, und etwa Italien und Nordamerika die Mitglieder dieses Gerichtes wählen, so könnte man in Uebereinstimmung mit der ägyp¬ tischen Regierung den übrigen Staaten die Alternative stellen, entweder sich diesem Gerichtshofe zu unterwerfen, oder der ägyptischen Justiz anheimzu¬ fallen. Daß hierbei ein oder das andere weitergehende Recht verletzt werden könnte, läßt sich nicht in Abrede stellen. Allein jede Reform, welcher Art sie auch sei. wird solche vorübergehende Nachtheile in ihrem Gefolge haben, und jedenfalls würde das hier befürwortete Project ungleich größere Rechts¬ sicherheit gewähren, als jedes andere. Denn es würde die Vortheile der jetzigen Zustände festhalten, während es gleichzeitig beträchtliche Nachtheile derselben beseitigte. An dieses Gericht werden nicht nur die Streitigkeiten verschiedener Na¬ tionalitäten untereinander, sowie sämmtliche Processe, in welchen Euro¬ päer*) als Verklagte auftreten, verwiesen, sondern auch alle Streitigkeiten von Parteien gleicher Nationalität, sobald der Gegenstand ein? gewisse von juristischer Seite näher festzusetzende Erheblichkeit hätte. Es dürften also den einzelnen Consulaten nur die weniger erheblichen Processe zwischen Par¬ teien ihrer eigenen Nationalität überlassen bleiben. Alle übrigen Processe Der ungenau? Ausdruck „Europäer" ist der Abkürzung wegen gewählt, meint aber natür¬ lich alle fremden Nationalitäten überhaupt. Diese bestehen übrigens in AeMten fast ganz und gnr aus Europäern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/308>, abgerufen am 04.07.2024.