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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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febern und 1 Meßtisch vorhanden waren. -- Nur beim Suezcanal ist die Krohn-
arbeit abgeschafft. Wer so gutmüthig sein sollte, den Versicherungen der
ägyptischen Regierung, daß sie überhaupt abgeschafft sei, zu glauben, hätte
im verflossenen Jahre Gelegenheit gehabt, bei den 30,000 Arbeitern, welche
die Eisenbahn von Benda nach Suez durch das Wadi Tumeilat in außer¬
ordentlicher Schnelligkeit erbauten, sich eines bessern zu belehren. Sie wurden,
damit man dem Buchstaben nach sie nicht umsonst arbeiten ließ, mit einigen
Kupserstückchen abgelohnt, in Wahrheit aber arbeiteten sie als gepreßte Leib¬
eigene. In dem vorjährigen ägyptischen Budget waren für öffentliche Ar¬
beiten ca. 130,000 Fras. ausgesetzt. Wenn die Regierung es fertig brachte,
mit dieser Summe so große Erfolge zu schaffen, so muß man an Hexerei
oder Unwahrheit glauben. -- Bei dem Bundes-Palaste auf Gezireh, der ca.
10,000,000 Fras. kostet, hatten die Bauführer die Weisung, im Falle eines
Mangels an niederen Arbeitern sich an die Polizei in Cairo zu wenden.
Was das auf gut deutsch heißt, begreift Jeder. --

Wie wenig die Regierung durch ehrliche Absichten geleitet wird, geht
daraus hervor, daß sie, obgleich im Besitz einer Anzahl abhängiger Zeitungen,
doch nicht den leisesten Versuch gemacht hat, mittels der Presse die Vortheile
der beabsichtigten Reform auseinander zu setzen und die Europäer im Lande
dafür zu gewinnen. Im Auslande hat sie sich Blätter erkauft, welche für
sie sprechen mußten; im Inlande einen Versuch zu machen, wäre hoffnungslos.
Je weniger man im Lande von der Sache erfuhr, um so besser. Denn
um so eher konnte man hoffen, sein Ziel in der Stille zu erreichen und
mit einer vollendeten Thatsache, gegen die es keine Instanz gibt, hervor¬
zutreten.

Darf man den Andeutungen der Thronrede dieses Jahres Glauben
schenken, so wäre die Mehrzahl der Großmächte für die Reform gewonnen
und nur Frankreich hinderte das Zustandekommen einer vorberathenden Com¬
mission. Hoffen wir, daß diese Behauptung ebenso unwahr sei, wie die in
derselben Thronrede wiederholt ausgesprochene Versicherung von der blühen¬
den Finanzlage Aegyptens, sowie daß Seine Hoheit sich mit ängstlicher Sorg¬
falt an eine bestimmte Civilliste gehalten habe -- Versicherungen, denen auch
das loyalste Gemüth zu glauben sich vergeblich bemüht.

Zum Schluß sei mir ein kurzer Nachweis gestattet, in welcher Weise
eine heilsame Reform unserer Gerichte nothwendig und ausführbar sein würde.

Daß eine Refoim der ägyptisch > europäischen Gerichtsbarkeit wünschens¬
wert!) sei. kann kein billig Denkender ableugnen. -- Dies aber müßte eine
Reform sein, die wenig mit den Ausstellungen der ägyptischen Regierung
gemein hat.

Die Nachtheile von 16 Gerichtshöfen und einem sechszehnfachen Gerichts-


Grenzbolen II. I8K9, - Stz

febern und 1 Meßtisch vorhanden waren. — Nur beim Suezcanal ist die Krohn-
arbeit abgeschafft. Wer so gutmüthig sein sollte, den Versicherungen der
ägyptischen Regierung, daß sie überhaupt abgeschafft sei, zu glauben, hätte
im verflossenen Jahre Gelegenheit gehabt, bei den 30,000 Arbeitern, welche
die Eisenbahn von Benda nach Suez durch das Wadi Tumeilat in außer¬
ordentlicher Schnelligkeit erbauten, sich eines bessern zu belehren. Sie wurden,
damit man dem Buchstaben nach sie nicht umsonst arbeiten ließ, mit einigen
Kupserstückchen abgelohnt, in Wahrheit aber arbeiteten sie als gepreßte Leib¬
eigene. In dem vorjährigen ägyptischen Budget waren für öffentliche Ar¬
beiten ca. 130,000 Fras. ausgesetzt. Wenn die Regierung es fertig brachte,
mit dieser Summe so große Erfolge zu schaffen, so muß man an Hexerei
oder Unwahrheit glauben. — Bei dem Bundes-Palaste auf Gezireh, der ca.
10,000,000 Fras. kostet, hatten die Bauführer die Weisung, im Falle eines
Mangels an niederen Arbeitern sich an die Polizei in Cairo zu wenden.
Was das auf gut deutsch heißt, begreift Jeder. —

Wie wenig die Regierung durch ehrliche Absichten geleitet wird, geht
daraus hervor, daß sie, obgleich im Besitz einer Anzahl abhängiger Zeitungen,
doch nicht den leisesten Versuch gemacht hat, mittels der Presse die Vortheile
der beabsichtigten Reform auseinander zu setzen und die Europäer im Lande
dafür zu gewinnen. Im Auslande hat sie sich Blätter erkauft, welche für
sie sprechen mußten; im Inlande einen Versuch zu machen, wäre hoffnungslos.
Je weniger man im Lande von der Sache erfuhr, um so besser. Denn
um so eher konnte man hoffen, sein Ziel in der Stille zu erreichen und
mit einer vollendeten Thatsache, gegen die es keine Instanz gibt, hervor¬
zutreten.

Darf man den Andeutungen der Thronrede dieses Jahres Glauben
schenken, so wäre die Mehrzahl der Großmächte für die Reform gewonnen
und nur Frankreich hinderte das Zustandekommen einer vorberathenden Com¬
mission. Hoffen wir, daß diese Behauptung ebenso unwahr sei, wie die in
derselben Thronrede wiederholt ausgesprochene Versicherung von der blühen¬
den Finanzlage Aegyptens, sowie daß Seine Hoheit sich mit ängstlicher Sorg¬
falt an eine bestimmte Civilliste gehalten habe — Versicherungen, denen auch
das loyalste Gemüth zu glauben sich vergeblich bemüht.

Zum Schluß sei mir ein kurzer Nachweis gestattet, in welcher Weise
eine heilsame Reform unserer Gerichte nothwendig und ausführbar sein würde.

Daß eine Refoim der ägyptisch > europäischen Gerichtsbarkeit wünschens¬
wert!) sei. kann kein billig Denkender ableugnen. — Dies aber müßte eine
Reform sein, die wenig mit den Ausstellungen der ägyptischen Regierung
gemein hat.

Die Nachtheile von 16 Gerichtshöfen und einem sechszehnfachen Gerichts-


Grenzbolen II. I8K9, - Stz
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/305>, abgerufen am 04.07.2024.